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IS-Sympathisanten in Zentralasien

Mikhail Bushuev22. März 2015

"Sympathisanten der IS verhaftet!" Solche Meldungen gehören in den Ländern Zentralasiens zum Alltag. Die Behörden dort unternehmen zu wenig gegen die IS-Propaganda, so Experten.

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Kämpfer des "Islamischen Staates" in Syrien (Foto: AP Photo/Raqqa Media Center)
Bild: picture-alliance/AP Photo/Raqqa Media Center

Die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) agiert international: Vertreter aus etwa 80 Ländern sollen sich verschiedenen Angaben zufolge den radikalen Islamisten angeschlossen haben. Einen kleinen, aber nicht unwesentlichen Teil bilden Menschen aus Kirgisistan, Usbekistan, Kasachstan, Tadschikistan und Turkmenistan. Der IS, der in Syrien und im Irak aktiv ist, hat laut Angaben der Brüsseler Expertengruppe International Crisis Group (ICG) in den letzten drei Jahren bis zu 4000 Anhänger aus Zentralasien angeworben. Und die Zahl der IS-Sympathisanten aus der Region steigt.

Die "kasachische Gruppe" kämpft mit

Kasachstans Geheimdienste schätzten die Anzahl der IS-Kämpfer aus dem eigenen Land Ende letzten Jahres auf etwa 300. Sie bilden angeblich eine eigene Truppeneinheit, eine "kasachisches Gruppe". Die Hälfte davon sollen Frauen sein. Die Schätzungen über IS-Kämpfer aus Tadschikistan gehen weit auseinander. Das tadschikische Innenministerium geht von 200 aus, das Komitee für Staatssicherheit des Landes von 300. Lokalen Medien zufolge sollen es 2000 sein. Aus Kirgisistan sind nach Angaben des Innenministeriums über 230 IS-Sympathisanten nach Syrien gereist, darunter etwa 30 Frauen. Bereits 22 Kirgisen sollen im Kriegsgebiet ums Leben gekommen sein.

Die größte Gruppe von IS-Unterstützern aus Zentralasien bilden Usbeken. Sie stammen meist aus dem überbevölkerten und armen Ferghana-Tal. Dorthin sind im Jahr 2010 nach Zusammenstößen zwischen Kirgisen und Usbeken im südlichen kirgisischen Gebiet Osch Tausende Menschen geflohen. Insgesamt sollen etwa 2500 Usbeken in den Krieg im Nahen Osten gezogen sein.

Keine Agenda

Die Behörden in den zentralasiatischen Ländern sind sich der Risiken und Gefahren bewusst, die eine steigende Zahl von Dschihad-Touristen mit sich bringt. In der einen oder anderen Form haben sich die Staatschefs von Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan auch dazu geäußert. In Turkmenistan wurde sogar ein Militärmanöver gegen eine mögliche IS-Infiltration öffentlich angekündigt, was für den sonst sehr abgeschotteten Staat selten ist.

Die Experten von der Brüsseler ICG sind aber überzeugt, dass der Region eine klare Agenda fehlt, wie der IS-Gefahr zu begegnen sei. Weil es bisher nur wenige Rückkehrer gebe, werde die Dringlichkeit, den Themenkomplex IS zu behandeln, nicht als hoch eingestuft, so die ICG-Experten. Die politischen Eliten der zentralasiatischen Länder seien noch größtenteils sowjetisch geprägt. Ihnen sei zu wenig bewusst, welche Anziehungskraft Religion auf Menschen ausübe. Auch würden sie sich zu wenig damit befassen, dass zunehmend Frauen Ziel der IS-Propaganda seien.

Propagandavideo der IS-Miliz zeigt voll verschleierte Frauen mit Gewehren (Foto: Syriadeeply.org/S/dpa)
Vollverschleiert im Kampf: Propagandavideo der IS-MilizBild: picture-alliance/dpa/Syriadeeply.org

Keine Arbeit, keine Chance

Meist reagieren die Behörden nur mit verschärften Gesetzen, die eine Teilnahme an illegalen militärischen Ausbildungen oder Kriegshandlungen im Ausland unter Strafe stellen. Entsprechende Aktivitäten werden in Usbekistan seit 2014, in Tadschikistan seit Mitte 2014 und in Kasachstan seit 2015 geahndet. In Kirgisistan muss ein entsprechendes Gesetz noch in Kraft treten.

Beobachter in der Region halten allerdings strafrechtliche Gegenmaßnahmen allein für unzureichend. Sie fordern vor allem umfassende Reformen. Den Menschen, die sich von radikalem Gedankengut angesprochen fühlten, müssten Alternativen geboten werden. Gusel Maitdinowa, Leiterin des Zentrums für geopolitische Studien in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe, meint, das ärmste Land Zentralasiens brauche vor allem wirtschaftliche Veränderungen: "Solange wir Wirtschaftsprobleme haben, bleibt der soziale Nährboden für Gruppierungen, die Kämpfer anwerben, bestehen."

Tadschikistan ist besonders gefährdet. Dort hatten Anfang der 90er Jahre Islamisten gegen die Regierung einen blutigen Bürgerkrieg geführt. Arbeit gibt es in dem Land kaum. Maitdinowa schätzt, dass gegen 300.000 ehemalige tadschikische Gastarbeiter ein Einreiseverbot nach Russland verhängt wurde, wo die meisten Tadschiken Geld verdienen. "Unter diesen Bedingungen besteht einfach das Risiko, dass sich ein Teil dieser Menschen extremistischen Gruppierungen anschließt", so Maitdinowa.

Zahlreiche Gerichtsprozesse

Da ein umfassender Plan zur Bekämpfung der Terrorgefahr fehlt, ist die Strafverfolgung meist die einzige Option. So vergeht in den letzten Monaten in Kirgisistan kaum eine Woche, ohne dass Verhaftungen möglicher IS-Unterstützer gemeldet werden. Unter den Festgenommenen ist auch der Imam einer Moschee in Kara-Suu, einer kirgisischen Stadt an der Grenze zu Usbekistan.

In Tadschikistan wurden im letzten Jahr zwölf Strafverfahren wegen der Teilnahme an Kriegshandlungen im Nahen Osten eröffnet. Allein im Februar wurden in Kasachstan fünf Personen wegen Dschihad-Propaganda oder finanzieller Unterstützung des IS zu mehreren Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Einer von ihnen war ein Rückkehrer. Er hatte in Ägypten eine religiöse Ausbildung erhalten, kämpfte dann an der Seite des IS in Syrien und kehrte schließlich nach Kasachstan zurück.

Mangelnde Kooperation

Größte Schwierigkeiten bereitet den zentralasiatischen Staaten aber die Prävention, meinen Experten. Man versuche zwar, potenzielle Kämpfer noch vor einer Reise nach Syrien und in den Irak zu stoppen - jedoch ohne großen Erfolg. Es mangele an einer Kooperation zwischen den Geheimdiensten der Region, vor allem zwischen Kirgisistan und Tadschikistan.

Eine Reise von Zentralasien ins IS-Gebiet ist relativ einfach und dazu auch noch erschwinglich. Meist führt der Weg dorthin über die Türkei oder Afghanistan. Die Staatsbürger fast aller zentralasiatischen Länder brauchen für die Einreise in die Türkei kein Visum. Usbeken können ein 30-tägiges Visum vor Ort bekommen. Und vom Flughafen in Istanbul kann man sich problemlos bis zur syrischen Grenze fahren lassen.