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Islamisches Zentrum Hamburg: Regierung prüft Schließung

10. November 2022

Die Bundesregierung prüft, ob ein schiitisches Zentrum in Hamburg als Propaganda-Stützpunkt des Iran dient. Der Dachverband sieht die Einrichtung zu Unrecht verdächtigt.

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Ansicht des Islamischen Zentrums in Hamburg
Das Islamische Zentrum Hamburg an der Außenalster wird auch Blaue Moschee genanntBild: Dwi Anoraganingrum/Geisler-Fotopress/picture alliance

Der Hamburger Verfassungsschutz hat das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) bereits seit längerem im Visier und stuft es als extremistisch und als Außenposten Teherans ein. Doch erst im Zusammenhang mit den jüngsten Vorgängen im Iran gerät das IZH in den Blick der gesamten deutschen Politik.

Die Bundesregierung will durch Sanktionen den Druck auf die Führung in Teheran erhöhen, die seit Wochen gewaltsam gegen Demonstranten vorgeht. Auslöser der Proteste war der Tod von Mahsa Amini. Die 22-Jährige war von der so genannten Sittenpolizei festgenommen worden, angeblich weil sie die Kleidungsvorschriften nicht genau befolgt hatte, und starb am 16. September in Polizeigewahrsam. 

Annalena Baerbock am Rednerpult im Bundestag
Man wolle weitere Sanktionspakete gegen den Iran auf den Weg bringen, sagte Außenministerin Annalena Baerbock im BundestagBild: LISI NIESNER/REUTERS

Der Bundestag hat am Mittwoch (9.11.2022) über die Iran-Politik debattiert. Angenommen wurde anschließend auch ein Antrag der Ampelfraktionen SPD, Grüne und FDP. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert "zu prüfen, ob und wie das 'Islamische Zentrum Hamburg' als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland geschlossen werden kann". Für die CDU/CSU-Opposition kommt der Antrag eher noch zu spät. Der CSU-Abgeordnete Thomas Erndl etwa sagte in der Debatte zum IZH: "Die Lage ist klar; da muss ich nichts prüfen." Eine Schließung hätte ihm zufolge "auch eine Signalwirkung an jene, die hier, in unserem Lande, Hass und Hetze betreiben; denn diesem verbrecherischen Regime müssen wir auf allen Seiten klare Kante zeigen."

Dachverband will nicht für Iran haftbar gemacht werden

Es ist dieser Zusammenhang, den Politiker zwischen den Vorgängen im Iran und dem IZH sehen, der Mohammed Ale Hosseini stört. Er ist Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS), die auch das IHZ vertritt. Der Deutschen Welle sagt er: "Was nicht sein kann, ist, dass seit 1993 jedes Jahr der Verfassungsschutz hier Vorwürfe und Unterstellungen aufwärmt und die Sicherheitsorgane nichts tun und jetzt plötzlich mit den Demonstrationen in Iran der Druck verspürt wird, das IZH zu schließen. Das ist für uns ein Aktionismus auf Kosten der schiitischen Muslime hier in Deutschland." Er sieht einen "Angriff auf die Religionsausübung der Schiiten".

Demonstranten vor brennenden Straßenblockaden
Bei den Protesten im Iran sind nach Einschätzungen von Menschenrechtlern bereits mehr als 300 Menschen getötet wordenBild: UGC

Der Zwang, der im Iran gegen Frauen ausgeübt werde, bestimmte Kleidungsvorschriften einzuhalten, sei "mit unserem Verständnis der Religionsfreiheit nicht zu vereinbaren", schreibt Hosseini auf der Webseite seines Verbandes, betont aber: "Für uns als Dachverband ist die iranische Politik nicht relevant." Gegenüber der DW sagt er, es sei eine "Zumutung für die schiitischen Gemeinden (…), dass wir immer wieder im Hinblick auf Entwicklungen im Iran uns positionieren sollen", zumal nur ein geringer Teil der Gemeindemitglieder überhaupt aus dem Iran stamme.

Stellvertretender IZH-Leiter ausgewiesen

Doch das IZH steht auch unabhängig vom Vorgehen der iranischen Regierung gegen Demonstranten in der Kritik. Anfang November war sein stellvertretender Leiter Seyed Mousavifar wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgewiesen worden. "Wer nachweislich Terrororganisationen oder Terrorfinanzierer unterstützt, stellt eine schwerwiegende Gefahr für unsere Sicherheit dar und hat in Deutschland nichts zu suchen", sagte Innensenator Andy Grote (SPD) damals. Laut Innenbehörde liegen dem Verfassungsschutz in Hamburg Erkenntnisse vor, wonach Mousavifar Verbindungen zu zwei Spendensammelvereinen unterhielt, die für die islamistisch-schiitische Terrororganisation Hisbollah tätig sind.

Soleiman Mousavifar
Die Hamburger Innenbehörde wirft dem stellvertretenden IZH-Leiter Soleiman Mousavifar Unterstützung von Terrororganisationen vor und hat ihn ausgewiesenBild: hawzahnews

Die Vorwürfe gegen das IZH sind nicht neu. Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour hatte schon vor Monaten die Schließung des Zentrums gefordert und es als "das wichtigste Spionagenest des Regimes in Deutschland" bezeichnet.

Der Islamismus-Experte und Psychologe Ahmad Mansour twitterte bereits am 18. Oktober, das IZH sei ein "Außenposten des Teheraner Regimes" und "Mitorganisator des antisemitischen al-Quds-Tages".

Der Berliner Zweig des American Jewish Committee (AJC) hat sich in einer Broschüre mit dem IZH beschäftigt. Sein Direktor Remko Leemhuis schreibt im Vorwort, es bestehe kein Zweifel daran, dass das IZH "die antisemitische, islamistische, homophobe und misogyne Staatsdoktrin der 'Islamischen Republik Iran' in der Bundesrepublik und der gesamten EU weiterverbreiten möchte; daran ändert auch das entgegenkommende und freundliche Auftreten seiner Repräsentanten in interkulturellen oder interreligiösen Veranstaltungen und Dialogformaten nichts." Die Hamburger Behörden sollten jede Zusammenarbeit mit dem IZH einstellen, fordert Leemhuis.

Nur religiöse Stätte oder auch Propagandazentrum?

Ale Hosseini vom schiitischen Dachverband IGS weist die Vorwürfe gegenüber der DW zurück: "Wir sind hier eine Religionsgemeinschaft auf Basis des Grundgesetzes." Das IZH habe "niemals eine politische Orientierung oder politische Zielsetzungen" gehabt.

Lamya Kaddor, Grünenpolitikerin und Gründungsvorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes, bezweifelt das allerdings. Der Deutschen Welle sagt sie: "Es ist nicht mehr eindeutig klar, dass es beim IZH vor allem um einen religiösen Anlaufpunkt von Schiiten in Hamburg geht, sondern zunehmend um ein Propagandazentrum, durchaus mit sehr problematischem politischem Einfluss."

Wichtig ist ihr allerdings die Unterscheidung: "Ich glaube, dass die meisten schiitischen Muslime in Deutschland fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Aber hier geht es um die Organisationsform und das IZH selbst als verlängerten Arm des Teheraner Regimes sozusagen. Das muss man voneinander trennen."

Vor einer Schließung müsste eingehend geprüft werden

Eine Schließung des IZH wäre in jedem Fall nicht so einfach. Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank von den Grünen hat sich zwar ebenso wie zahlreiche Bundespolitiker von dem Zentrum distanziert, aber auch auf hohe rechtliche Hürden für ein mögliches Verbot hingewiesen. Zu bedenken ist auch, dass das IZH der Schura angehört, dem Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg. Dieser arbeitet mit der Stadt zusammen und gestaltet unter anderem den islamischen Religionsunterricht an den Schulen mit. Eine Schließung hätte Auswirkungen auf das Gremium und seine Zusammensetzung.

Demonstrant mit Schild "Frau, Leben, Freiheit"
​​​​Auch in Deutschland unterstützen zahlreiche Menschen die Protestbewegung im IranBild: Christoph Strack/DW

Lamya Kaddor bestätigt, es sei "komplex und schwierig", ein religiöses Haus zu schließen, vorher müsse eine Prüfung erfolgen. "Meine Einschätzung ist aber, dass durchaus genügend Anhaltspunkte vorhanden sind, um solch eine Prüfung jetzt einzuleiten und voranzutreiben (…) Wir wissen etwa von Spionagetätigkeiten gegen Exil-Iraner, die von dort gesteuert wurden."

Mohammed Ale Hosseini sieht einer Prüfung gelassen entgegen: "Das Islamische Zentrum Hamburg hat ja bereits Klage gegenüber dem Verfassungsschutz eingereicht, weil es dort strittige Behauptungen gibt." Er glaubt, "übermotivierte Politiker" wollten das Gerichtsurteil nicht abwarten, und sieht eine "politische Motivation" hinter der Forderung nach einer Schließung des IZH. Er kommt zu dem Schluss: "Das Problem sind nicht die Fakten und die Beziehungen, die das IZH hat, sondern die Wahrnehmung."

Fakten zum IZH und seinen Verbindungen nach Teheran auf den Tisch zu legen, das wird nun die Aufgabe der Prüfung sein. Ein mögliches Verbotsverfahren fiele in die Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums und dürfte einige Monate Zeit in Anspruch nehmen.