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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Reinhard Kleber26. Januar 2008

Börsen- und Bankenkrise

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Der weltweite Einbruch der Aktienkurse, das US-Konjunkturprogramm und die Zinssenkung der amerikanischen Notenbank haben die internationale Finanzwelt aufgeschreckt. Als wäre das nicht genug, sorgt nun der milliardenschwere Skandal bei der Pariser Großbank Société Générale für Sorgenfalten. Sorgen machen sich auch viele Kommentatoren der europäischen Tageszeitungen.

DER STANDARD aus Wien kommentiert die Entscheidungen der Notenbanken der USA und der EU:

„In der aktuellen Krise haben beide Zentralbanken seit vergangenem Sommer alles getan, um die bedrohliche Liquiditätsklemme im Interbankenmarkt zu mildern. In ihrem Zinskurs hat die Fed zunächst vorsichtig agiert, weil sie nicht abschätzen konnte, wie sich die US-Konjunktur weiterentwickelt. Als das Ausmaß des Abschwungs offensichtlich wurde, hat sie rasch gehandelt. Ob der Schritt eine Wende einleitet, ist offen, denn Wunder kann auch eine Notenbank nicht vollbringen. Und Kursverluste an den Börsen zu verhindern gehört sicher nicht zu ihren Aufgaben.“

In der Zeitung EL MUNDO aus Madrid ist zu lesen:

„Die Kursstürze an den Börsen haben die Wirtschaftskrise näher rücken lassen. Die Aktienkurse brachen ein, weil die Anleger Angst haben, dass eine Rezession nicht mehr allein eine theoretische Möglichkeit ist, sondern bereits vor der Tür steht. Die Lage ist viel schlimmer als 2001, als die Turbulenzen auf die Anschläge vom 11. September zurückgeführt werden konnten. Jetzt sind wichtige Säulen der Wirtschaft von der Krise betroffen. Bezeichnend ist auch, dass die Aktienkurse ausgerechnet am ersten Börsentag nach der Verkündung des Konjunkturprogramms von George W. Bush einbrachen. Die Maßnahmen des US-Präsidenten waren in der Wirtschaft auf größte Skepsis gestoßen.“

Auch die französische Zeitung DERNIÈRES NOUVELLES D’ALSACE aus Straßburg befasst sich mit den USA:

„Diese Rezession nimmt ihren Ausgang von der wichtigsten Weltwirtschaft USA und wird zwangsläufig einen Schneeball-Effekt haben. Vielleicht hätte man ihn stoppen können, bevor er zur Lawine wird, doch auch ein Schneebrett zieht leicht ein anderes nach sich. An den Börsen gibt es Einbrüche, weil Investoren Aktien verkaufen, in die sie vorher Vertrauen hatten. In diesem Klima des Misstrauens war der Konjunkturplan von Präsident Bush von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Die versprochenen Finanzspritzen geben keine anderen Garantien, als die öffentlichen Defizite zu vertiefen. Wo wird das enden? Diese Börsenkrise ist nur ein Vorzeichen. Die Weltwirtschaft wird abgebremst und damit auch der Zug Europa mit seinem Schlusswaggon Frankreich.“

Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN aus Arhus meint zum Kurs der USA:

„Wäre der Hintergrund nicht so ernst, könnte man fast darüber lachen, dass die globale Hochburg der Marktwirtschaft sich jetzt an die Steuerungsmechanismen von Keynes klammert. (...) Mit Blick auf 2008 als Jahr mit einer Präsidentschaftswahl muss einem wirklich bange davor sein, was finanz- und geldpolitische Notmaßnahmen in den USA mit sich führen können. Keines der bisherigen Signale aus Washington wirkt durchdacht. Die Lage macht eine internationale finanzpolitische Gemeinschaftsarbeit notwendig. Die aber scheint nirgends in Sicht, und das ist schwer begreiflich.“

Und nun zum Milliardenskandal bei der Société Générale in Paris. Die Londoner Zeitung THE TIMES schreibt:

„Es ist schwer zu glauben, dass niemand sich für die immer waghalsiger werdenden Geschäfte von Jérôme Kerviel interessierte. Der Verdacht drängt sich auf, dass es in den oberen Etagen der Bank Leute gibt, die - selbst wenn sie vielleicht anfangs nichts von Kerviels Wetteinsätzen wussten - bei einem verzweifelten und erfolglosen Versuch kollaboriert haben, den finanziellen Schaden zu begrenzen. Und falls es solche Leute nicht gab, dann wäre dies gar kein Grund zur Erleichterung, sondern Anlass zu weiteren drängenden Fragen. Dabei sollte es um Fahrlässigkeit von Managern in einem absolut atemberaubenden Ausmaß gehen.“

Schnelle Konsequenzen mahnt das Pariser Blatt LE FIGARO an:

„Diese unglaubliche Affäre verstärkt das Misstrauen, das seit dem Beginn der Krise auf dem US-Hypothekenmarkt den Ruf der Finanzwelt ruiniert. Die gegenwärtigen Turbulenzen an den Börsen zeigen, dass die Maschine sich langsam der Kontrolle ihrer Lenker entzieht. Die Börsenaufsicht sollte ihre Instrumente den Erfordernissen der modernen Finanzwelt anpassen. Und die Banker sind dringend aufgerufen, ihre Kontrollsysteme für riskante Geschäfte drakonisch und ohne Kompromisse aufzurüsten, um nicht auch eines Tages ein solches tragisches Missgeschick wie die Société Générale zu erleiden.“