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Politik

Irans neue Solidarität mit Afghanen

Shabnam von Hein
1. Juni 2017

Der jüngste Terror-Anschlag in Kabul hat viele Iraner bewegt. In sozialen Netzwerken zeigen sie sich solidarisch mit ihren Nachbarn. Geliebt und willkommen im Iran sind die Afghanen dennoch nicht - zumindest noch nicht.

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Afghansistan Deutsche Botschaft bei Anschlag in Kabul massiv beschädigt
Bild: REUTERS/O. Sobhani

"Blutiger Ramadan in Kabul" betiteln die iranischen Medien den verheerenden Terroranschlag vom 31. Mai in Kabul. Bei der Explosion einer Autobombe im Diplomatenviertel von Kabul waren mindestens 90 Menschen getötet worden. Die Bilder von der schwer beschädigten iranischen Botschaft in Kabul verbreiteten sich rasend schnell in den sozialen Medien. Zwar gehören im Nachbarland seit 30 Jahren Krieg, Gewalt und Blut zum Alltag. Doch diesmal zeigen sich viele Iraner sehr bewegt. 

Im Kurznachrichtendienst Twitter gibt es einen Hashtag (übersetzt) "Kabul_Beileid" mit bewegenden Bildern und stark emotionalen Botschaften für Afghanistan - ein Land, das im Iran vor allem als Quelle von Drogen und illegalen Flüchtlingen gilt. 

Mit Afghanistan teilt der Iran eine knapp tausend Kilometer lange Grenze. Das Nachbarland Afghanistan produziert mehr als 90 Prozent des weltweiten Opiums, Grundstoff auch für Heroin. Der Iran und die Türkei sind maßgebliche Schmuggelkorridore für Heroin aus Afghanistan nach West- und Zentraleuropa. Die lange Grenze mit ihren hohen Bergen ist schwer passierbar, und noch schwerer zu kontrollieren. Das weiß jeder in Afghanistan und im Iran. Wie viele Menschen in den vergangenen 30 Jahren diese Grenze illegal überschritten haben, ist unklar. 

Positive Berichterstattung dank Zivilgesellschaft 

Fakt ist: Momentan halten sich im Iran etwa drei Millionen afghanische Flüchtlinge auf, zwei Millionen von ihnen illegal. Sie besitzen keinerlei Papiere, leben meist irgendwo am Rande der Gesellschaft als Bürger zweiter Klasse, manche sogar über Generationen. Über sie gab es jahrelang fast ausschließlich negative Schlagzeilen: Iranische Medien berichteten vor allem über illegale Arbeit auf dem Schwarzmarkt und die angeblich hohe Kriminalitätsrate unter den Afghanen. 

Die Berichterstattung über ihre Rechte als Flüchtlinge und die Rechte ihrer im Iran geborenen Kindern ist ein neues Thema in den Medien. Vor allem unter der reformorientierten Regierung Rohani hat sich einiges zum Besseren verändert. Die nicht registrierten Flüchtlingskinder im Iran dürfen seit 2015 erstmals im Iran zu Schule gehen. Das hatten iranische NGOs und die Zivilgesellschaft viele Jahre lang gefordert. 

Zu den bekannten Persönlichkeiten in dieser Debatte gehört Mahnaz Afshar, eine populäre Schauspielerin im Iran. Sie ist auch in Afghanistan beliebt, gehört zu den gerne gesehenen Gästen des jährlichen afghanischen Frauen-Filmfestivals in Herat.

Nach dem Kabul-Anschlag schrieb sie via Twitter: "Blut und Mittlerer Osten, ich war nur einmal in Kabul. Ein Teil meines Herzens ist aber da geblieben." 

10 Millionen Euro EU-Finanzhilfe für den Iran

Eine wichtige Rolle bei der Wende in der Berichterstattung über illegale afghanische Flüchtlinge spielt das europäische Interesse an der Verbesserung ihrer Lebensumstände im Iran. Die EU will Fluchtursachen vor Ort bekämpfen, auch wenn es um Flüchtlinge aus Afghanistan im Iran geht.

Am 29.Mai hat die Europäische Union Finanzhilfen in Höhe von 44 Millionen Euro für afghanische Flüchtlinge in verschiedenen Ländern angekündigt. Das Hilfspaket sieht die Unterstützung von afghanischen Flüchtlingen in Afghanistan, im Iran und in Pakistan vor. Etwa 10 Millionen Euro dieser Summe soll afghanischen Schutzsuchenden im Iran zugute kommen.

Kinder afghanischer "Märtyrer" 

Auch konservative Medien haben zur positiven Stimmung gegenüber afghanischen Flüchtlingen beigetragen: Sie berichten ausführlich über das "Märtyrertum" afghanischer Flüchtlinge und würdigen die Gefallenen, die als Milizionäre im Syrien-Krieg gekämpft haben. Die freiwilligen Soldaten der "Fatemion Armee" werden im Iran nun als "Verteidiger Heiliger Stätten" geehrt.

Die nach der Tochter des Propheten Mohammad "Fatemion" benannte Armee besteht im Wesentlichen aus afghanischen Kämpfern. Sie gehört zu den iranischen Quds-Einheiten. Diese Eliteeinheiten der iranischen Revolutionsgarden sind für Spezialeinsätze außerhalb des Iran zuständig. Die "Fatemion Armee" umfasst nach Angaben konservativer iranischer Medien bis zu 20.000 Kämpfer.

Wehrtüchtige Afghanen, die sich für den Kampfeinsatz in Syrien melden, werden bis zu 500 US-Dollar Sold im Monat in Aussicht gestellt, erzählen Flüchtlinge. Ihnen wird darüber hinaus eine Schul- oder Universitätsausbildung versprochen sowie bessere Lebensbedingungen für ihre Familien.

General Soleimani besucht die Hinterbliebenen der Gefallenen Afghanen
General Soleimani besucht medienwirksam die Hinterbliebenen gefallener AfghanenBild: Tasnim

"Sie verteidigen auch die Islamische Republik Iran und ihre Ideale. Die Terrorgruppe Islamischer Staat wurde gegründet, um Irans Einfluss in der Region einzuschränken, um uns zu schaden" betont; General Kassem Soleimani, Kommandeur der iranischen Quds-Einheiten. General Soleimani besucht häufig medienwirksam die Hinterbliebenen der gefallenen Afghanen und lässt sich mit ihren Kinder fotografieren.