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Impfstoff-Kosten belasten Schwellenländer

Thomas Kohlmann mit Bloomberg
22. März 2021

Kolumbien wurde mit mehr als 62.000 Toten besonders schwer von Corona getroffen. Jetzt rollt auf das Land eine riesige Kostenlawine zu, um genug Impfstoff zu finanzieren. In Südafrika ist die Lage ähnlich angespannt.

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Südafrika Cornavirus Ankunft Impfstoff
Ankunft erster Impfstoffdosen am 1. Februar 2021 in JohannesburgBild: via REUTERS

Die Weltbank zählt Südafrika und Kolumbien zu den "Middle Income Countries", Länder mit einem mittleren Einkommen. Sie gelten mit einem Bruttonationaleinkommen pro Kopf von 6510 US-Dollar bzw. 6040 US-Dollar pro Kopf (2019) nicht als arm, sie gehören aber auch nicht zu den wohlhabenden Staaten dieser Welt. Beide Länder wurden von der Corona-Pandemie hart getroffen und müssen sich jetzt hinter einer ganzen Reihe von reicheren Ländern anstellen, um die weltweit begehrten Impfstoffe zu kaufen und ihre Bevölkerung zu immunisieren. Beide Länder haben sowohl das kostengünstigere Vakzin von AstraZeneca als auch das weitaus teurere von Moderna gekauft.

Mit einem jährlichen Gesundheitsbudget von nur 10 Milliarden Dollar für etwa 50 Millionen Einwohner ist Kolumbien eines von vielen Ländern, denen es schwerfällt, die Impfstoff-Kosten zu stemmen. Südafrika steht da schon etwas besser da: Das G20-Mitglied gab im Jahr 2018 rund 30 Milliarden US-Dollar für seine knapp 60 Millionen Einwohner aus. Trotzdem war es für Südafrika genauso wie für Kolumbiens alles andere als leicht, mit Impfstoffherstellern gute Konditionen auszuhandeln. Beide Regierungen verfügen über begrenzte Budgets, um Impfstoffe zu kaufen und beide haben keinen oder nur einen sehr begrenzten Anspruch auf Vakzin-Lieferungen im Rahmen der Covax-Initiative.

Zu reich für Covax

Weil Schwellenländer nicht über die finanziellen Mittel und Produktionskapazitäten von Industriestaaten wie die USA, Großbritannien, Russland oder China verfügen, benötigen Länder mit mittlerem Einkommen dringend Impfstoffe, um ihre Wirtschaft wieder anzukurbeln und der Pandemie zu entgehen - trotz chronisch knapper Gesundheitsbudgets.

Länder wie Kolumbien "stehen mit dem Rücken zur Wand", sagt Carolina Gomez, Mitbegründerin der Initiative Centro de Pensamiento Medicamentos, Información y Poder an der Nationalen Universität von Kolumbien, die sich für einen breiten Zugang zu Medikamenten und modernen Therapien einsetzt. "Sie haben keine andere Wahl, als sich dem zu fügen, was die Arzneimittelhersteller sagen", kritisierte sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Kolumbien | Coronavirus | Impfungen
Eine ältere Frau wird im kolumbianischen Medellin mit dem chinesischen Sinovac-Vakzin geimpftBild: Joaquin Sarmiento/AFP/Getty Images

Schlechte Verhandlungsposition

Das weltweit angelegte Covax-Programm, das Impfstoffe überall auf der Welt verfügbar machen will, unterstützt arme Länder bei der Impfstoffbeschaffung und stellt ihnen von Spendern finanzierte Impfdosen bereit. Allerdings reicht das Covax-Budget bei weitem nicht aus, um Länder wie Kolumbien zu versorgen, um dort die Mehrheit der Bevölkerung zu impfen. Millionen Menschen würden so in Kolumbien durchs Raster fallen.

Deshalb hat Kolumbien direkte Lieferverträge mit Pfizer, Moderna, AstraZeneca, Johnson & Johnson und dem chinesischen Pharmakonzern Sinovac abgeschlossen, um zusätzlich zu den Lieferungen über das Covax-Programm an genug Impfstoff zu kommen. Das Land hat sich bereit erklärt, 10 Millionen Dosen von den Partnern BioNTech und Pfizer für jeweils 12 US-Dollar zu kaufen, wie aus den Vertragsunterlagen hervorgeht.

Nach Dokumenten des Finanzministeriums, auf die sich Wissenschaftler der Universidad Javeriana in Bogotá beziehen, muss die kolumbianische Regierung etwa 295 Millionen Dollar für 10 Millionen Moderna-Dosen zahlen, was einem Preis von fast 30 US-Dollar pro Dosis entspricht. Darin können allerdings auch Transport- und Logistikkosten enthalten sein. Die Kosten für 20 Millionen Dosen durch das Covax-Programm belaufen sich nach den Angaben der Wissenschaftler auf rund 225 Millionen US-Dollar, wobei auch hier Transportkosten berücksichtigt sind. Wie hoch die sind, ist aber unklar, denn genauere Angaben sind von offizieller Seite in Kolumbien nicht zu bekommen.

Länder mit hohem und mittlerem Einkommen sollen zwar nach Angaben von Pfizer mehr als Länder mit niedrigem Einkommen pro Impfdosis bezahlen, sie müssten aber nach Angaben des US-Pharmariesen trotzdem deutlich weniger bezahlen als zu Anfang der Impfstoff-Auslieferungen Ende 2020. Pfizer hat immer wieder behauptet, man wolle vom Geschäft mit ärmeren Ländern nicht profitieren. Moderna hält sich allerdings auffallend zurück, wenn es darum geht, wie viel welches Land pro Impfdosis zahlen muss.

Höhere Steuern - weniger Staatsausgaben

Kolumbien hat 2,3 Millionen Covid-Fälle gemeldet, das sind etwa zwei von 100 Infektionen weltweit. Seit Monaten gelten vor allem in den Großstädten des Landes strengere Restriktionen, die eine Erholung der Wirtschaft zusätzlich belasten. Das Land befindet sich in der tiefsten wirtschaftlichen Kontraktion seiner Geschichte, und die Regierung plant Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen.

Länder wie Kolumbien oder Südafrika stehen vor einem Dilemma, meint Anna Bezruki vom Global Health Centre in Genf. Die hohen Kosten für den Impfstoff führten dazu, dass Geld für andere Aufgaben im Gesundheitswesen fehlen.

Auch andere lateinamerikanische Länder wie Argentinien und Peru seien gefährdet, sagt Thomas Bollyky, Direktor des globalen Gesundheitsprogramms beim amerikanischen Think Tank Council on Foreign Relations. Auf Länder mit mittlerem Einkommen - ausgenommen China - entfielen fast die Hälfte der weltweiten Corona-Fälle im Februar, aber nur 17 Prozent der verabreichten Impfdosen, so ein Bericht der CFR-Initiative Think Global Health.

Symbolfoto I Belgien - die Corona-Apotheke der EU
Ohne Preisnachlass zu teuer für Schwellenländer: Moderna-ImpfstoffBild: Valeria Mongelli/ZUMA/picture alliance

Südafrika muss auf AstraZenica verzichten

"Es sind die Länder mit mittlerem Einkommen, in denen man das größte Missverhältnis zwischen einer sich ausbreitenden Pandemie und einem Mangel an Impfstoffen sieht", unterstreicht Bollyky in einer Studie des Council on Foreign Relations. "Unterschiedliche Mengen an Impfstoffen an verschiedene Orte zu verteilen, ist nicht unbedingt unfair, vorausgesetzt, sie gehen dorthin, wo sie am meisten helfen können und wo die Krise am größten ist, aber das scheint nicht der Fall zu sein."

AstraZeneca und sein Partner, die Universität Oxford, haben sich als Hauptlieferanten für Länder mit niedrigem Einkommen positioniert und wollen dort auf Gewinne verzichten. Doch wiederholt ist der Impfstoff wegen seiner Nebenwirkungen ins Gerede gekommen, einzelne EU-Länder wie Deutschland und Frankreich hatten sogar das Impfen mit AstraZeneca im März vorrübergehend gestoppt, weil es im Verdacht steht, bei manchen Menschen gefährliche Blutgerinnsel im Gehirn auszulösen.

Südafrika hatte ursprünglich 1,3 Milliarden US-Dollar für die Impfung von zwei Dritteln seiner Bevölkerung budgetiert. Nachdem allerdings in ersten Untersuchungen herauskam, dass das kostengünstige AstraZeneca-Vakzin nur einen minimalen Schutz bei leichten bis mittelschweren Infektionen durch die in Südafrika entdeckte Virus-Mutante bietet, hat das Land seinen Kurs geändert.

Die Regierung in Pretoria hat beschlossen, Impfstoffe von Johnson & Johnson und BioNTech/Pfizer für je 10 US-Dollar pro Dosis zu kaufen, teilte das südafrikanische Gesundheitsministerium mit. Für den Impfstoff von AstraZeneca, der vom Serum Institute of India produziert wird, waren dagegen nur 5,25 US-Dollar pro Dosis vereinbart. Moderna wurde von der südafrikanischen Einkaufsliste gestrichen, nachdem das US-Unternehmen für seinen Impfstoff Preise zwischen 30 und 42 US-Dollar pro Dosis verlangt haben soll.

Ärmere Länder auf dem afrikanischen Kontinent stehen noch schlechter da, wie Peter Kamalingin, Afrika-Direktor der Nichtregierungs-Organisation Oxfam International betont. Er rechnet vor, dass in Afrikas Ländern südlich der Sahara zwar 14 Prozent der Weltbevölkerung leben, dorthin aber nur 0,2 Prozent der bis Mitte März weltweit verabreichten 300 Millionen Impfstoffdosen geliefert wurden.