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Hohn und Spott

27. September 2006

Die Absetzung der Mozart-Oper "Idomeneo" in Berlin ist von ausländischen Zeitungen als überzogen und unverständlich kritisiert worden - die Kommentare reichen von Spott bis zur Sorge um die Meinungsfreiheit.

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Schauspieler in verschiedenen Verkleidungen auf einer Bühne
Szene aus der Oper "Idomeneo"Bild: picture-alliance/ dpa

Die Selbszensur habe "Idomeneo" dahingerafft, schreibt die italienische Zeitung "La Repubblica": "Mozart wird in Berlin aus Angst davor, den Islam zu beleidigen, zensiert. (...) Wenige Tage nach dem Streit über die Rede des Papstes zur Beziehung mit den Muslimen teilt eine neue Polemik Deutschland. Ausgerechnet, während in Berlin die erste Konferenz in einem europäischen Land über den Dialog und das Zusammenleben mit dem Islam eröffnet wird." Während Berlin Schiffe und Soldaten für die Friedenstruppe in den Libanon entsende, wachse die Angst vor Attentaten. "Sicher, Mozart lebte und komponierte als ein subversiver Provokateur", heißt es weiter. "Aber jene enthaupteten Propheten erscheinen doch zu sehr

als mögliche Lunte für gewaltsame und terroristische Reaktionen."

Ohne Beispiel

"La Stampa" aus Italien betont: "Sicher ist, dass es solch eine Entscheidung noch nie gegeben hat. Und Deutschland ist geteilt, zwischen denen, die den Papst verteidigt hatten, und denen, die - obwohl sie auf die Freiheit pochen - tief im Herzen die Reaktionen der starken islamischen Präsenz in der Bundesrepublik fürchten." Nach Ansicht der "New York Times" könnte eine Debatte in Europa ausgelöst werden, ob der Westen seine Werte, darunter die Meinungsfreiheit, einschränkt, um die moslemische Welt nicht zu erzürnen. Die Londoner "Times" betont, dass nicht alle Theater in Deutschland derartige Zugeständnisse machen würden.

"Mit ihrem selbst auferlegten Verzicht aus Furcht vor angeblichen islamistischen Bedrohungen trägt nun die Berliner Kulturinstitution justament nicht zur kulturellen Verständigung bei. Bei Vertretern aus Politik und Kultur löste ihr Vorgehen harsche Kritik aus", meint die Neue Zürcher Zeitung. Die "Los Angeles Times" ätzt auf ihrer Website: "Mozart hat grandiose Dirigenten und abstrakte Interpretationen überlebt, aber die Librettos seiner Opern haben noch nie islamische Radikale dazu gebracht, eine launenhafte Theatergruppe zu bedrohen."

"Bedenklicher Dammbruch"

"Setzt man Ursache und Wirkung in Relation, kann man nur zum Schluss kommen: Osama Bin Laden muss der Berliner Oper sein persönliches Erscheinen angedroht haben, sollten die Berliner weiterhin die Mozart-Oper spielen und den abgeschlagenen Kopf des Propheten Mohammed zeigen. Mitnichten (…), eine konkrete Bedrohung gibt es nicht", schreibt der Wiener Standard. "Daher kann man diese Aktion nicht einfach als besonders originellen Beitrag zum Mozartjahr 2006 verbuchen, sondern als äußerst bedenklichen Dammbruch. Noch nie hat es in der deutschen Kunst und Kultur einen derart vorauseilenden Gehorsam gegeben." (stu)