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Europa ist geschockt

Bernd Riegert8. Januar 2015

Europa unter Schock. Spitzenpolitiker sind sich in Videobotschaften, Twittermeldungen und Kondolenzschreiben einig: Der Angriff von Terroristen auf "Charlie Hebdo" in Paris ist ein Angriff auf die freie Welt.

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Anschlag auf Charlie Hebdo in Paris (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/AP Photo/T. Camus

Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, der vom Anschlag in Paris während eines Besuchs in Lettland erfuhr, zeigte sich geschockt: "Das ist ein nicht hinnehmbarer Akt der Barbarei. Alle Europäer sind getroffen." Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Cecilia Malmström forderte die Europäer auf, nach dem blutigen Terrorakt mit 12 Todesopfern gegen das französische Magazin "für die Pressefreiheit einzustehen." Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments zeigte sich in Brüssel tief erschüttert. "Wir dürfen jetzt nicht emotional reagieren, sondern müssen zusammenhalten. Pressefreiheit, unsere Werte und die Toleranz müssen verteidigt werden mit Ruhe und Entschlossenheit, sagte Schulz in einer Videobotschaft. Der Anschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" und das Ausmaß der Gewalt habe die ganze Welt getroffen. Mit 12 Toten ist der Anschlag der schwerste Terrorangriff auf Frankreich in den letzten 30 Jahren.

"Abscheuliche Tat"

Juncker im Europaparlament (Foto: Reuters)
Kommissionschef Juncker: "Akt der Barbarei"Bild: Reuters/Christian Hartmann

Aus vielen europäischen Hauptstädten kamen ähnliche Reaktionen. Der britische Premierminister David Cameron, der in London gerade Bundeskanzlerin Angela Merkel empfing, als in Paris die Schüsse fielen, sagte: "Wir stehen an der Seite des französischen Volkes im Kampf gegen Terror und bei der Verteidigung der Pressefreiheit. Merkel, die mit Cameron über eine von Großbritannien verlangte Änderung der Migrationsregeln innerhalb der EU verhandeln wollte, schrieb in einem Kondolenzbrief an den französischen Staatspräsidenten Francois Hollande: "Diese abscheuliche Tat ist nicht nur ein Angriff auf das Leben französischer Bürgerinnen und Bürger und die innere Sicherheit Frankreichs, sie stellt auch einen Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit dar, ein Kernelement unserer freiheitlich-demokratischen Kultur, der durch nichts zu rechtfertigen ist." Die spanische Regierung verurteilte im Namen des spanischen Volkes die Gewalttat auf das Schärftse, hieß es in einer Erklärung aus Madrid.

Hohe Terrorgefahr in Europa

Der Anti-Terrorbeauftragte der EU, Gilles de Kerchove, hatte im vergangenen Jahr mehrfach - auch in einem Interview mit der DW - gewarnt, die Terrorgefahr in Europa sei keineswegs gebannt. Ableger der Al Kaida stellten nach wie vor eine permanente Bedrohung dar. Höchst gefährlich seien auch aus Syrien zurückkehrende Dschihadisten. De Kerchove sagte im September vor dem Europäischen Parlament, rund 3000 Europäer seien in Syrien als sogenannte "foreign fighter" eingesetzt. Die Terrorgefahr wollte er damals nicht unbedingt mit einer bestimmten Religion oder dem Islam in Verbindung bringen. Die Brutalität der Terroristen sei gestiegen, so de Kerchove. Hohe EU-Beamte gingen in Hintergrundgesprächen davon aus, dass es in Europa irgendwann zu einem schweren Anschlag kommen müsse. Das sei angesichts der wachsenden Bedrohung "fast vorprogrammiert".

Der Anschlag auf das jüdische Museum in Brüssel im Mai 2014 mit vier Todesopfern habe die Gewaltbereitschaft der Rückkehrer demonstriert. "Töten ist für sie normal", sagte de Kerchove. Der Anschlag in Brüssel war mutmaßlich von einem Franzosen ausgeführt worden, der zuvor in Syrien gekämpft hatte. Mehrere Versuche, Anschläge zu verüben, seien in den letzten Wochen in Frankreich verhindert worden, sagte der französische Staatspräsident Francois Hollande in Paris. Den Sturm auf die Redaktion in der Pariser Innenstadt haben die Behörden nicht rechtzeitig aufgeklärt.

Terrorismusexperte Gilles De Kerchove (Foto: Getty Images)
De Kerchove: Terrorgefahr in EuropaBild: AFP/Getty Images/Emmanuel Dunand

Weißes Haus, Kreml und NATO einig

Der amerikanische Präsident Barack Obama versicherte in Washington "unserem ältesten Verbündeten Frankreich" seine Solidarität. "Frankreich und Paris werden mit diesen hasserfüllten Visionen der Mörder fertig werden." Obama bot Frankreich Hilfe bei der Suche nach den Tätern an. Auch der russische Präsident Wladimir Putin meldete sich zu Wort. Sein Sprecher sagte, Putin verurteilte mit Bestimmtheit jede Form von Terrorismus. Er habe tiefes Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer. Auch der Generalsekretär der NATO, Jens Stoltenberg, zeigte sich in einer kurzen Mitteilung betroffen. "Alle NATO-Verbündeten stehen im Kampf gegen Terrorismus zusammen. Terror kann niemals toleriert oder gerechtfertigt werden", so Stoltenberg.

Nicht der erste Anschlag

Präsident Hollande auf dem Weg zum Tatort(Foto: Getty Images)
Präsident Hollande auf dem Weg zum TatortBild: K. Tribouillard/AFP/Getty Images

Im November 2011 war die Redaktion von "Charlie Hebdo" Ziel eines Brandanschlages, bei dem niemand verletzt wurde. Die satirische Zeitschrift hatte eine Ausgabe unter dem Titel "Charia Hebdo" mit dem Propheten Mohammed als Herausgeber veröffentlicht. "Charlie Hebdo" hatte auch die umstrittenen Mohammed-Karikaturen veröffentlicht, die zunächst in Dänemark und dann in einer Reihe europäischer Zeitungen gedruckt worden waren. Die Veröffentlichung führte 2006 zu Protesten und Anschlägen auf europäische Einrichtungen in der islamischen Welt. Der dänische Karikaturist Kurt Westergaard erhält nachwievor Morddrohungen und lebt unter ständigem Polizeischutz. In einem Interview mit dem dänischen Rundfunk zeigte er sich über die Gewalttat in Paris tief schockiert. Die Redaktion von "Charlie Hebdo" hatte bereits 2006 auch ein Manifest von Intellektuellen gegen wachsenden Islamismus publiziert, in dem vor einer neuen, weltweiten, totalitären Bedrohung gewarnt worden war.