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"Irak-Einsatz der USA war kein internationaler Konsens"

Volker Wagener26. Februar 2015

Der Fall des vor dem Irak-Krieg desertierten US-Soldaten Shepherd wurde vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt. Shepherd will Asyl in Deutschland. Sein Anwalt Reinhard Marx sieht dafür nach wie vor Perspektiven.

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US-Soldaten bei Besprechung im Irak. Foto: Lucas Jackson
Bild: Lucas Jackson/AFP/Getty Images

DW: Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Donnerstag stärkt - so könnte man es lesen - grundsätzlich Staaten, die mit UN-Mandat Krieg führen. Anders gesagt: Die Argumentation ihres Mandanten André Shepherd, trotz Mandats war ich im Irak grundsätzlich an Kriegsverbrechen mit beteiligt, wird vom EuGH so nicht geteilt.

Reinhard Marx: Erstens: Das sehe ich so nicht. Der EuGH sagt nur, es ist ein Argument unter anderen. Es ist nur ein Prüfpunkt, der mit berücksichtigt werden muss. Selbst UN-Soldaten, die im Einsatz sind, begehen Kriegsverbrechen. Das heißt ja nicht, dass, wenn ein Mandat besteht, damit der Schutz der Kriegsdienstverweigerer im Ausland unmöglich wird. Zweitens: Es ist mit dem UN-Mandat zum US-Irakeinsatz höchst umstritten beim Sicherheitsrat. Es gab keinen Internationalen Konsens.

André Shepherd möchte vor dem Verwaltungsgericht München – das nun erneut den Asylantrag bewerten muss – den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan für sich in Stellung bringen. Annan hatte sich zum Irak-Feldzug der USA seinerzeit geäußert und diesen nicht mit der UN-Charta vereinbar erklärt. Der Krieg sei illegal gewesen. Wie wollen Sie erreichen, dass das vor Gericht Gehör findet?

Darauf kommt es doch gar nicht an. Unsere Argumentation war immer, dass es zu Kriegsverbrechen gekommen ist und der Mandant in der Gefahr stand, in diese Kriegsverbrechen mittelbar hineingezogen zu werden. Wenn es hier darum geht, ob ein Mandat besteht oder nicht besteht, dann geht es um die Frage des Verbrechens gegen den Frieden. Hier geht es aber um die Frage, ob es zu Kriegsverbrechen gekommen ist.

Ihr Mandant ist kein Pazifist. Er hatte sich von der US-Army anwerben lassen und hatte auch schon einen ersten mehrmonatigen Irakeinsatz hinter sich, als er vor seiner zweiten Entsendung desertierte. Hat der EuGH heute irgendeine Stellungnahme dazu abgegeben ab welchem Zeitpunkt ein Soldat ein Recht auf Asylantrag hat, wenn er aus Gewissensgründen nicht mehr bei einem Kriegseinsatz mit dabei sein möchte?

Dazu kann ich dem Urteil keinerlei Auskunft entnehmen. Was ich dem Urteil entnehme, ist, das es sagt, die Verweigerung des Militärdienstes muss das einzige Mittel darstellen, um Schutz im Ausland als Flüchtling zu bekommen. Und wenn es denn ein Kriegsdienstverweigerungsverfahren gibt, dann spricht es zunächst einmal gegen ihn, sofern er nicht beweist, dass ihm in seiner konkreten Situation kein derartiges Verfahren zur Verfügung stand. Dazu muss man wissen, dass die USA ein Kriegsdienstverweigerungsverfahren noch aus einer Zeit haben, in der es die Allgemeine Wehrpflicht gab. Dieses Kriegsdienstverweigerungsverfahren aber gilt nur für die, die absolute Kriegsdienstverweigerer sind. Das bedeutet für alle, die heute in der US Armee sind, gilt das nicht. Das sind alles Freiwillige und keine Kriegsdienstverweigerer.

Shepherd war kein kämpfender Soldat im Irak, sondern Mechaniker für Kampfhubschrauber. Macht der EuGH irgendeinen Unterschied bei der Frage der Kriegsdienstverweigerung zwischen den einzelnen Einsatzmöglichkeiten von Soldaten?

Nein, er sagt, dass auch Militärangehörige einschließlich des logistischen und des unterstützenden Personals erfasst werden. Das sieht die Qualifikationsrichtlinie der Europäischen Union so vor.

Kriegsdienstverweigerung ist in Europa schon lange als Menschenrecht anerkannt. Warum ist dann die strafrechtliche Verfolgung von Kriegsdienstverweigerung nicht automatisch ein Asylgrund?

Weil die Europäische Union 2004 eine Richtlinie verabschiedet hat, die das ans Kriegsverbrechen knüpft. Es ist so, dass nach Unionsrecht allein die Behauptung nicht ausreicht: "Ich kann einen Kriegsdienst nicht mit meinem Gewissen vereinbaren und werde verfolgt, deshalb brauche ich Schutz". Das wird eingeengt darauf, dass nur derjenige geschützt wird, der sagt: "Ich soll an einem Einsatz teilnehmen bei dem es zu Kriegsverbrechen kommen kann und deshalb brauche ich Schutz". Auch das sieht die EU-Qualifikationsrichtlinie so vor.

Mit der heutigen EuGH-Entscheidung ist der Fall nun noch politischer geworden, als er es schon zuvor war. Auch weil die Causa Shepherd ein heikles Thema zwischen Berlin und Washington darstellt. Unsere Gerichte sind unabhängig, aber besteht dennoch die Gefahr der politischen Einflussnahme?

Das sehe ich so nicht. Wir sind in einem Rechtsstaat, in dem die Verwaltungsgerichte unabhängig ermitteln und entscheiden müssen, wenn Sie auch beeinflussbar sein mögen durch die Öffentlichkeit. Aber die Fakten werden ermittelt aufgrund objektiver Feststellungen und werden entsprechend auch so gewürdigt werden müssen.

Das Interview führte Volker Wagener.

Reinhard Marx ist Fachanwalt für Asylrechtsfragen. Er vertritt André Shepherd bei seinem Antrag auf Asyl in Deutschland