1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Irans Überraschungskandidat setzt auf die kleinen Leute

Peter Philipp23. Juni 2005

Vor der Stichwahl im Iran versuchte der konservative Kandidat Mahmud Ahmadinedschad, sein radikales Image abzulegen. Zugleich setzt er weiter auf seine Zugkraft bei den oft vernachlässigten armen Leuten des Landes.

https://p.dw.com/p/6pBq
Will Reformen stoppen: Mahmud AhmadinedschadBild: AP

Die Freiheit habe sich in Irans "demokratischer Gesellschaft" schon weit über das hinaus entwickelt, was man sich je habe vorstellen können, meinte Ahmadinedschad schon im Jahr 2003, als er überraschend zum Bürgermeister von Teheran gewählt worden war. Für viele Iraner war das ein deutliches Zeichen, dass der erzkonservative "shooting star" die Zeit gekommen sah, Reformen zurückzuschrauben und Freiheiten zu beschränken, die in seinen Augen an den Grundfesten des Systems der islamischen Republik nagten.

Gegen Dekadenz und Anstößigkeit

Bis heute beließ es Ahmadinedschad aber bei Oberflächlichkeiten: Er sorgte dafür, dass keine "anstößigen" Plakate mehr zu sehen sind und dass keine "dekadente" Musik mehr in der Öffentlichkeit gehört wird. Dagegen verstieß Präsidentschaftskandidat Rafsandschani vor dem ersten Wahlgang ganz bewusst, indem er in Teheran auf offener Strasse persische Musik aus den USA spielen ließ, die bisher in der Öffentlichkeit verboten ist.

Panorambild: Wahlen im Iran, Mahmoud Ahmadinejad, Teheraner Bürgermeister
Mahmud Ahmadinedschad im iranischen WahlkampfBild: AP

Sollte Ahmadinedschad den zweiten Wahlgang am Freitag (24.6.) gewinnen, dann wird nicht nur damit Schluss sein. Dem erzkonservativen Schützling des "Obersten Führers" Ayatollah Ali Khamenei werden viele radikale Ideen nachgesagt: Etwa, dass künftig Frauen und Männer auf getrennten Straßenseiten gehen müssten - wie auch schon seit langem in den Bussen Männer vorne und Frauen hinten sitzen. Auch soll er vorgeschlagen haben, Märtyrer des Irakkrieges auf die unzähligen öffentlichen Plätze von Teheran umzubetten, damit die Bevölkerung mehr an deren Schicksal erinnert werde.

Kandidat will radikales Image abschütteln

Ahmadinedschad gibt sich nun jede Mühe, vor der Stichwahl das Odium des Radikalen loszuwerden: Niemand brauche vor ihm Angst zu haben, er sei auch nicht gegen Fortschritt und Modernität, beteuert der Mann mit dem kurzen Bart. So denke er auch nicht daran, den Zugang zum Internet zu erschweren oder gar zu verbieten: Er selbst und seine ganze Familie nutzten das Internet jeden Tag.

Gleichzeitig lässt der Bürgermeister aber auch keinen Zweifel aufkommen, dass er eher auf der Seite der Armen und Unterprivilegierten steht als auf der Seite der Reichen. So hält sich das Gerücht, dass er auf Privilegien als Bürgermeister verzichtet habe und stattdessen Wohnungsbau für arme Familien im Teheraner Süden unterstützt habe - unter anderem durch die Einführung zinsloser Darlehen.

Held der kleinen Leute


Ahmadinedschad ist dort für viele arme Leute deswegen auch der Kandidat: Sie haben sich von den bisherigen Machthabern immer vernachlässigt und im Stich gelassen gefühlt. Darunter auch von Rafsandschani, der es während seiner früheren Präsidentschaft - von 1989 bis 1997 - zu beträchtlichem Reichtum gebracht hat.

Iran Wahlen
Der Bürgermeister Teherans will insbesondere die kleinen Leute ansprechenBild: AP

Der Bürgermeister von Teheran ist ein Held der kleinen Leute, bei denen der Abstand nicht sonderlich groß ist zwischen ihrer Armut und ihrer traditionell-religiösen Erziehung. Es sind diese Leute, die die islamische Revolution maßgeblich getragen haben - und Ahmadinedschad ist einer von ihnen. Nicht nur, weil der Sohn eines Arbeiters selbst aus ärmlichen Verhältnissen stammt, sondern weil er wirklich etwas für die Armen tut.

Arme haben nichts zu verlieren

Und diese Armen fürchten nicht, was die Bessersituierten im Fall einer Wahl Ahmadinedschads fürchten: Die erneute Einschränkung der wenigen Freiheiten und Privilegien. Die Armen haben keine Privilegien und sie empfinden den Mangel an Freiheit anders als das Wohlstandsbürgertum.

Bei diesem jedenfalls ist in den Tagen vor der Stichwahl gehörige Nervosität ausgebrochen. Viele, die beim ersten Mal nicht wählten, weil ihnen kein Kandidat gefiel, vereinbaren nun untereinander, diesmal für Rafsandschani zu stimmen. Nicht aus plötzlicher Zuneigung zu diesem, sondern um Schlimmeres zu verhindern.