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Industrie 4.0 ohne Betriebsgeheimnis?

Sabine Kinkartz, Berlin27. April 2015

Alle reden von der vernetzten Produktion. Wenn Maschinen weltweit kommunizieren, dann löst das aber auch Bedenken aus. Was wird aus Produktdaten und Betriebsgeheimnissen, aus Patenten und Marken?

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Hannover Messe Highlights 2015
Bild: Deutsche Messe AG/R. Jensen

Die Zahl klingt gewaltig: 3400 Sextillionen Werkstücke, Maschinen und Werkzeuge können über den neuen Internetstandard IPv6 miteinander vernetzt werden. 3400 Sextillionen, das ist eine 34 mit 38 angehängten Nullen. Noch ist es nicht ganz soweit, aber IT- und Maschinenbau verschmelzen bereits seit Jahren. In Verbindung mit dem Internet wird aus der produktorientierten Wirtschaft nach und nach eine Datenökonomie.

"Wir müssen unsere Produkte so ausstatten, dass wir in einer Gebäudeleittechnik in einem Maschinenpark Antriebe und Kühlung und was auch immer bedarfsgerecht zur Verfügung stellen können", erklärt Bruno Lindl, der bei der ebm-papst Gruppe für Forschung und Entwicklung verantwortlich ist. Sein Unternehmen stellt Ventilatoren und Antriebe her. "Es muss eine Schnittstelle geben und zwar bidirektional, das heißt, es geht darum, nicht nur den Befehl zu empfangen, sondern auch zurückzumelden, welcher Status erreicht ist, oder ob eine Besonderheit anliegt."

Zugriff auf das Betriebsgeheimnis

Ein Datenaustausch mit weitreichenden Folgen, denn er hebt die Grenzen zwischen dem Lieferanten und dem Kunden auf. Wer die Maschinendaten zu lesen weiß, der hat Einblick in die Produktion und im extremsten Fall Zugriff auf das Betriebsgeheimnis.

Genau das aber sei der Kern der digitalisierten Wirtschaft, betont Michael Ziesemer, Präsident des Zentralverbands Elektrotechnik und Elektroindustrie. "Industrie 4.0 heißt gerade, mit den Betriebsdaten etwas zu machen."

Die Daten spiegeln die Maschine wider, ihre Eigenschaften, wie produziert wird, welchen Erhaltungszustand die Maschine hat. "Am Ende geht es um den betriebswirtschaftlichen Nutzen und den kann ich erreichen, wenn ich die Betriebsdaten mit einer entsprechenden Software analysiere", erklärt Ziesemer.

Ein Zaun schützt nicht mehr

Noch ist ein Unternehmen ein geschützter Raum. Ein Gebäudekomplex mit räumlichen Grenzen, mit Zäunen und Wachschutz. Es gibt ein Patent- und Markenrecht, den Schutz des geistigen Eigentums.

Doch in der digitalen Wirtschaft gibt es kein drinnen und kein draußen. Die Sicherheitsarchitektur aus der analogen Zeit kann hier nicht mithalten. "Der heutige Patentschutz gilt nicht für diese Betriebsdaten. Und meines Erachtens wird er auch zukünftig nicht für sie gelten", sagt Ziesemer.

Es geht aber nicht nur um Betriebsdaten. Auch Daten, die von Anwendern erzeugt werden, und das Zusammenspiel zwischen beiden werden immer wichtiger. "Wie sind eigentlich Maschinendaten geschützt, die beispielsweise beim Autofahren entstehen und wichtige Informationen über den Zustand des Fahrzeugs liefern und des Autofahrers und dessen Aufenthaltsort?", fragt Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. "Wem stehen diese Informationen zu und handelt es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse? Brauchen wir hier gar ein neues Schutzrecht?"

Industrie 4.0 Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa/C. Charisius

Neuland für Brüssel

Eine Frage, die von den meisten bejaht wird. Angesichts von Datenwolken und Servern, die über die Welt verstreut sind, kann es keine nationalen Regelungen geben. Auf europäischer Ebene hat es allerdings schon 40 Jahre gedauert, bis sich die Mitgliedsstaaten nur auf ein gemeinsames Patenrecht einigen konnten. Kerstin Jorna, bei der EU-Kommission für Industrielles Eigentum, Innovation und Standards zuständig, räumt ein, dass es sich um relatives Neuland handelt. "Es gibt Fragen zum Eigentum und zum Zugang, es gibt Fragen zu den Vertragsverhältnissen, sie müssen fair sein."

Was passiert mit den Daten des Sensors X in der Fabrik von Y? Zu fragen sei auch, wer von den Daten, die eine Maschine liefert, profitieren darf - der Hersteller oder der Kunde?

Bruno Lindl vom Antriebshersteller ebm-papst hat da schon ganz genaue Vorstellungen. Die Maschinen würden lediglich Rohdaten liefern, aus denen mit Hilfe entsprechender Software die Informationen gewonnen würden. "Die Softwareroutinen zu schreiben, das ist eine schöpferische Tätigkeit." Aus ihnen würden Erkenntnisse gewonnen, die auch in einem Produkt enden könnten. "Und all das hätte ich dann gerne geschützt, denn da habe ich Arbeit reingesteckt."

Bis Ende des Jahres will man sich in Brüssel über eine europäische Datenschutzverordnung geeinigt haben. Die regelt aber nur die Verwendung von personenbezogenen Daten durch private Unternehmen und öffentliche Stellen. Wie mit maschinengenerierten Daten umzugehen ist, diese Diskussion fängt hingegen gerade erst an.