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Iranische Ansichten

Peter Philipp4. März 2007

Ali Asghar Soltanieh, iranischer Botschafter in Wien und an der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, zeigt sich im Gespräch mit Peter Philipp besorgt über die jüngsten Entwicklungen im Atomstreit mit seinem Land.

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Ali Asghar Soltanieh bereitet vor einer IAEA-Konferenz im März 2006 seine Papiere vor (Quelle: AP)
Irans Botschafter bei der IAEA Ali Asghar Soltanieh (Archivbild)Bild: AP

Gleichwohl sei es ein verhängnisvoller Irrtum, wenn jemand denke, die Unstimmigkeiten könnten auf militärischem Wege gelöst werden: "Um die Zentrifugen zu betreiben, brauchen wir nur einige Räume. Egal wo. Iran ist ein riesiges Land – mit 1,6 Millionen Quadratkilometern. Wir haben jede Menge Platz, um Zentrifugen zu betreiben, und niemand sollte den dummen Fehler machen zu glauben, dass alles verschwindet und die Angelegenheit beendet wird, wenn man nukleare Anlagen angreift. Denn die Technologie ist in den Köpfen der iranischen Wissenschaftler und niemand kann sie da raus nehmen".

Vorwürfe an die IAEA

Soltanieh beklagt die zunehmende Politisierung der IAEA: Vor Jahren sei diese Organisation noch eine Versammlung von Atomwissenschaftlern und -technikern gewesen, heute säßen im Gouverneursrat Diplomaten, die im Auftrag ihrer Regierungen handelten. Und obwohl das nirgendwo in den Statuten der IAEA vorgesehen sei, folge man jetzt den Anweisungen des UN-Sicherheitsrates, statt diesem einfach Bericht zu erstatten.

Außerdem kümmere die IAEA sich um Fragen, die sie nach ihren Statuten gar nichts angingen: Statt ihr gemeldete Nuklearprojekte zu kontrollieren, versuche die Behörde immer mehr Detail-Informationen zu erlangen, die mit ihren eigentlichen Aufgaben nichts zu tun hätten, so Soltanieh: "Wenn wir das weiterhin geschehen lassen, wird die Agentur sehr bald eine Filiale der CIA oder anderer Spionageagenturen sein. Das ist eine totale Katastrophe für die internationale Organisation".

"Wir vertuschen gar nichts"

So habe die IAEA auch ihre Befugnisse überschritten, als sie jetzt auf Anweisung des Sicherheitsrates Entwicklungs-Projekte im Iran eingestellt habe, obwohl diese längst als friedliche Projekte genehmigt worden seien. Solch ein Vorgehen zeige doch, wie einseitig und unfair das Verhalten gegenüber dem Iran sei.

Der Botschafter, der bereits seit über 25 Jahren mit Atomfragen befasst ist, weist auch den Vorwurf von sich, der Iran habe dieses Vorgehen selbst verursacht, indem er 18 Jahre lang Aktivitäten im Nuklearbereich geheim gehalten habe. In der IAEA spricht man deswegen von einem tiefen Misstrauen, dass Teheran jetzt erst einmal durch politisches Wohlverhalten abbauen müsse.

Botschafter Soltanieh lehnt dies ab: Man dürfe nicht wiederholen, was man in der Vergangenheit mit haltlosen Vorwürfen gegenüber dem Irak getan habe: "Bei uns gibt es überhaupt kein Vertuschen oder Nicht-Erfüllen. Ich verweise auf alle Berichte des Generaldirektors der IAEA: nie hat er in einem Bericht von 'Nicht-Erfüllung' gesprochen. Nach den Statuten der IAEA, Artikel 12, heißt es, dass eine 'Nicht-Erfüllung' von den Inspektoren festgestellt werden müsse, die das dem Generaldirektor melden und der wiederum dem Gouverneursrat. Wenn der dann zustimmt, wird es dem Sicherheitsrat gemeldet. Im Fall des Iran ist das nicht geschehen".

Iran hat Grund zum Misstrauen

Im Fall des Iran seien die Anweisungen von außen gekommen, vom Sicherheitsrat. Und das entgegen aller Erkenntnisse der IAEA und deren Grundregeln. So sei ein Unterzeichner des Nichtverbreitungsabkommens erst 180 Tage vor Einführung nuklearen Brennstoffs in eine Anlage verpflichtet, die IAEA davon zu informieren - die verschärften Kontrollen und der internationale Druck haben im Falle des Iran aber lange vorher eingesetzt.

Und was die Frage von Misstrauen betreffe, so habe der Iran ja wohl mehr Grund dazu als alle anderen: Schon zur Schah-Zeit habe man sich mit einer Milliarde Dollar in eine französische Firma eingekauft, von der man nuklearen Brennstoff beziehen wollte. Doch obwohl man im Aufsichtsrat dieser Firma sitze, habe man bisher nichts von dort bekommen.

Beispiel Buschehr-Reaktor

Auch das Projekt des Reaktors von Buschehr sei ein Beispiel: Deutschland habe den Bau dieses Reaktors – der dem in Biblis entspreche – mit der Revolution eingestellt, und selbst die Russen, die den Bau später fortführten, hätten den Betrieb bisher nicht aufgenommen. In Biblis wird hingegen seit Jahrzehnten Strom erzeugt.

In der IAEA schließlich habe man in den 80er-Jahren sieben Jahre lang erfolglos über die Lieferung von atomarem Brennstoff verhandelt. "Das war ein starkes Signal an den Iran und andere Länder, dass man keiner Zusage von Nuklearlieferungen trauen oder von ihr abhängig sein kann. Und wenn man die Berichte des Generaldirektors gründlich liest, haben wir unsere Programme in Richtung Anreicherung in genau den Jahren begonnen. Das ist doch kein Zufall. Wir bekamen diese deutliche Botschaft, dass wir auf eigenen Füßen stehen müssen: Wir konnten uns nicht auf ein einziges Papier einigen, dass sie uns bei Fertigstellung von Buschehr dauerhafte Versorgung von Brennstoff zusichern würden".

Von Europa im Stich gelassen

Auch die Europäer hätten den Iran im Stich gelassen. So habe man mit der EU zunächst in vollem Vertrauen verhandelt und auch freiwillig und vorübergehend auf eine Fortsetzung der Anreicherungsbemühungen verzichtet - aus "vorübergehend" seien dann aber zweieinhalb Jahre geworden, an deren Ende ein indiskutabler und kränkender Vorschlag der Europäer gestanden habe: "Sie boten uns Hilfe bei einigen Aktivitäten an und Ersatzteile für Passagierflugzeuge, wenn wir im Gegenzug all unsere nuklearen Aktivitäten vergäßen und aufgäben - was doch unmöglich ist".

Im Laufe der Verhandlungen mit der EU seien auch die Forderungen an den Iran kontinuierlich hochgeschraubt worden. Zu keinem Zeitpunkt habe man akzeptiert, was doch eigentlich auf Grund der Statuten der IAEA und auch den Vorgaben des Nichtverbreitungsabkommens klar sei: dass der Iran ein Recht darauf habe, Atomforschung zu betreiben und auch Uran anzureichern.

Verhandlungsbereit - aber ohne Vorbedingungen

Trotz solcher Enttäuschungen sei der Iran aber weiterhin bereit zu einer Regelung, die allen entgegenkomme, meint Botschafter Soltanieh schließlich in einem Appell, der sich besonders an die Europäer richtet:

"Wenn die Europäer wirklich den Willen haben, eine politisch ausgehandelte Lösung zu finden: je früher desto besser. Kommen Sie an den Verhandlungstisch - ohne Vorbedingungen. Denn Vorbedingungen zu stellen ist weder fair noch akzeptabel. Wir sind doch gleiche Partner. Wir sind bereit, am Verhandlungstisch zu sitzen und wenn es irgendwelche Probleme gibt, dann sind wir völlig bereit, zuzuhören und Unklarheiten über unsere Einrichtungen zu beseitigen. Wenn sie Absicherungen wollen, dann sind wir bereit, mit den Europäern und der IAEA alles festzulegen, um sicher zu stellen, dass diese Aktivitäten nur friedlichen Zwecken dienen".