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Internationale Pressestimmen der vergangenen Woche

Gerhard M. Friese5. Februar 2005

Verhältnis USA-Europa / Wirtschaft in Deutschland

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Im Mittelpunkt des Interesses ausländischer Tageszeitungen stand in dieser Woche - nach der Rede des amerikanischen Präsidenten George W. Bush an die Nation und den Wahlen im Irak - das Verhältnis Europas zu den USA. Aber auch die deutsche Wirtschaft rückte angesichts von mehr als fünf Millionen Arbeitslosen wieder in den Blick der Kommentatoren.

Die Züricher WELTWOCHE sieht nach der Rede Bushs die Europäer in der Pflicht:

"Die Europäer müssen wieder militante Westler werden, nicht nur beim Shopping, auch in ihrer Außenpolitik. Sie waren es immer dann, wenn die Alternativen Faschismus oder Fremdherrschaft hießen; ansonsten rümpften sie über das amerikanische Freiheitspathos zumeist peinlich berührt die Nase und machten es sich ansonsten in den Gewissheiten des Kalten Krieges beziehungsweise der unipolaren Weltordnung bequem, ganz nach dem Motto: Die Amerikaner werden es schon - zugrunde? - richten. Das ist in einer auch hinsichtlich der Gefahren globalisierten Welt nicht mehr möglich."

Leisere Töne meint die österreichische Tageszeitung KURIER ausgemacht zu haben. Dennoch warnt sie:

"Das heißt aber nicht, dass die USA von der Wirkung der in Europa bevorzugten Politik des Gesprächs überzeugt sind. Nicht zuletzt auf Grund des gestörten Verhältnisses der USA zu Teilen Europas ist der Ton nun sanfter. Wie lautet doch der Rat so manches Diplomaten? Nicht nachtragend sein und nach vorne schauen. Mehr bleibt Europa nicht übrig."

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG bemerkt, dass Europa in Bushs Rede nur am Rande vorkam.

"Bemerkenswert ist dennoch, dass Bush und Außenministerin Condoleezza Rice zuerst Europa aufsuchen, um ihre Politik zu erläutern, nicht nach Tokio, Moskau oder Peking pilgern - und dies im angeblich heraufziehenden asiatischen Zeitalter. Sie erweisen dem alten Europa die Reverenz, was, richtig verstanden, einiges zur Überwindung transatlantischer Verstimmungen beitragen könnte."

Und die französische Tageszeitung Ouest-France sieht in der Reiseplanung der amerikanischen Außenministerin eine Änderung in der Außenpolitik Washingtons:

"Es ist sicher kein Zufall, dass sie ausgerechnet in Paris ihre einzige Rede über die Beziehungen zwischen Europa und den USA halten wird. Und alles deutet darauf hin, dass diese neue Haltung auf unserer Seite des Atlantiks geteilt wird."

Das amerikanische WALL STREET JOURNAL nimmt den Ausgang der Wahlen im Irak zum Anlass, die deutsche Linke zu kritisieren:

"Nur Stunden nach den weltweit verfolgten Szenen von freudigen und entschlossenen Irakern, die mit ihrer Stimmabgabe den Terroristen trotzen, gab Deutschlands sozialdemkratische Bundestagsfraktion eine Pressemitteilung mit der folgenden Überschrift heraus: 'Irak-Wahlen: Ein guter Schritt, aber keine nachträgliche Rechtfertigung des Krieges'. Es sagt viel über den Niedergang der deutschen Linken, dass der Sturz eines faschistischen Diktators und die Verbreitung der Demokratie nicht als wertvolles Ziel an sich angesehen werden können - zumindest nicht, wenn der Diktator ein Araber und die Befreier Amerikaner sind", meint das WALL STREET JOUNAL.

Und die britische Zeitung THE TIMES bemerkt:

"Regierungen, darunter einige NATO- und EU-Mitglieder, die darauf brennen, die Regierung Bush in Verlegenheit zu bringen, müssen jetzt formelhafte Glückwünsche verbreiten, um ihre Verwirrung zu verdecken."

Das spanische Blatt ABC erklärt kurz und bündig:

"Wer sich jetzt noch an die Fehler der US-Regierung im Irak klammert, handelt egoistisch. Die Iraker haben bei den Wahlen gesagt, was sie wollen. Die Weltgemeinschaft ist moralisch verpflichtet, diese Botschaft zur Kenntnis zu nehmen und alles daran zu setzen, dass die Anliegen der Iraker in Erfüllung gehen."

Ein gemeinsames Handeln fordert auch die schwedische Zeitung SVENSKA DAGBLADET:

"Kommentare aus Berlin und Paris machen den Eindruck, als wolle man den alten Streit begraben. Viel kann jetzt gewonnen werden, wenn Präsident Bush aus seinem Schützengraben herauskommt. Jetzt ist ein wirklich gemeinsames Handeln gefragt, damit der Jubel nach den Wahlen im Irak nicht nur ein Aufschrei bleibt."

Themenwechsel: Die deutsche Wirtschaft macht den europäischen Nachbarn zusehends Sorgen. Das französische Wirtschaftsblatt LES ECHOS meint jedoch:

"Deutschland arbeitet, um wieder nach vorne zu kommen. Die Unternehmen strukturieren ihre Produktion um, auch wenn dies die Abwanderung von Produktionsteilen zur Folge hat... Der Staat reformiert das ganze soziale Sicherungssystem: Rente, Gesundheit, Arbeitslosenversicherung. Die Kur kommt voran. Das zeigen die Exporterfolge. Die Unruhe erreicht ihren Höhepunkt - wenn das Schlimmste schon vorbei ist."

Mehr Optimismus fordert auch die ebenfalls in Frankreich erscheinende Zeitung LE FIGARO:

"Das ist doch eine exzellente Nachricht: Die wichtigste Wirtschaftsmacht der Euro-Zone beginnt, die Dividende für ihre Politik der Disziplin und Strukturreformen einzustreichen. Denn es besteht kein Zweifel, in Deutschland wurde eine striktere Politik gefahren als anderswo seit der Einführung des Euro 1999. Messen kann man das an der Teuerung, die in den vergangenen sechs Jahren in Deutschland insgesamt 7,9 Prozent erreichte, in Frankreich 10,6 und in Italien bei 14,1 Prozent lag. Gleiches findet sich bei den Gehaltskosten wieder, was die Zunahme an Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft im Vergleich mit den Nachbarn erklärt."

Etwas anders sieht das die spanische Zeitung EL PAIS. Sie fordert angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen in Deutschland ein Konjunkturprogramm:

"Die Ursachen liegen auf der Hand. Deutschland verfolgt seit Jahren eine Sparpolitik, die zu einer Schrumpfung des öffentlichen Dienstes geführt hat. Der EU-Stabilitätspakt verschlimmert noch die Schwäche der deutschen Wirtschaft. Deutschland braucht heute Maßnahmen zur Belebung seiner Wirtschaft. Das ist genau das Gegenteil der an Magersucht grenzenden Linie bei den Ausgaben und Investitionen."