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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Ute Wagemann10. Juni 2006

Auftakt der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland// Deutsch-französisches Treffen in Brandenburg

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Mehr als eine Million Menschen haben den Start der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland gefeiert. Mit dem Fest rund um den Fußball beschäftigen sich viele Kommentare ausländischer Zeitungen. Ein weiteres Thema der Presse war das Treffen von Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Chirac in Brandenburg.

Mit dem magischen Reiz, den die Fußball-Weltmeisterschaft ausübt, beschäftigt sich die britische Tageszeitung THE GUARDIAN:

"Warum lässt sich der Planet von diesem Spektakel so sehr in den Bann ziehen? Der einzige mögliche Rivale in der globalen Aufmerksamkeit sind die Olympischen Spiele. Aber der Ablauf von Spielen, die zu einem großen Finale führen, ist etwas, das der Olympiade fehlt. Mehr noch als der Zuschnitt des Wettbewerbs ist es jedoch die Natur des Spieles, die Fußball so beliebt macht. Die Regeln sind einfach zu verstehen. (...) Außerdem braucht man keine besondere Ausrüstung, so dass jeder spielen kann, und die meisten Menschen haben es schon getan. Allein die Tatsache, dass diese Fußball-Nationenliga die Welt zusammenbringt, ist das Feiern wert."

Die französische Tageszeitung OUEST-FRANCE glaubt, dass mit der Weltmeisterschaft eine Krise des Fußballs kaschiert wird:

"Eine WM, wie man sie sich erträumt, wird uns die böse Entwicklung des Fußballs vergessen lassen. Betrügereien, Doping, Gewalt und Korruption zerfressen diesen Sport. (...) Eine erfolgreiche WM 2006 wird nicht ausreichen, um den Fußball aus dieser schändlichen Situation herauszubringen. Man braucht tiefgreifende Reformen, neue Normen und integre sowie mutige Führungspersonen auf allen Etagen des großen Hauses. Eine echte Revolution."

Die britische Tageszeitung DAILY TELEGRAPH erinnert daran, wer den Fußball populär gemacht hat:

"Wir alle haben Grund für einen gutmütigen patriotischen Stolz auf eine unserer beliebtesten Erfindungen. Vergessen wir den Unsinn, dass die Chinesen mit dem Fußball begonnen haben. Es waren Briten, die dem Spiel die Regeln gegeben und es in die Welt gebracht haben - was man auch daran sieht, wie viele ausländische Vereine englische Namen haben. Kurz gesagt: Wir können uns für diese Erfindung kräftig auf die Schultern klopfen."

Die Pariser Zeitung LA TRIBUNE kommentiert die Eröffnung der Fußball-WM, die mit 1,1 Milliarden Euro Gewinn die lukrativste der Welt ist:

"Ist der Fußball in Geld löslich? Der Beweis ist angetreten. Schon lange ist die alle vier Jahre organisierte große Weltmesse des Balls nicht nur eine sportliche Veranstaltung. Es ist auch - und manche sagen: vor allem - ein großes Geschäft. (...) Franz Beckenbauer ist besorgt darüber, dass der Kommerz über den Fußball obsiegt, und fordert eine große Reinigung. Das wird schwierig werden. Denn der Köder des Gewinns hat eine mächtige euphorisierende Wirkung, die selten an den Grenzen der Moral und des Sportsgeistes Halt macht. Der Kult um den Ball ist mindestens so groß wie einst der um das Goldene Kalb."

Ein anderes Thema der Presse: das Treffen zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Jacques Chirac im Rahmen der deutsch-französischen Konsultationen.

Die Tageszeitung LE MONDE sieht die Europäische Union in einer Sackgasse: "Ein Jahr nach dem Nein der Franzosen und Niederländer zum EU-Verfassungsprojekt sind die Signale eindeutig: Europa ist in der Krise. (...) Jacques Chirac, der nach jeder Initiative greift, um das erbärmliche Ende seiner Präsidentschaft vergessen zu lassen, und Angela Merkel, die dem deutschen EU-Vorsitz im ersten Halbjahr 2007 ihren Stempel aufdrücken will, werden zwar versuchen, der EU wieder etwas Elan zu geben. Doch ist es wenig wahrscheinlich, dass bei dem EU-Gipfel vom 15. und 16. Juni in Brüssel mehr herauskommt als fromme Wünsche." Auch das französische Nachrichtenmagazin LE POINT glaubt nicht an eine schnelle Lösung der EU-Probleme:

"Die Vorstellung, dass die beiden Nein-Sager Frankreich und die Niederlande noch einmal abstimmen könnten, um sich auf Linie mit den 15 Ja-Sagern zu bringen, ist ein Trugbild. Nicht nur, dass die Franzosen keine Reue zeigen. Die Engländer - und sie sind nicht die einzigen - sind froh, dass die Franzosen an ihrer Stelle mit Nein gestimmt haben. Viele Kritiker haben nicht ihr erträumtes Europa wiedererkannt: Eine auf den sechs Gründerstaaten bauende, von der deutsch-französischen Lokomotive gezogene Macht. Die Erweiterung auf 25, 27, bald 30 hat diese Illusion zerschlagen."

Die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland untersucht die bretonische Zeitung OUEST-FRANCE:

"Zwischen den Regierenden unserer beiden Länder gibt es regelmäßige Kontakte. Es vergeht keine Woche, ohne dass sich Minister treffen. Doch die Freundschaft zwischen den beiden Völkern, die zur Routine geworden ist, wird immer lauer. (...) Was uns getrennt hat, das ist natürlich die EU-Verfassung. 15 Länder, unter ihnen Deutschland, haben sie ratifiziert. Zwei Länder, unter ihnen Frankreich, haben sie abgelehnt. Angela Merkel möchte, dass man sie intakt hält."

Die französische Regionalzeitung L'ALSACE schreibt über die Bedeutung eines Handels zwischen Frankreich und Großbritannien für die EU:

"Tony Blair und Jacques Chirac haben das Projekt eines gemeinsamen Flugzeugträgers beschlossen. Zwei motivierte Länder zu vereinen, um Greifbares zu realisieren, wie es mit Airbus und Ariane gelungen ist, ist ein Faktor der Annäherung. Er kann die Unbeweglichkeit überwinden. Doch eine gemeinsame Verteidigung ist ohne politische Regeln unvorstellbar. Technischen Ziele werden Europa zwangsläufig zu einer besseren Definition seiner Union führen."