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Kunst

Ironischer Blick: Die Martin-Parr-Retrospektive

Torsten Landsberg
19. Juli 2019

Seit über 40 Jahren dokumentiert Martin Parr den Alltag der Menschen. Das NRW-Forum Düsseldorf würdigt den britischen Star-Fotografen nun mit einer Retrospektive - inklusive eines Besuches im deutschen Kleingarten.

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Eine Frau und ein Mann stehen in ihrem Kleingarten, der Mann hält einen Hund auf dem Arm.
Idyllisch: Für die Schau besuchte Martin Parr die Düsseldorfer Kleingartenkolonie "Am Schwarzen Weg"Bild: Martin Parr/Magnum Photos

Das Leben trägt manchmal groteske Züge. Natürlich betrifft das nur das Leben und den Alltag der anderen - betrachtet von außen, extrem wertend. Ist es nicht bescheuert, dass Menschen im Sommer in schmalen Zentimeterabständen zueinander an überfüllten Stränden liegen, sich zwei Wochen von der Sonne braten lassen und das Urlaub nennen? Oder jeden Tag zur gleichen Zeit eine Tasse Tee trinken? Oder Blumen züchten?

Seit den 1970er Jahren dokumentiert der englische Fotograf Martin Parr Menschen in ihrem ganz normalen gewohnten Umfeld. Eine umfassende Retrospektive seiner Arbeiten zeigt das NRW-Forum Düsseldorf ab dem 19. Juli 2019.

Düsseldorf: Martin Parr Retrospektive im NRW Forum
"Knokke, Belgien 2001" ist der lakonische Titel dieser FotografieBild: Martin Parr/Magnum Photos

Martin Parrs Fotos sind Stillleben im natürlichen Lebensraum des Menschen: in ihrem Alltag, im Urlaub, in ihrer Freizeit, umgeben von Vertrautem inmitten der eigenen kleinen Privatspäre. Kitschig und manchmal kleinbürgerlich dokumentieren die Arbeiten von Parr oftmals eigentümliches Verhalten und absurde Bräuche.

Die Aufnahmen beschönigen nicht, manche wirken überzeichnet, neben inszenierten Shootings entstehen viele Fotos zufällig. Parrs Blick ist stark von einem ganz speziellen britischem Humor geprägt, der die Betrachter einholt: Müssten wir nicht selbst über manche Momente unseres Alltags schmunzeln, wenn sie auf diese Weise festgehalten würden?

Strandszene in New Brighton
Heruntergekommenes Seebad: Strandszene in New Brighton, EnglandBild: Martin Parr/Magnum Photos

Ungeschönter Blick - spöttisch oder liebevoll?

Wegen dieser speziellen Art der fotografischen Darstellungen verlief die Aufnahme des heute 67-Jährigen in die international renommierte Fotoagentur Magnum Mitte der 1990er Jahre etwas holprig. Einige Mitglieder waren der Auffassung, Parr würde sich über die Menschen, die auf seinen Fotos zu sehen sind, lustig machen. Er selbst sagt dagegen, er wolle die Betrachter seiner Fotos "unterhalten, sie zum Lachen, aber auch zum Nachdenken bringen".

Martin Parr
Extrem britischer Humor: Fotograf Martin ParrBild: picture-alliance/dpa/J. Lübke

Sein Werk lässt sich auch anders bewerten als spöttisch: nämlich liebevoll. Der Brite Martin Parr ist Beobachter und Satiriker. Die aktuelle Retrospektive in Düsseldorf zeigt Arbeiten aus seinen Reihen "Think of England", "Luxury", "Life's a Beach" und "Common Sense", sowie zum ersten Mal auch Fotoarbeiten seiner Debüt-Serie "Bad Weather". Kürzlich hat er für das Projekt "Only Human" vor dem Hintergrund des Brexit-Chaos in GB seine Landsleute porträtiert- die er gleichermaßen liebe und hasse, wie er selbst gern sagt.

Durchbruch in den 1980er Jahren

Seinen Ruf als Chronist der britischen Gesellschaft und der individuellen wie identischen Verhaltensmuster der Menschen begründete Parr mit seinen Reportagen Anfang der 1980er Jahre. Für die 1986 veröffentlichte Reihe "The Last Resort" sammelte der Fotograf über Jahre hinweg Eindrücke vom britischen Strandleben im einst eleganten Seebad New Brighton. Später verkam der Ort zu einer britischen Ballermann-Kopie. Parrs Arbeiten hinterfragen auch Schönheitsideale, beim Fotografieren setzt er auf sein bis heute markantes Stilmittel: grelles Blitzlicht bei Tagesaufnahmen.

Für die derzeitige Ausstellung in Düsseldorf besuchte Parr mit der Kamera den typisch deutschen Kleingartenverein "Am Schwarzen Weg" im Ortsteil Vennhausen. Entstanden ist die Serie "Kleingärtner", die zwischen Apfelbäumen und Dahlien das liebste Freizeitparadies der Deutschen dokumentiert.

Die Martin Parr Retrospektive ist bis zum 10. November 2019 im Düsseldorfer NRW-Forum zu sehen.

Düsseldorf: Martin Parr Retrospektive im NRW Forum
Urlaubstress: Britische Touristin fotografiert in Chichen Itza, MexikoBild: Martin Parr/Magnum Photos