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Buschehr am Netz

5. September 2011

Vor über 30 Jahren wurde mit dem Bau des ersten iranischen Atomkraftwerks begonnen. Nun ist es teilweise ans Netz gegangen. Die Inbetriebnahme hatte sich aus politischen und technischen Gründen immer wieder verzögert.

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Das iranische Atomkraftwerk Buschehr (Foto: AP)
Das iranische Atomkraftwerk BuschehrBild: AP

Nun ist Buschehr ans Netz gegangen: Die iranische Atombehörde teilte am Sonntag (4.9.2011) mit, das Kraftwerk habe am Wochenende in begrenztem Umfang Strom geliefert. Zunächst habe man 60 Megawatt des 1000-Megawatt-Reaktors ins Stromnetz eingespeist.

Bereits Schah Reza Pahlewi hatte große Pläne für die Entwicklung des iranischen Nuklearprogramms. Im Jahre 1957 unterzeichnete die Regierung in Teheran ein nukleares Kooperationsabkommen mit den USA im Rahmen des Programms "Atoms for Peace". Die USA lieferten 1967 einen kleinen Fünf-Megawatt Forschungsreaktor. 1974 wurde die "Atomic Energy Organisation of Iran" (AEOI) gegründet. Die Organisation entwickelte das ehrgeizigste Nuklearprogramm des Nahen Ostens. Bis Mitte der 1990er Jahre war der Bau von 23 Leistungsreaktoren geplant.

Mit deutscher Hilfe wurden seit 1974 von Siemens bzw. der Tochterfirma Kraftwerke Union (KWU) in Buschehr, in unmittelbarer Nähe der Golfküste, zwei Reaktoren mit 1200 bis 1300 Megawatt gebaut, zwei weitere aus Frankreich sollten in Darkhouin folgen. Gleichzeitig traf der Iran Vereinbarungen mit den USA, Deutschland und Frankreich über die Lieferung von leicht angereichertem Uran für Reaktorbrennelemente.

Im Schatten von Revolution und Krieg


In Buschehr wurde der Bau des Atomkraftwerks Anfang 1979 durch die Islamische Revolution gestoppt; Reaktor I war zu 85 Prozent fertig. Von 1984 bis 1987 griff die irakische Luftwaffe die Baustelle mehrmals an und zerstörte große Teile.

Eine Landkarte des Iran (Grafik: DW)
Buschehr liegt etwa 750 km südlich der Hauptstadt Teheran, am Persischen Golf

Nach dem Krieg weigerte sich Deutschland, die Arbeiten an den Kraftwerken wieder aufzunehmen. Teheran musste sich daher um andere Vertragspartner für den Reaktorbau bemühen. Russland vereinbarte schließlich 1995 mit Iran, in Buschehr zwei Siedewasser-Reaktoren des Typs WWER-1000 zu bauen. Diese seien für die Erzeugung waffenfähigen Spaltmaterials nicht geeignet.

Über 30 Jahre Bauzeit und kein Ende


Als im Januar 1997 mit den neuerlichen Bauarbeiten begonnen wurde, war geplant, dass der Reaktor im Jahre 2003 ans Netz gehen sollte. Aber auch daraus wurde nichts. Die Inbetriebnahme musste Jahr um Jahr verschoben werden.

Bei diesen Verschiebungen waren sowohl technische als auch politische Gründe im Spiel. Die russischen Ingenieure mussten nun eine von den Deutschen halbfertig gebaute Anlage fertig stellen. Dazu mangelte es ihnen sowohl an Know-How als auch an technischen Komponenten. Was nicht legal zu beschaffen war, wurde schließlich illegal aus Deutschland besorgt. Im Jahre 2006 ermittelten deutsche Zollbehörden gegen 50 deutsche Unternehmen, die in direkter oder indirekter Zusammenarbeit mit russischen Firmen Material für den Bau des Kernreaktors in Bushehr geliefert hatten. Ein deutsches Gesetz untersagt den Export von nuklearem Know-how und entsprechender Ausrüstung in den Iran.

Umstrittenes Atomprogramm


Iran betreibt inzwischen zweiindustrielle Zentrifugenanlagen für Urananreicherung, in Natanz und Ferdow, im Zentralgebiet des Landes. Beide Anlagen wurden zuerst geheim gehalten. Auch die Internationale Atomenergieorganisation war nicht darüber informiert, was den Verdacht nährte, Irans eigentliches Ziel sei der Bau der Atombombe unter dem Deckmantel der friedlichen Nutzung der Atomenergie.

Präsident Ahmadinedschad (Foto: dpa)
Präsident Ahmadinedschad: ehrgeizige Atom-Ziele für IranBild: picture-alliance/dpa

Nach Ansicht von Experten können weder die iranischen Uranressourcen noch die umstrittenen Atomanlagen in Natanz und Ferdow den Bedarf an Brennstäben für den Atomreaktor in Bushehr oder weitere geplante Reaktoren decken.

Mitte August 2010 brachten Nuklearexperten aus Moskau die ersten der mehr als 160 Brennstäbe in die Reaktoranlage Buschehr. Gleichzeitig wurde angekündigt, Ende Oktober 2010 könne das Atomkraftwerk ans Stromnetz angeschlossen werden.

Ein endgültiger Termin?

Doch wieder musste der Start verzögert werden. Im September 2010 berichteten Medien, dass iranische Atomanlagen, auch in Buschehr, vom neuen Computerwurm "Stuxnet" attackiert und stark beschädigt wurden. Experten gehen davon aus, dass der Wurm erheblichen Schaden angerichtet hat, nicht aber die Kernsysteme des Atomkraftwerks außer Kraft setzen kann. Die iranische Regierung verbreitete widersprüchliche Meldungen über das Ausmaß des Schadens.

Ob Buschehr nun nach seiner erstmaligen Aufschaltung, wie angekündigt, tatsächlich schon am 12. September mit voller Leistung arbeitet, wird von Beobachtern bezweifelt. Präsident Mahmud Ahmadinedschad selbst hatte gesagt, er rechne damit, dass das Atomkraftwerk erst Ende des Jahres volle Leistung erbringen werde.

Autor: Habib Husseinifard

Redaktion: Mechthild Brockamp