Indonesien: Balanceakt zwischen Peking und Washington
25. November 2024Zuletzt war er in London, nun reist er in die Vereinigten Arabischen Emirate. Seit knapp zwei Wochen befindet sich der neue, seit Oktober amtierende indonesische Präsident und Premier Prabowo Subianto auf einer diplomatischen Mission, die fast den ganzen Globus umfasst. Begonnen hatte sie in Peking, wo er den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping traf, anschließend führte Prabowo in Washington Gespräche mit US-Präsident Joe Biden. Davor hatte er bereits mit dessen kürzlich gewählten Nachfolger, Donald Trump, telefoniert und ihn zu seinem Wahlerfolg gratuliert. Anschließend nahm er am Treffen der Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC) teil, danach reiste er zum G20-Gipfel nach Rio de Janeiro.
Der dichte Reiseplan zeige vor allem eines, sagt Andreas Ufen, Südostasien-Experte beim Hamburger Think Tank German Institute for Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg: Prabowo setzte viel stärker als seine Vorgänger auf die internationale Rolle Indonesiens. "Er will Indonesien international bekannter machen und betreibt darum eine Art proaktiver Außenpolitik. Indonesien war seit seiner Unabhängigkeit 1945 bestrebt, eine freie und unabhängige Außenpolitik voranzutreiben. Schon während des Kalten Krieges wollte das Land sich keinem der beiden Blöcke anschließen - und sich dennoch aktiv an der Gestaltung der internationalen Beziehungen beteiligen. Diese Politik setzt Prabowo fort."
Vorbereitung auf Regentschaft Trump
Dass Prabowo als Erstes die Präsidenten Chinas und der USA besuchte, ist kein Zufall, sagt Denis Suarsana, Leiter der Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jakarta. "Er demonstriert damit nicht nur, dass beide Länder für Indonesien die wichtigsten Partner sind, sondern auch, dass sie aus indonesischer Sicht die gleiche Bedeutung haben. Und wenn er dann noch am APEC-Gipfel in Peru und dem Treffen der G20 in Brasilien teilnimmt, bekennt er sich ausdrücklich auch zum Multilateralismus."
Zugleich dürfte Prabowo sein Land so auch auf die kommende Trump-Administration vorbereiten, deren internationaler politischer und wirtschaftlicher Kurs derzeit noch nicht sicher abzulesen ist.
Wenn Prabowo sein Telefonat mit Trump in den sozialen Medien teile, zeige er damit, dass er sich um gutes persönliches Verhältnis zu diesem bemühe, sagt Suarsana. "Prabowo erhofft sich von Trump natürlich deutlich pragmatischere Politik gegenüber Indonesien. Konkret hofft man etwa, die USA könnten sich stärker im Bereich des Nickelimports engagieren. Insofern herrscht in Indonesien ein gewisser Optimismus, dass man eigentlich mit der Trump-Administration sehr gut umgehen kann."
Sorge vor Strafzöllen
Zugleich gebe es allerdings eine Reihe von Unabwägbarkeiten, so Suarsana weiter. "Sollte Trump tatsächlich einen Zoll von zehn bis zwanzig Prozent auf sämtliche Importe erheben und insbesondere auch gegen Chinas Versuche vorgehen, diese Strafzölle durch indirekte Handelswege, etwa auf dem Umweg über südostasiatische Staaten zu umgehen, könnte auch Indonesien massiv negativ getroffen werden. Denn Indonesien ist natürlich in die chinesischen Lieferketten eingebunden."
Militärische Partnerschaft mit den USA
Militärisch zeigt sich Indonesien weiter als engagierter Partner der USA. So hielten die Marinekräfte beider Länder eine gemeinsame Übung - die dritte in Folge - nahe der indonesischen Insel Batam südlich von Singapur ab. Diese Manöver gälten als Versuch beider Staaten, sich der starken chinesischen Präsenz in der Region entgegenzustellen, heißt es in einem Bericht des Online-Portals "Asia Times". Damit positioniere sich Indonesien aber nicht gegen China, sagt Andreas Ufen. "Prabowo bemühe sich um gute Beziehungen zu den USA wie auch zu China. Damit folgt er einer in der Region weit verbreiteten Politik. Nahezu alle Staaten versuchen, gute Beziehungen zu China und zu den USA gleichzeitig aufrechtzuerhalten und sich nicht auf eine Seite festzulegen."
Bekenntnis zur "Neun-Punkte-Linie"?
Während des Treffens Prabowos mit Xi Jinping hatten beide Länder eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, die den Eindruck erweckte, Indonesien erkenne die von China formulierte Neun-Punkte-Linie" (alternativ auch: Zehn-Punkte-Linie") an. Diese Linie markiert Gebiete, die China beansprucht, ebenso aber auch andere Staaten in der Region. Der territoriale Streit betrifft auch Indonesien selbst: Dessen Hoheit über die im Norden des Landes gelegenen Natuna-Inseln erkennt China zwar an, doch akzeptiert man in Peking die ausschließliche Wirtschaftszone nicht. Dabei beruft sich Peking auf "traditionelle chinesische Fanggründe".
Die nun unterschriebene Verlautbarung hatte in der Region für erhebliche Unruhe gesorgt. Daraufhin hatte das indonesische Außenministerium erklärt, dass Indonesien die chinesischen Gebietsansprüche nicht anerkenne.
Dass Indonesien die gemeinsame Erklärung unterschrieben habe, könnte auf die diplomatische Unerfahrenheit der Regierung Prabowo zurückzuführen sein, sagt Andreas Ufen im DW-Interview. "Aber ich nehme nicht an, dass Indonesien nun einen Schwenk in Richtung China unternimmt. Dagegen spricht, dass das Prabowo grundsätzlich eine ausgesprochen pro-amerikanische Position vertritt. Außerdem bezieht das indonesische Militär fast sämtliche Rüstungsgüter aus NATO-Staaten, sehr wenige hingegen aus China. Zudem ist Indonesien sicherheitspolitisch wie ökonomisch stark vom Westen, insbesondere den USA abhängig."
"Eine freie und unabhängige Außenpolitik"
Ähnlich sieht es Denis Suarsana. Das Verhältnis zwischen China und Indonesien sei gut. Die beiden Volkswirtschaften seien in vielfacher Hinsicht aufeinander angewiesen. Und Indonesien hat auch erklärt, den BRICS-Staaten beitreten zu wollen. "Im Westen wird das teilweise so gesehen, als wende sich das Land damit von der westlichen Staatengemeinschaft ab. Das trifft aus meiner Sicht nicht zu", so Suarsana. "Prabowo will sich nicht nur mit China, sondern mit vielen Weltregionen und Ländern austauschen. Das zeigt sich etwa daran, dass Indonesien auch der OECD beitreten möchte. In allen Fällen geht es um eine freie und unabhängige Außenpolitik. Diese, ist man in Jakarta überzeugt, dient dem Land am besten."