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Ende der Geiselhaft

3. Juli 2008

Die Befreiung von Ingrid Betancourt und 14 weiterer Geiseln aus der Hand der FARC-Rebellen gelang mit einem filmreifen Trick. Die Rebellenorganisation zeigt Auflösungserscheinungen.

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Eine Frau in Uniform zwischen einer Frau und einem Mann (2.7.08, Bogota - Kolumbien, Quelle: AP)
Betancourt (Mitte) nach ihrer Befreiung mit ihrer Mutter und ihrem MannBild: AP

Mehr als sechs Jahre nach ihrer Verschleppung durch linke FARC-Rebellen ist die französisch-kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt wieder frei. Die 46-Jährige wurde zusammen mit drei US-Amerikanern und elf weiteren Geiseln von Soldaten mit einem Täuschungsmanöver in der südlichen Dschungel-Provinz Guaviare gerettet, wie die Regierung in Bogota am Mittwoch (02.07.2008) mitteilte. Die befreiten Geiseln trafen am Mittwochabend in der Hauptstadt Bogotá ein.

Die Befreiung stellt nach Einschätzung politischer Beobachter in Bogotá eine schwere Demütigung für die bereits geschwächte Rebellengruppe "Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens" (FARC) und den bisher größten Triumph für die seit 2002 von dem konservativen Präsidenten Alvaro Uribe betriebene Politik der harten Hand dar. Zudem kam Uribe der Erfolg sehr gelegen, da er wegen eines Skandals um die mögliche Bestechung von Abgeordneten vor seiner Wiederwahl 2006 unter Druck geraten war.

"Nur ein bisschen mager"

Frau und Mann vor kolumbianischer Fahne (2.7.08, Bogota - Kolumbien, Quelle: AP)
Präsident Uribe mit Betancourt bei einer Pressekonferenz nach ihrer FreilassungBild: AP

Betancourt bedankte sich noch auf dem Flughafen in Bogotá für die jahrelange weltweite Unterstützung. "Ich danke Euch Kolumbianern. Ich danke Euch Franzosen und allen, die mich weltweit begleitet haben." Zugleich lobte sie Uribe, dessen Wiederwahl die Schwächung der FARC zu verdanken sei. Nach Aussage ihres Ehemannes sei Betancourt bei "perfekter" Gesundheit, sie sei "nur ein bisschen mager".

Die drei befreiten US-Amerikaner, ehemalige Mitarbeiter des Rüstungskonzerns Northrop Grumman, sind in der Nacht zum Donnerstag wieder in die USA zurückgekehrt. Eine Spezialeinheit des Militärs hatte die 15 Geiseln wenige Stunden zuvor mit einem filmreifen Trick befreit. Soldaten in zwei Hubschraubern gaben sich als Rebellen aus. Dem FARC-Kommandanten "César", der für die Bewachung der Geiseln zuständig war, machten sie weiß, sie sollten die Geiseln im Auftrag des neuen FARC-Chefs Alfonso Cano in ein anderes Lager fliegen. "César" sei auf die Täuschung hereingefallen und habe die Geiseln übergeben. Als die Hubschrauber gestartet waren, teilten die vermeintlichen Rebellen den Geiseln mit, dass sie in Wirklichkeit Soldaten seien.

Regierung hat Rebellen unterwandert

"Der Hubschrauber wäre fast abgestürzt, so sind wir herumgesprungen und haben gejubelt", beschrieb Betancourt den Augenblick, als den Befreiten bewusst wurde, dass ihre jahrelange Geiselhaft gerade zu Ende gegangen war. Bei der Aktion sei nicht ein einziger Schuss gefallen, sagte Verteidigungsminister Juan Manuel Santos und sprach von einer "Bilderbuchaktion". Der kolumbianische Geheimdienst habe Mitarbeiter in die Rebellenbewegung eingeschleust.

Die USA spielten bei der Befreiung nach eigenen Angaben eine aktive Rolle. Wie der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, Gordon Johndroe, in Washington sagte, war die US-Regierung über die Befreiungsoperation "in ihren Planungsphasen" informiert und leistete "spezifische Unterstützung". Welcher Art, könne er nicht mitteilen.

Mann in Uniform (14.9.07, Kolumbien, Quelle: AP)
Kolumbianische Soldaten töteten im März den FARC-Kommandeur ReyesBild: AP

Anfang Juni hatte Venezuelas Präsident Hugo Chavez den neuen FARC-Anführer Cano zur Freilassung aller Geiseln aufgefordert. Bewaffnete Guerilla-Bewegungen seien nicht mehr zeitgemäß, sondern gehörten der Geschichte an. Schon zu Jahresbeginn ließ die FARC auf Vermittlung von Chavez mehrere Geiseln frei, die sie zum Teil seit Jahren im Dschungel gefangen gehalten hatte. Anfang März töteten kolumbianische Soldaten im Dschungel Ecuadors die Nummer zwei der Gruppe. Zudem desertierte eine prominente Kommandeurin der FARC und erklärte öffentlich, die Organisation befinde sich in der Auflösung.

Erleichterung auch in Frankreich

Drei Personen vor Mikfrofon (2.7.08, Paris - Frankreich, Quelle: AP)
Betancourts Kinder Melanie (Mitte) und Lorenzo (rechts) äußern sich zur Befreiung ihrer Mutter im Palast des französischen Präsidenten SarkozyBild: AP

Weltweit wurde die Befreiung der franko-kolumbianischen Politikerin mit Erleichterung aufgenommen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy dankte Uribe für den Einsatz. Im Élyséepalast rief er umgeben von den Kindern Betancourts die FARC auf, ihren "absurden Kampf" aufzugeben. Ihr Sohn Lorenzo sagte: "Meine kleine Mutter, wenn du mich hörst: Ich möchte Dir sagen, dass ich dich liebe. Wir werden bald zusammen sein. Sehr schnell." Zusammen mit anderen Verwandten flog er anschließend nach Kolumbien.

Betancourt war im Präsidentenwahlkampf im Februar 2002 im Südwesten des Landes zusammen mit ihrer Anfang des Jahres freigelassenen Mitstreiterin Clara Rojas verschleppt worden, als sie versuchte, auf dem Landweg in die soeben von den Streitkräften wiedereroberte FARC-Zone zu fahren. Sie habe ihre Reise damals trotz der Warnungen des Militärs vor Straßensperren der FARC fortgesetzt, weil sie sich den Menschen verpflichtet gefühlt habe. Auf die Frage, ob sie diese Entscheidung bereue, antwortete die Politikerin der kleinen Partei Oxigeno Verde (Grüner Sauerstoff), sie würde die Entscheidung heute erneut so treffen. (rri)