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Israel beschießt erneut UN-Schule im Gazastreifen

6. Januar 2009

Beim bislang folgenschwersten Angriff seit Beginn der elftägigen Militäroffensive Israels im Gazastreifen sind nach UN-Angaben mindestens 30 Menschen vor einer Schule getötet worden.

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(AP Photos/Hatem Moussa)
Nach einem Angriff auf Gaza-Stadt steigen Rauchwolken am Himmel aufBild: AP

Wie die Gesundheitsbehörde am Dienstag (06.01.200) in Gaza mitteilte, wurden mehr als 150 Menschen verletzt. Nach Augenzeugenberichten hatten sich die Opfer außerhalb einer UN-Schule im Flüchtlingslager Dschebalia auf einem Spielplatz aufgehalten, als Raketen und Panzergranaten explodiert seien.

(AP Photo/Fadi Adwan)
An vielen Orten versperren Trümmer den WegBild: AP

Die Schule des UN-Hilfswerkes für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) in dem Flüchtlingslager im nördlichen Gazastreifen diente nach Angaben einer UN-Mitarbeiterin zwischen 800 und 1000 Menschen als Notunterkunft. Die israelische Armee sei informiert gewesen, dass in einigen UN-Schulen Familien untergebracht worden seien, deren Häuser zerstört worden waren, sagte der Sprecher der Gesundheitsbehörde. Außerdem habe auf dem Dach eine blaue Fahne der UNRWA geweht.

Löcher im Klassenzimmer - überall Blutlachen

Die israelische Armee gab an, sie sei aus der Schule heraus beschossen worden. Der Angriff auf die Schule sei eine Antwort darauf gewesen. Nach Augenzeugenberichten hatten militante Palästinenser aus einem an die Schule grenzenden Gebiet mit Mörsergranaten auf israelische Truppen geschossen. Daraufhin habe die israelische Armee die Schule mit Kampfflugzeugen und Panzern angegriffen. Granatsplitter hätten Löcher in Klassenzimmer gerissen. Schuhe und Kleidungsstücke lägen auf dem Boden verstreut. Überall gebe es Blutlachen. Fenster seien zersplittert.

Nach Angaben der Gesundheitsbehörde handelt es sich um die vierte Schule, die von der israelischen Armee in den vergangenen Tagen angegriffen worden ist. Am Morgen waren bereits fünf Todesopfer bei zwei Angriffen auf Schulen des UNRWA im Flüchtlingslager Schati in der Nähe von Gaza sowie in Chan Junis im Süden des Gazastreifens gemeldet worden. Nach dem bislang tödlichsten Angriff sei die Zahl der palästinensischen Todesopfer seit Beginn der Offensive am 27. Dezember auf über 600 gestiegen. Weitere 2600 Menschen seien verletzt worden.

Sechs Tote auf israelischer Seite

Auf Seiten der israelischen Streitkräfte kamen bis Dienstag (06.01.2009) sechs Soldaten ums Leben. Vier von ihnen fielen Angriffen aus den eigenen Reihen zum Opfer, darunter allein drei am Montagabend bei der Explosion einer Panzergranate. Die Granate habe während eines Gefechts mit Hamas-Kämpfern nahe der Stadt Gaza irrtümlich die Stellung der Soldaten getroffen, erklärte ein Militärsprecher.

(AP Photo/Khalil Hamra)
Eine Frau und ihre Tochter gehen an einem Gebäude vorbei, das von der Hams genutzt wurdeBild: AP

Am vierten Tag der Bodenoffensive häuften sich die Hinweise auf zunehmende Straßenkämpfe, nachdem sich die israelischen Truppen zunächst auf ländliche Gebiete konzentriert hatten. In der Siedlung Schadschaijeh lieferten sich israelische Soldaten und Hamas-Kämpfer heftige Gefechte, wie aus dem israelischen Verteidigungsministerium verlautete. Augenzeugen berichteten von Panzern in der Nähe der Ortschaften Chan Junis und Dir el Balah. Bei den Kämpfen am Dienstag wurden nach vorläufigen Informationen mindestens 58 Palästinenser getötet. Unter ihnen sollen lediglich zwei Kämpfer der Hamas gewesen sein, denen die israelische Offensive gilt.

"Humanitäre Krise"

Das Internationale Rote Kreuz sprach von einer "humanitären Krise" mit dramatischen Ausmaßen. Die Nacht zum Dienstag sei nach Informationen von IKRK-Mitarbeitern in Gaza die "bisher schrecklichste" gewesen. Die Zahl der Toten und Verletzten steige weiter. Der Leiter der UN-Vertretung in Gaza, John Ging, sagte: "Niemand ist sicher im Gazastreifen. Alle hier sind terrorisiert und traumatisiert." Er warf der internationalen Gemeinschaft vor, nichts gegen die Eskalation der Gewalt zu unternehmen.

Trotz der massiven Militäraktion dauerten die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf Israel weiter an. Mindestens 15 Geschosse schlugen im Süden Israels ein. Dabei wurde in der Stadt Gadera, 40 Kilometer vom Gazastreifen entfernt, ein drei Monate alter Säugling leicht verletzt. Zu Beginn der Offensive hatten die Palästinenser noch mehrere Dutzend Raketen auf Israel abgeschossen.

Diplomatie versagt

Am Sitz der Vereinten Nationen in New York kamen die Botschafter mehrerer arabischer Staaten zusammen und riefen den Sicherheitsrat zur Verabschiedung einer Resolution zum Gazastreifen auf. Auch US-Außenministerin Condoleezza Rice wurde noch im Laufe des Dienstag bei den UN erwartet. Am Samstag war eine Erklärung mit der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand an Einwänden der USA gescheitert.

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy drängte Syrien zu einer Vermittlerrolle. Nach einem Treffen mit Präsident Baschar Assad in Damaskus sagte Sarkozy, die syrische Regierung müsse helfen, die Hamas vom Weg der Vernunft und des Friedens zu überzeugen. Syrien gehört zu den wichtigsten Unterstützern der Hamas, deren politische Exil-Führung ihre Büros in Damaskus hat.

Brasilien: "Staatsterrorismus"

Unterdessen warf die brasilianische Regierung Israel angesichts der Militäroffensive im Gazastreifen "Staatsterrorismus" vor. Der außenpolitische Berater von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, Marco Aurélio Garcia, sagte der Wirtschaftszeitung "Valor Económico" (Dienstag): "Wenn es einen Anschlag gegen Israel gibt, ist dies ein Terror-Akt. Wenn eine Aktion des israelischen Militärs zu Toten auf palästinensischer Seite führt, ist das eine Verteidigungs-Reaktion. Entschuldigung, das ist Staatsterrorismus." Die Regierung in Brasilía kündigte für Freitag die Lieferung von 14 Tonnen Hilfsgütern für die Palästinenser an. (mas)