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Israel plant Abschiebungen

Sarah Steffen4. September 2013

Zehntausende Flüchtlinge aus Eritrea und Sudan sollen laut Israels Innenminister ab Oktober in ein afrikanisches Drittland gebracht werden. Uganda dementiert, von einem Abkommen mit Israel zu wissen.

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Afrikanische Flüchtlinge in Israel (Foto: DW/Emilie Baujard)
Bild: DW

Israels Innenminister Gideon Saar hatte den Innenausschuss des Parlaments vergangene Woche (29.08.2013) darüber informiert, mehrere zehntausend Flüchtlinge aus Eritrea und Sudan in ein afrikanisches Drittland bringen zu wollen. Dabei hatte er das Zielland explizit nicht genannt. Später wurde bekannt, dass er vor Abgeordneten Uganda als mögliches Abschiebeland erwähnt hatte. Uganda hat inzwischen dementiert, eritreische und sudanesische Flüchtlinge aus Israel aufzunehmen. "Wir wissen nichts von einem solchen Abkommen", sagte ein Sprecher des ugandischen Außenministeriums der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag (30.08.2013). Seitdem gibt es - zumindest offiziell - keine neue Bewegung in der Angelegenheit.

Israel selbst wollte die Diskussionen um Uganda nicht kommentieren, da es sich um einen noch nicht abgeschlossenen Prozess handele. Israel sei aber auf der Suche nach einem Drittland, in das die Flüchtlinge zurückgeschickt werden könnten, sagte eine Sprecherin der israelischen Regierung der DW.

"Die UN hat eine Liste von Ländern, in die niemand zurückgeschickt werden darf, und Eritrea und Sudan sind auf dieser Liste", sagte die Sprecherin. Israel suche seit Jahren nach einer Lösung, um die Flüchtlinge zurückzuschicken. "Wenn also ein anderes Drittland willens ist, sie aufzunehmen, wäre das eine sehr gute Option. Aber wir haben bislang noch kein Abkommen geschlossen."

Ein Polizist kontrollliert Papiere von afrikanischen Flüchtlingen (Foto: EPA/ABIR SULTAN, dpa - Bildfunk)
Israels Polizei kontrolliert Afrikaner - wer keine gültigen Papier hat, wird verhaftetBild: picture-alliance/dpa

In Israel leben mehr als 50.000 illegale Einwanderer; rund 90 Prozent von ihnen stammen aus dem Sudan oder Eritrea. In beiden Ländern besteht Verfolgungsgefahr für die Flüchtlinge, sollten sie in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Israel vertritt den Standpunkt, die afrikanischen Migranten seien illegal im Land - Israel klassifiziert sie als Wirtschaftsflüchtlinge und nicht als politisch Verfolgte, denen Asyl zustehen könnte.

Freier Wille?

Nach den Plänen von Innenminister Saar soll nun ein mehrstufiger Prozess in Gang gesetzt werden, bei dem die Migranten aus Eritrea und Sudan Israel "aus freiem Willen verlassen." Sie bekämen ein Flugticket und rund 1000 Euro in die Hand, "um ein neues Kapitel in ihrem Leben zu beginnen", wie es die israelische Sprecherin ausdrückt.

Von Freiwilligkeit könne aber keine Rede sein, sagt dagegen Maike Harel, die in Israel für die Hilfsorganisation Hotline for Migrant Workers arbeitet. "Es ist nämlich so, dass es in Israel seit 2012 ein Gesetz gibt, wonach Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung bis zu drei Jahre lang im Gefängnis festgehalten werden können. Und mit so einem Gesetz bedeutet das also, dass die Wahl sozusagen zwischen langer Inhaftierung oder Abschiebung liegt. Und in diesem Sinne kann nicht von Freiwilligkeit geredet werden."

Afrikanische Flüchtlinge liegen in einem Park auf Pappkarton (Foto: EPA/ABIR SULTAN)
Viele der Flüchtlinge wissen nicht, wohin - sie wissen nur, sie sind hier nicht willkommenBild: picture-alliance/dpa

Diese Sichtweise teilt auch Tsafrir Cohen, Nahostreferent der Menschenrechts- und Hilfsorganisation Medico International in Frankfurt. "Die Leute werden erpresst", sagt Cohen. Er spricht von einem "sehr schmutzigen Deal" und einer "furchtbaren Entwicklung, wenn man versucht, Menschen einfach wie Handelsware zu importieren, zu exportieren."

Auch Harel sieht die Entwicklung kritisch: Denn Israel verspricht dem Drittland, das bereit wäre, die Flüchtlinge aufzunehmen, Wirtschafts- und Rüstungshilfen. Harel betont, dass es ein problematischer Präzedenzfall wäre, "wenn man Flüchtlinge einfach verkaufen kann."

"Es geht hier ganz klar um eine rassistische Maßnahme", kritisiert Cohen. "In Israel sollen keine nichtjüdischen Schwarzafrikaner leben. Darum geht es." Es gebe eine offene Politik der Nichtanerkennung von Flüchtlingen, so Cohen. Laut aktuellen Daten des UN-Flüchtlingswerks UNHCR für das Jahr 2011 liegt die Anerkennungsrate von Flüchtlingen unter einem Prozent.

Stimmung gegen Flüchtlinge

Die jüngste Ankündigung könnte auch an diejenigen im Land gerichtet sein, die gegen die Migranten Stimmung machen, vermutet Menschenrechtlerin Harel. Offiziell würden die Flüchtlinge als "Eindringlinge" bezeichnet, so Harel. "Das kommt gut an, weil es sehr viel negative Stimmung gegenüber Flüchtlingen gibt", sagt Harel. Die Abschiebepläne seien eine "Kampagne, mit der den Israelis gesagt werden soll: 'Wir tun etwas, wir machen etwas, wir werden diese Leute jetzt los.' Ob das dann auch wirklich passiert, ist noch eine ganz andere Frage", so Harel.

Demonstranten protestieren für afrikanische Flüchtlinge (Foto: Dan Balitly/AP/dapd)
Einige Bürger setzen sich auch für die Flüchtlinge einBild: dapd

Im letzten Jahr habe es schon einmal eine Ankündigung des Innenministers gegeben, dass alle Sudanesen verhaftet und inhaftiert würden, berichtet Harel. "Das war purer Populismus, da stand dann nichts dahinter. Was nicht heißen soll, dass jetzt nichts passieren wird - man weiß es im Moment nicht."

Offenbar verhandelt Israel noch mit zwei weiteren afrikanischen Ländern über eine Aufnahme der Flüchtlinge.