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Politik

Indonesien: Flüchtlinge helfen Flüchtlingen

Gemima Harve kk
12. August 2018

Indonesien entwickelt sich zunehmend zu einer Anlaufstelle für Migranten aus vielen Teilen der Welt. Die meisten, die dort ankommen, sind auf sich gestellt. Doch die Solidarität ist groß. Aus Jakarta Gemima Harvey.

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Flüchtlinge in Indonesien
Bild: DW/G. Harvey

Vor einigen Jahren noch hätte sich Ayana* aus Äthiopien nicht vorstellen können, dass sie eines Tages in Indonesien leben und in einer von Flüchtlingen betriebenen Schule in Jakarta Englisch lernen würde. Ayana hatte mit ihren 30 Jahren noch nie eine Schule besucht. "Dies ist nun das erste Mal, dass ich einem Stift in der Hand habe. Jetzt ist mir der Wert von Bildung wirklich klar geworden. Ich lese und bereite ich mich auf die Lektionen vor. Ich bin offen, arbeite mich schrittweise vor, und wenn ich dran bleibe, wird alles gut ", sagt sie im Gespräch mit der DW.

Eingeschränkte Rechte

Das Gesundheits-, Bildungs- und Bildungsprogramm (HELP) für Flüchtlinge in Jakarta bringt Schüler wie Ayana zusammen. Sie kommen aus allen Altersgruppen und sind aus Afghanistan, Pakistan, Somalia, Äthiopien, Sudan, Eritrea, Irak, Jemen und Saudi-Arabien. Knapp 14.000 Flüchtlinge und Asylsuchende leben in Indonesien. Ihre Rechte sind eingeschränkt. Sie dürfen weder arbeiten noch haben sie Zugang zu höherer Bildung. Traditionell war Indonesien nur ein Durchgangsort für Menschen auf der Flucht, ein Zwischenstopp auf dem Weg in Länder, in denen sie in Würde leben konnten.

Mohammad Baqir Bayani aus Afghanistan hat letztes Jahr gemeinsam mit einem anderen Flüchtling HELP gegründet. "Normalerweise haben Geflüchtete nichts zu tun. Sie sitzen zu Hause in ihren Räumen herum und sinnieren über die Vergangenheit und das, was morgen passieren wird", sagt der 20-jährige Afghane im Gespräch mit der DW. Eben dagegen will er angehen. "Das Hauptziel unseres Projekts ist es, die Flüchtlinge davon zu überzeugen, etwas zu lernen und aktiv zu werden."

Flüchtlinge in Indonesien
Handarbeit: Frauen aus verschiedenen Ländern. In der Mitte: der Aktivist Kalsoom JaffariBild: DW/G. Harvey

Derzeit hat die Schule rund 100 Studenten. Am Morgen haben Kinder und Jugendliche Unterricht in Englisch, Mathematik, Naturwissenschaften, Sozialkunde und Kunst. Außerdem lernen sie, wie man sich im Alltag eines fremden Landes bewährt. Nachmittags hingegen sitzen Erwachsene auf den Bänken. Sie lernen Englisch, Indonesisch, private Buchhaltung und soziale Fähigkeiten.

Andere zu Optimismus und Hoffnung zu verhelfen, motiviert Baqir. "Es ist erfüllend. Obwohl es eine recht abstrakte Beschäftigung ist, empfindet man große Zufriedenheit."

Ein Gefühl der Würde

Der zweite Gründer von HELP ist ein Pakistani. Kalsoom Jaffari hat bereits eine Reihe von Projekten auf die Beine gestellt. Eines davon ist die "Refugee Women Support Group". Sie bietet Englisch- und Nähkurse sowie Gesundheitsworkshops in einer Stadt rund 70 Kilometer südlich von Jakarta an.

Jaffari rief die Gruppe 2013 mit nur ein paar Leuten ins Leben. Die Mitglieder strickten Stirnbänder und Geldbörsen. Irgendwann erwarb die Gruppe eine Nähmaschine. Damals arbeiteten 20 Frauen dort. Ein paar Jahre später tat sich Kalsoom mit einer australischen Doktorandin zusammen, um "Beyond the Fabric" zu kreieren, ein Non-Profit-Online-Label, das von Flüchtlingsfrauen hergestellte Hosen und Umhängetaschen verkauft.

Mittlerweile sind 60 Frauen in dem Unternehmen beschäftigt. "Einige kommen regelmäßig, andere machen ihre Arbeit von zu Hause aus. Am Dienstag haben wir Schnittunterricht und am Freitag entwickeln wir unsere Nähkünste", erklärt Kalsoom bei einer Tasse Kaffee im Aufenthaltsraum der Initiative, der gleichzeitig als Unterrichtsraum dient.

Flüchtlinge in Indonesien
Mozhgan Moarefizadeh (links) und Jafar Salem (rechts) vom "Flüchtlings- und Asylbewerberinformationszentrum" (RAIC)Bild: RAIC

"Beond the Fabric" vermittelt den Flüchtlingsfrauen nicht nur ein Gefühl, gebraucht zu werden und von Würde. Ebenso unterstützt das Label sie dabei, die negativen Gefühle zu bekämpfen, die ein unsicheres Leben mit sich bringt. "Im Laufe der Zeit hat sich in unserer Initiative viel verändert. Anfangs hatten die Ehemänner ihren Frauen nicht erlaubt, alleine zum Unterricht zu kommen. Sie saßen unten an der Haustür und warteten." Aber jetzt würden sie sehen, dass ihre Frauen neue Fähigkeiten erwerben und dass es sich um einen sicheren Raum handele. Seitdem kämen sie nicht mehr. "Es erfüllt mich mit Stolz, wenn die Frauen spät am Abend arbeiten und ihre Ehemänner sie dann anrufen, um zu sagen, dass sie zu Abend gegessen und die Kinder gefüttert haben", erzählt Kalsoom. 

Probleme lösen - um jeden Preis

Ebenfalls in Jakarta tätig ist das "Flüchtlings- und Asylbewerberinformationszentrum" (kurz RAIC), eine weitere von Flüchtlingen geleitete Initiative. RAIC will das Leben speziell von Menschen verbessern, die sonst keine Chance hätten. Die Initiative ist auch ein digitales Informationsportal, das in fünf verschiedenen Sprachen Zugang zu ganz unterschiedlichen Informationen bietet. Zudem bietet es Rechtsdienstleistungen, monatliche Augenuntersuchungen, Pflegepakete und selbst geführte Zeitschriften zur Entwicklung psychischer Gesundheit an.

Die Gründer, Mozhgan Moarefizadeh und Jafar Salemi, sind beide 27 Jahre alt, beide erhielten am selben Tag ihre Anerkennung als Flüchtlinge. Zuvor arbeiteten sie auf freiwilliger Basis als Dolmetscher bei Rechtshilfe-Interviews. Darüber wurden sie zu einer Art Anlaufstelle für Flüchtlinge. Angesichts der vielen Fragen, die die Flüchtlinge hatten, beschlossen sie, eine Plattform zu schaffen, die so vielen Menschen wie möglich helfen sollte.

"Wenn wir Menschen sehen, denen es noch schlechter geht als uns, sagen wir uns, dass ihnen geholfen werden muss. Wir müssen eine Lösung für ihre Probleme finden. Wenn wir das nicht schaffen, kontaktieren wir andere Menschen, die uns helfen können", sagt Jafar im Gespräch mit der DW . "Wir sind Mittelsleute, die Flüchtlinge mit anderen Organisationen verbinden. So haben wir einen echten Einfluss auf das Leben der Menschen."

*Name von der Redaktion geändert