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PolitikAsien

Iran hofft auf Ende der US-Sanktionen

Shabnam von Hein
13. November 2020

Irans Präsident Rohani setzt auf Sanktionserleichterungen unter Joe Biden. Entscheidend ist aber die Position des geistlichen Führers Chamenei, und die ist unklar. Trump will unterdessen noch Fakten schaffen.

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Hassan Rohani Rede zum Thema Atomstreit
Bild: ILNA

Irans Präsident Hassan Rohani hat es eilig. Eine Woche nach der US-Präsidentschaftswahl kündigte er seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem künftigen US-Präsidenten Joe Biden an. Ziel sei es, die Bevölkerung von der drückenden Last der amerikanischen Sanktionen zu befreien, sagte Rohani am Mittwoch im staatlichen Fernsehen. Dafür sei sein Land zu Verhandlungen bereit, Bedingung dafür sei jedoch die Rückkehr der Vereinigten Staaten zum Atomabkommen von 2015.

Allerdings werde sich Joe Biden erst einmal um die Probleme in den USA kümmern, die er von seinem Vorgänger geerbt hat, erklärt Mark Fitzpatrick vom International Institute for Strategic Studies (IISS) in Washington, D.C., auf DW-Anfrage. Als da seien "eine außer Kontrolle geratene Pandemie, eine stolpernde Wirtschaft und eine tief gespaltene Gesellschaft."

Es kommt auf Chamenei an

Die Wiederherstellung des Atomabkommens mit dem Iran dürfte allerdings zu Bidens Prioritäten gehören, sobald er Raum für außenpolitische Fragen hat, meint Fitzpatrick. Er stellt die "vorherrschende Auffassung" in Frage, wonach beim Atomabkommen schnell Fortschritte gemacht werden müssen, noch bevor die zweite Amtszeit des pragmatischen iranischen Präsident Rohani im August 2021 endet.

Denn der geistliche Führer Chamenei entscheide darüber, ob Teheran mit Biden über eine Wiederbelebung des Atomabkommens verhandeln will. Chamenei hatte jede Art von Verhandlungen mit den USA vor der Präsidentschaftswahl im November ausgeschlossen. Und zwar mit der ausdrücklichen Begründung, dass Donald Trump von solchen Gesprächen profitieren könnte.

Seitdem der Wahlsieg Bidens feststeht, hat sich Chamenei noch nicht geäußert. Zuvor war ein Tweet aus Chameneis Büro über die innenpolitische Konfrontation in den USA erschienen: "Dies ist ein Beispiel für das hässliche Gesicht der liberalen Demokratie in den Vereinigten Staaten. Unabhängig vom Ergebnis ist eines klar: Der endgültige politische, zivile und moralische Zusammenbruch des US-Regimes."

Die Feindschaft zu den USA gehört zum Kern der Ideologie der Islamischen Republik Iran. Seit der Revolution von 1979 sehen sich die Machthaber als Widerstandkämpfer gegen den imperialistischen Westen im allgemeinen und die USA im besonderen.

Der Unterzeichnung des Atomabkommens mit den fünf UN-Vetomächte USA, Frankreich, England, China, Russland plus Deutschland hatte Chamenei nur unter dem massiven Druck der UN-Sanktionen und nach dem Wahlsieg des pragmatischen Flügels unter seinem damaligen Vertreter im Nationalen Sicherheitsrat, Hassan Rohani, zugestimmt.

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Die Feindschaft zu den USA gehört zum Kern der Ideologie der Islamischen RepublikBild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Dass die USA einseitig aus dem Abkommen ausgestiegen sind und die übrigen Vertragspartner kaum etwas zu Rettung des Abkommen leisten konnten, sieht Chamenei als Beweis für die Richtigkeit seiner Haltung der Feindschaft gegen einen bösen Westen, dem nicht zu trauen sei.

Teheran ist gefordert

Joe Biden hatte vor der US-Wahl angekündigt, seine Regierung würde dem internationalen Atomabkommen wieder beitreten, unter der Bedingung, dass sich Teheran seinerseits wieder strikt an die Auflagen des Abkommens hält. Ein Jahr nach Trumps Ausstieg aus dem Abkommen hatte der Iran schrittweise mit begrenzten und genau kalkulierten Verstößen begonnen.

Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA, die bis 2018 keine Verstöße gegen die Auflagen feststellen konnte, stellt in einem aktuellen Bericht fest: Seit dem Austritt der USA aus dem Atomabkommen habe der Iran die Urananreicherung fortgesetzt und besitze nun mehr als das Zwölffache der erlaubten Menge. Außerdem fordert die Behörde den Iran auf, Uran-Spuren in einer Einrichtung zu erklären, die nicht als Atom-Standort ausgewiesen ist. Die bisherigen Angaben seien nicht glaubwürdig. 

Schwierige Verhandlungen

Sollte es tatsächlich zu Neuverhandlungen kommen, würden die schwierig und hart sein, prophezeite diese Woche Wendy Sherman, die ehemalige US-Unterhändlerin bei den Atomverhandlungen, in einem Interview mit dem US-Programmanbieter PRI. Sherman erwartet, dass die US-Diplomaten zunächst einmal mit den übrigen Vertragsparteien über den besten Weg nach vorn beraten werden. 

Die ehemalige US-Unterhändlerin Wendy Sherman (L) bei den Atomverhandlungen 2015
Die ehemalige US-Unterhändlerin Wendy Sherman (L) bei den Atomverhandlungen 2015Bild: Reuters/B. Smialowski

Optimistischer äußert sich David Ramin Jalilvand, Geschäftsführer von Orient Matters, einer Politik- und Wirtschaftsberatung für den Nahen Osten in Berlin: "Sollten die Verhandlungen mit Teheran konstruktiv verlaufen, könnte Biden als Präsident sämtliche per Exekutiv-Verordnungen verhängten US-Sanktionen schnell wieder aufheben", meint Jalilvand. "Schwieriger wird es bei den vom Kongress verhängten Sanktionen, die insbesondere den direkten Handel zwischen Iran und den USA untersagen.

Aber Biden könnte mit Exekutiv-Verordnungen das Sanktionsregime des Kongresses teilweise einschränken", sagtt  David Ramin Jalilvand von Orient Matters. Nach seiner Meinung dürfte der politische Preis dafür aber hoch sein. Denn ein Teil der Demokraten sei gegenüber Iran extrem kritisch eingestellt, zum einen wegen massiver Menschenrechtsverletzungen, zum anderen wegen seiner destabilisierenden Rolle im Nahen Osten.

Tauziehen um US-Sanktionen

Am Dienstag kündigte US-Außenminister Mike Pompeo neue Sanktionen gegen "ein internationales Netz von Firmen und Individuen" an, welches für ein Unternehmen unter Kontrolle des iranischen Militärs elektronische Komponenten beschaffe. 

Trotz seiner bislang nicht eingestandenen Wahlniederlage will der bis zum 20. Januar amtierende US-Präsident Trump den Druck auf den Iran aufrechterhalten, möglichst über seine Amtszeit hinaus, wie Mark Fitzpatrick analysiert: "Die Trump-Regierung versucht Fakten zu schaffen, um Bidens Handlungsspielraum einzuengen. Und zwar indem sie alle möglichen Sanktionen gegen den Iran verhängt, vorgeblich aus Gründen der Terrorismusbekämpfung und als Reaktion auf Menschenrechtsverletzungen. Angesichts dieser Begründungen wird es Biden innenpolitisch schwer fallen, diese Sanktionen wieder zurückzunehmen, so das Kalkül Trumps und seiner Verbündeten."

Tourismuskiller Atomkonflikt

Da aber das politische Manöver hinter den jüngsten Sanktionsbeschlüssen allzu durchsichtig sei, könnte Biden es doch gelingen, sie zumindest teilweise auszuhebeln, meint Fitzpatrick. Er erwartet, dass einige der jetzt von Trump noch auf den Weg gebrachten Sanktionen auch unter Biden in Kraft bleiben werden, insbesondere diejenigen in Verbindung mit Menschenrechtsverletzungen. Denn das damit gewonnene politische Kapital werde der neue Präsident brauchen, um die Sanktionen im Zusammenhang mit Irans Atomprogramm zurückzufahren – falls Teheran mitspielt.