1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Corona: Die Betriebsärzte sind bereit

Dirk Kaufmann
15. April 2021

Deutschland in der dritten Welle der Pandemie: Die Politik ringt um Lösungen, die allgemein akzeptiert werden und die vor allem helfen. Helfen möchten mehrheitlich auch die Betriebsärzte - wenn man sie nur ließe.

https://p.dw.com/p/3s4AY
VW-Impfmobil im Werk Zwickau
VW-Impfmobil im Werk ZwickauBild: Volkswagen AG

Seit den Ostertagen steigen die Infektionszahlen wieder an. Die Bundeskanzlerin, um positive Signale bemüht, sprach der Bevölkerung Mut zu. Nach einer Kabinettssitzung sagte Merkel am vergangenen Dienstag in Berlin: "Seit die Hausärzte einbezogen sind, und auch die Betriebsärzte werden noch hinzukommen, gehen wir dem Licht am Ende dieses Tunnels mit größeren Schritten entgegen."

Tags drauf nahm Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller den Ball auf. In einem Fernsehinterview sagte der SPD-Politiker, was seiner Ansicht nach jetzt zu tun sei: "Wir haben über die Impfstofflieferung zu sprechen, wir haben darüber zu sprechen, wie wir mit den Geimpften umgehen." Und, so der derzeitige Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz: "Wir haben darüber zu sprechen, wie wir die Haus- und Betriebsärzte noch besser einbinden, um schneller zu werden." Zumindest ist zu bemerken: Seit die Hausärzte mitmachen, legt die Zahl der Impfungen deutlich zu: Am Mittwoch wurden 738.501 Menschen geimpft, ein neuer Rekord.

Deutschland - Coronavirus - Beratungen von Bund und Ländern - Pressekonferenz
Impfen im Betrieb? Das finden Angela Merkel (Bildmitte) und Michael Müller (im Bild links) eigentlich nicht schlechBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Die Ärzte stehen bereit

Auch bei den Betriebsärzten rennen die Politiker mit ihren Plänen offene Türen ein. "Wir könnten in einem Monat fünf Millionen Beschäftigte impfen", zitiert das Nachrichtenmagazin Der Spiegel den Präsidenten des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, Wolfgang Panter. Bundesweit gebe es mehr als 10.000 Betriebsärzte, und wenn, so der Verbandsvorsitzende, auch bereits pensionierte Arbeitsmediziner mithelfen würden, könnten sie einen großen Beitrag zur Schutzimpfung in Deutschland leisten.

Schon vor mehr als einem Monat hatte der Betriebsärzteverband geklagt, dass die Impfungen "nur schleppend" anliefen, die Betriebsärzte das Impftempo aber deutlich erhöhen könnten, weil sie "das Knowhow haben, um auch große Gruppen zu impfen." Die Betriebsärzte seien nicht nur erfahren bei Grippeschutzimpfungen größeren Umfangs, sie verfügten auch über die nötige Infrastruktur. Dafür verlangte der Verband aber "dringend Regelungen aus der Politik".

Einige Firmen drängen schon

Auch viele Unternehmen zeigen sich aufgeschlossen. So hat der Chemieriese BASF an seinem Standort Ludwigshafen am Mittwoch ein Pilotprojekt gestartet, bei dem in Zusammenarbeit mit dem Land Rheinland-Pfalz die Belegschaft geimpft wird. 

Das Handelsblatt hatte bereits im Februar die 30 deutschen Dax-Unternehmen gefragt, wie sie zum Impfen im Betrieb stünden und erfahren, dass die meisten von ihnen bereits an Plänen dafür arbeiteten. Während die Betriebsärzte hierzulande noch gar nicht systematisch impfen dürfen, impfen etwa VW und Bosch bereits an Standorten außerhalb der Bundesrepublik.

Besonders aktiv ist der Autobauer Volkswagen, der bereits an allen deutschen Standorten eine Impf-Infrastruktur aufgebaut hat. An ihnen, hat Personalvorstand Gunnar Kilian vorgerechnet, könnten wöchentlich bis zu 15.000 Beschäftigte geimpft werden. Im Werk in Zwickau in Sachsen sind in einem Pilot-Projekt bereits mehr als 100 Mitarbeiter versorgt worden.

"Unsere Impfzentren stehen bereit", versicherte Kilian in einem online veröffentlichten Statement. "Wir haben unsere Teststrategie um Selbsttests erweitert und darüber hinaus alle Maßnahmen getroffen, um flächendeckend impfen zu können. Dann können wir beispielsweise im Impfzentrum in Wolfsburg alleine an fünf Tagen auf vier "Impfstraßen" über 8800 Menschen impfen."

Deutschland Produktionsstart des VW ID.3
Volkswagen testete das "Impfen im Betrieb" bereits in seinem Zwickauer Werk an bereits mehr als 100 MitarbeiternBild: Matthias Rietschel/dpa/picture alliance

Der Mittelstand zögert

Je größer ein Unternehmen, desto größer die Zahl der Mitarbeiter, die geimpft werden können. Doch auch kleine Betriebe könnten eine wichtige Rolle spielen, denn das wirtschaftliche Rückgrat Deutschlands sind eben die kleinen und mittelständischen Unternehmen. In ihnen sind fast 60 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Angestellten in Deutschland beschäftigt, wie das Bonner Institut für Mittelstandsforschung (IfM) errechnet hat.

Doch fragt man man bei solchen Unternehmen nach, bekommt man selten engagiert klingende Antworten. "Zum aktuellen Zeitpunkt möchten wir zu Ihren Fragen keine Stellung nehmen", antwortete beispielsweise der Keks-Fabrikant Bahlsen aus Hannover auf eine Anfrage der DW. Das Familienunternehmen beschäftigt etwa 2700 Menschen.

So gehts auch

Die Meyer Werft im nordwestdeutschen Papenburg, mit rund 3600 Beschäftigten auch ein mittelständisches Familienunternehmen, ist da entschiedener. Der DW schrieb sie: "Wir möchten gerne schnellstmöglich mit der Impfung durch unseren Betriebsarzt und unsere Betriebssanitäter starten. Dafür laufen bereits seit Anfang des Jahres Planungen und Gespräche mit den zuständigen Behörden."

Auch über einen internen Impfplan und eine mögliche Priorisierung habe das Unternehmen bereits nachgedacht, so Unternehmenssprecher Florian Feimann. Das sei aber "abhängig davon, was der Gesetzgeber vorsieht, denn aktuell sind beispielsweise die Hausärzte ebenfalls an die Priorisierungsgruppen gebunden, sowie davon, welche Impfstoffe uns in welcher Menge zur Verfügung stehen." Zunächst sei geplant, die eigenen Mitarbeiter zu impfen, und es werde geprüft, "ob wir auch den Angehörigen der Mitarbeiter sowie Mitarbeitern von Partnerunternehmen ein Impfangebot machen können."

Deustschland | Ministerpräsidentenkonferenz | Coronavirus
Diese Damen und Herren müssen sich einig werden: Die Ministerpräsidentenkonferenz, hier im März 2020 in MünchenBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Warten auf die Politik

Dass die Meyer Werft ihr weiteres Vorgehen davon abhängig macht, "was der Gesetzgeber vorsieht", zeigt, woran es fehlt: Die Politiker im Bund sind sich nicht einig, die Verantwortlichen in den Ländern auch nicht und in gemeinsamen Gremien wird ebenfalls keine Einigkeit erzielt. Sieht man, wie lange es gedauert hat, die Hausärzte in den Impfprozess zu integrieren, macht das keine Hoffnung, dass in naher Zukunft auch Betriebsärzte eine Impfspritze in die Hand nehmen können.

Politisch müssen noch einige Fragen geklärt werden: Woher sollen die Betriebe die nötigen Vakzine bekommen? Welcher Impfstoff soll ausgeliefert werden? Wer ist dann für die Verteilung verantwortlich? An welche Priorisierung sollen sich die Ärzte halten? Soll es überhaupt eine solche Verpflichtung geben?

Gar nicht berücksichtigt ist dabei die Frage, ob es überhaupt ausreichend Impfstoff geben wird. Nach der anfänglichen Skepsis gegenüber dem russischen Impfstoff Sputnik V und den Meldungen über die Nebenwirkungen des AstraZeneca-Vakzins ist nun der Impfstoff von Johnson & Johnson ins Gerede gekommen. Doch zuerst muss für den Einsatz von Betriebsärzten in der Impfkampagne ein klarer politischer Welle formuliert werden. Die möglichen Helfer stehen jedenfalls bereit.