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Endspiel?

3. Juli 2011

In Libyen nähern sich die Rebellen der Hauptstadt. Die Deutsche Welle sprach mit Mokhtar Milad Fernana, dem Oberbefehlshaber der Rebellen im westlichen Libyen, in seinem Hauptquartier in Zintan im Nafusa-Gebirge.

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Anführer der libyischen Rebellen an der westlichen Front: Mokhtar Milad Fernana (Foto: Karlos Zurutuza)
Rebellenchef an der westlichen Front: Mokhtar Milad FernanaBild: DW

DW-WORLD.DE: Wann und wie wurden Sie Oberbefehlshaber der Rebellen an der westlichen Front?

Mokhtar Milad Fernana: Ich war Oberst im libyschen Heer, aber wechselte die Seiten als die Revolution anfing. Schon bald wurden fünf Orte im Nafusa-Gebirge befreit und jeder gründete seinen eigenen Rebellen-Rat. Eine Versammlung der fünf Ratsherren wählte mich als Oberbefehlshaber. Das Gebiet unter meiner Kontrolle umfasst die Nafusa-Gebirgskette sowie Tripolis und den Bereich zwischen der Hauptstadt und Tunesien.

Sie tragen noch immer die Abzeichen des Regimes, das Sie jetzt stürzen wollen. Ist das nicht ein Widerspruch?

Ich bin ein Soldat und als solcher muss ich meine Uniform tragen bis ich eine neue aus Benghasi bekomme. Das wird geschehen, wenn wir den Krieg gewonnen haben.

Wie sind die Rebellen hier im Westen aufgestellt?

Jeder Ort hat einen Rat, der von einem Kommandeur geführt wird. Seit dem 15. März treffen wir uns einmal wöchentlich, um unser Vorgehen zu koordinieren. Die verschiedenen Räte stellen dann ihre Anliegen vor. Abgesehen davon kommunizieren wir über Satellitentelefone, weil es keine reguläre Telefonverbindung gibt.

Wie sieht Ihre Strategie aus?

Zum einen müssen wir jede Stadt in Libyen, die unter der Kontrolle von Gaddafis Truppen ist, befreien. So können wir den Feind umzingeln. Natürlich müssen wir unsere Standorte halten und unsere Männer vor neuen Angriffen schützen. Gaddafis Stärke beruht nicht auf seinen Waffen, sondern auf den Menschen, die er als Schutzschilde einsetzt.

Die Libysche Übergangsregierung stattet die Bewohner der Städte mit Waffen aus. Ist die Kriminalität in den Gebieten unter Ihrer Kontrolle in den vergangenen Monaten angestiegen?

Im Gegenteil. Die Kriminalitätsrate ist seit Beginn der Revolution um etwa 80 Prozent zurück gegangen. Die Sicherheit vor Ort ist unter Kontrolle, weil wir in engem Kontakt mit den Stämmen in der Region stehen. Bislang gab es unseres Wissens nach weder einen Missbrauch der Waffen noch eine Plünderung verlassener Häuser.

Wie schaffen Sie es, dass die NATO Position bombardiert, die Sie militärisch erobern wollen?

Leider ist es ein sehr langsamer Prozess - so wie alles, was von Benghasi aus organisiert wird. Hier an der westlichen Front würden wir uns gerne direkt mit der NATO absprechen.

Vor ein paar Wochen haben Sie eine Landebahn auf die Hauptstraße in der Nähe der Stadt Jadu eingerichtet. Wird die Landebahn bereits genutzt?

Eines unserer wichtigsten Anliegen ist es, Lieferungen aus Benghasi zu bekommen. Deshalb haben wir die Landebahn eingerichtet. Bisher haben wir sie nur mit einem leeren Frachtflieger getestet - aber noch keine Lieferungen aus Benghasi erhalten.

Ist das der Grund, weshalb Frankreich Waffennachschub aus der Luft abwerfen muss?

Ich rede häufig mit den verschiedenen Rebellenräten und bislang habe ich noch von keiner Abwurf-Lieferung der Franzosen gehört. Daran sieht man: Wir führen auch einen Krieg der Informationen.

Kritiker sagen, dass Sie nur aufgrund der Geografie, aufgrund der Berge hier, so viel Erfolg hatten - aber die Straße, die nach Tripolis führt, ist komplett eben. Denken Sie, das könnte zu einem Stillstand führen, wie es in Brega oder Misrata der Fall zu sein scheint?

Libysche Rebellen in Siegerpose (Foto: DW)
Auch in der Ebene kampfbereit: Die Rebellen sind optimistischBild: DW

Es wird zweifellos schwieriger werden, aber ich bin optimistisch was unsere künftigen Einsätze unten im Tal angeht. Wir kämpfen schon jetzt dort, nur 70 Kilometer vor den Toren von Tripolis - und wir haben Kontakte in jedem Ort entlang der Strecke dorthin. Wenn alles so läuft wie erwartet, werden wir Tripolis in drei Wochen eingenommen haben.

Die Beziehungen zwischen Arabern und Berbern im Nafusa-Gebirge sind schon immer angespannt. Beeinflusst das die Männer in ihrer Truppe?

Gaddafi hat jahrzehntelang versucht, die Beziehungen zwischen den beiden Gruppen zu vergiften. Aber heute kämpfen wir Seite an Seite, um ihn aus dem Amt zu drängen. Außerdem hatten einige arabische Stämme aus der Nafusa-Region schon immer bessere Beziehungen zu den Berbern als zu anderen benachbarten arabischen Klans. Heute kämpfen Berber und Araber gemeinsam an der Front. Es gibt keine Probleme zwischen ihnen.

Welche Rolle wird die Armee spielen, wenn der Krieg vorbei ist?

Gaddafi wird alles versuchen, um uns zu unterdrücken. Ich bin sicher, er wird sich in letzter Verzweiflung sogar an Al-Kaida-Extremisten wenden. Selbst wenn der Krieg vorüber ist, gehe ich davon aus, dass die Bedrohung durch den Islamismus weiter bestehen bleibt. Die Zivilisten davor zu beschützen wird also eine zentrale Aufgabe im neuen Libyen sein.

Die Regierung und die Opposition beschuldigen sich gegenseitig, Söldner einzusetzen. Haben Sie welche in Ihren Diensten?

Wir wissen, dass Gaddafi Söldner bezahlt, denn wir haben einige von ihnen in unseren Gefängnissen. Außerdem haben uns viele Soldaten, die wir gefangen genommen haben, erzählt, dass die Söldner potenzielle Überläufer bedroht haben. Viele Soldaten haben gestanden, dass sie sich eingekeilt fühlten zwischen den Söldnern an der Front und den Sicherheitskräften der Nachhut, die die Städte anschließend kontrollieren. Ob wir Söldner einsetzen oder nicht - ich bin sicher, dass Sie schon geprüft haben, dass unsere Soldaten alle Libyer sind.

Das Interview führte Karlos Zurtuza in Zintan, Libyen /gri
Redaktion: Rob Mudge /tko