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„Gegenwind beflügelt uns“

Berthold Stevens
23. Oktober 2019

Freiheit und Weltoffenheit sind Programm und ­gelebter Alltag bei der DW. Peter Limbourg zeigt sich im Weltzeit-Interview zudem überzeugt: „Auch in Zukunft kommt es auf qualitativ hochwertige, verlässliche Inhalte an.“

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Intendant Peter Limbourg, Pressebild.
Bild: DW/J. Röhl

Seit sechs Jahren steht Peter Limbourg an der Spitze der Deutschen Welle. Am 1. Oktober begann seine zweite Amtszeit als Intendant. Im Weltzeit-­Interview blickt er auf Meilensteine in der Entwicklung des ­deutschen ­Auslandssenders seit 2013 zurück, spricht über die zunehmenden Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit weltweit – und ­Herausforderungen für Medien und Journalismus.

Frage: Was sind für Sie die wichtigsten Meilensteine Ihrer ersten Amtszeit?

Peter Limbourg: Wir haben die DW strukturell und strategisch neu aufgestellt. Dazu haben wir sie auf politischer Ebene nachhaltig verankert und insbesondere einen kon­tinuierlichen Etatzuwachs erreicht. Wichtige Unterstützung erfahren wir dabei durch Rundfunkrat und Verwaltungsrat. 2013 ­hatten wir 272 Millionen Euro zur Verfügung, für 2020 rechnen wir mit 365 Millionen. Wir sind dem Ziel ein Stück näher gekommen, die DW finanziell auf das Niveau westlicher Mitbewerber zu heben. Das ist Voraussetzung für alle weiteren Ziele und bleibt auch künftig oben auf der Agenda.

Hinzu kommt: Wir haben unsere Reichweite erheblich ausgeweitet – von 101 Millionen wöchentlichen Nutzern im Jahr 2013 auf inzwischen 197 Millionen. Bis 2021 wollen wir 210 Millionen Menschen erreichen. Ein zentraler Aspekt zur Zukunftssicherung ist dabei unsere Digitalstrategie, denn unsere digitalen Angebote erfahren den größten Zuwachs. 

Wir haben darüber hinaus das Informationsprofil unserer Programme gestärkt, insbesondere mit dem englischen TV-Programm. In diesem Jahr haben wir es weiter regionalisiert, etwa mit News-Formaten für Asien und Afrika. Parallel haben wir unser Korrespondenten-Netz ausgebaut, unter anderem mit Büros in Kiew, Lagos, Bogotá, Taipeh, Nairobi, Kapstadt, Jerusalem, ­Istanbul – dazu jetzt in Beirut und bald in Neu-­Delhi und Jakarta. Wir stärken die Freien Journalisten, die weltweit für uns tätig sind. Auch dies trägt dazu bei, dass wir vermehrt auf exklusive Inhalte setzen können und so unsere Marke stärken. Das deutsche TV-Programm haben wir zu einem Kulturkanal weiterentwickelt. Hier setzen wir auf Synergien der öffentlich-rechtlichen Sender, übernehmen attraktive Inhalte von ARD und ZDF.

Die DW erfährt wachsenden Zuspruch beim weltweiten Publikum – hat aber keineswegs nur Freunde in der Welt. Aktuell gibt es Vorwürfe aus Moskau und in der Türkei drohen neue Restriktionen. Auch in China und Iran ist die DW nicht gut gelitten.

Unbeliebt sind wir nur bei autokratischen und autoritären Regierungen, die es leider in einer wachsenden Zahl von Ländern gibt. Die Menschen in der Zivilgesellschaft in diesen Ländern schätzen uns als glaubwürdige, verlässliche Informationsquelle. Wir liefern Fakten und unterschiedliche Perspektiven. Damit ermöglichen wir eine freie und unabhängige Meinungsbildung – auf Grundlage der Werte, für die wir stehen. Wir bemühen uns stets um eine ausgewogene Berichterstattung. Ein Grundsatz ist, immer alle Seiten zu Wort kommen zu lassen – wenn sie es denn wollen. Das schließt eine etwaige Einmischung in innere Angelegenheiten unserer Zielländer, wie von der Duma unterstellt, aus. Gerade bei unseren Profilthemen wie Menschenrechte, Demokratisierung und Rechtsstaatlichkeit genießen wir hohe Glaubwürdigkeit. Das macht uns zugleich unbequem für jene, die Menschenrechte verletzen und Freiheiten einschränken. Aber Gegenwind beflügelt uns.

Wir gehen neue Wege. Der türkische Youtube-Kanal +90, den wir gemeinsam mit Franzosen, Briten und US-Amerikanern gestartet haben und der auf großes Interesse stößt, ist ein Beispiel, auch unsere erfolgreiche russischsprachige Satiresendung Zapovednik.

Für den Zuwachs an Reichweite sorgen vor allem die digitalen Angebote. Wie sieht Ihre Digitalstrategie aus?

Sie ist die Voraussetzung, um konkurrenzfähig zu bleiben. Es geht um inhaltliche Ausrichtung, zielgerichtete Verbreitung und die damit verbundenen strategischen Änderungen in allen Bereichen. Die Medien­nutzung ist in ständigem Wandel, das Angebot muss Schritt halten. Für uns heißt es jetzt „On-Demand first“: Unser Publikum soll jederzeit und an jedem Ort auf unsere Angebote zugreifen können. Das tun die Menschen aber nur, wenn unsere Inhalte hochwertig und relevant und die Darstellungsformen attraktiv sind. 

So setzen wir bewusst vermehrt auf Video und innovative Formate über Soziale Medien, auf bildstarke Onlinebeiträge, auf solide und transparent recherchierte Geschichten. Jede unserer Redaktionen entwickelt passgenaue Angebote, die auf möglichst vielen Plattformen funktionieren sollen – auch das ist ein wichtiges Element der Digitalstrategie.

Die Herausforderungen für Medien und Journalismus sind vielfältig – ob politisch, gesellschaftlich oder technisch. Worauf wird es für die DW künftig ankommen?

In der Tat gibt es eine Fülle von Entwicklungen, die die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten nicht eben leichter machen. Die weltweite Tendenz, die Meinungs- und Pressefreiheit teils massiv einzuschränken, ist schwerwiegend und wird uns weiter herausfordern. Wir müssen die Menschen mehr denn je befähigen, Falschmeldungen von Fakten zu unterscheiden. Da haben wir mit der DW Akademie ein großartiges Kompetenzzentrum, dessen Arbeit weltweit geschätzt wird. 

Intendant Peter Limbourg, Pressebild.
„Auch in Zukunft kommt es auf qualitativ hochwertige und verlässliche Inhalte an“: Peter Limbourg im Newsroom in BerlinBild: DW/J. Röhl

Künstliche Intelligenz ist und wird noch wichtiger für unsere Arbeit, gerade um Zeit und Ressourcen zu sparen. Allerdings bringt nicht jede technische Neuerung nur Segen. Die Möglichkeiten, Stimmen, Fotos, Videos zu manipulieren, werden immer ausgefeilter. Dem müssen wir mit ebenso ausgefeilter Verifizierung begegnen. 

In erster Linie wird es auch in Zukunft auf qualitativ hochwertige und verlässliche Inhalte ankommen, Glaubwürdigkeit ist unser Pfund. Wir werden weiter unser Recherchepotenzial erhöhen, unsere Regionalkompetenz stärken und unseren Content schärfen – vor allem bei unseren Profil­themen Menschenrechte, ­Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit. Das macht uns als starke Marke unverwechselbar. Dazu trägt auch der Freedom of Speech Award bei, den wir seit 2015 jährlich ausloben. 

Die DW beschäftigt Menschen aus 60 Nationen. Wie erleben Sie diese Vielfalt?

Wenn wir Ziele erreichen, ist dies immer eine Gemeinschaftsleistung. Deshalb ist es mir wichtig, Diversity und Innovationskraft im Haus zu fördern. Gleich zu Beginn meiner Amtszeit haben wir einen Wettbewerb der Ideen ausgelobt. Wir haben das DW-Lab eingerichtet, eine Werkstatt für kreative Köpfe, um journalistische Ideen abseits des Alltagsgeschäfts zu entwickeln. Zugleich stärken wir die Personalentwicklung, ganz wichtig dabei: die Gleichstellung. Mehr Frauen in Spitzenpositionen war mein Ziel von Beginn meines Wirkens bei der DW und wir haben es erreicht. Derzeit haben wir eine Programmdirektorin, eine Verwaltungsdirektorin, eine Chefredakteurin. Strategie, Finanzen und Vertrieb werden von Frauen geführt. Im Übrigen forcieren wir die Anstrengungen, die besten Köpfe zu uns zu holen, nicht nur im redaktionellen Bereich. Die DW ist ein attraktiver Arbeitgeber für Nachwuchskräfte. Wir müssen nicht lange nach dem Sinn oder „Purpose“ für unser Unternehmen suchen. Freiheit und Weltoffenheit sind für uns Programm und gelebter Alltag.