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Impfbefürworter und -gegner bekriegen sich im Netz

6. März 2019

Die Sozialen Netzwerke wollen gegen falsche Behauptungen über Impfungen vorgehen. Eine dänische Studie belegt erneut, dass es keinen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus gibt. Aber der Kampf im Netz geht weiter.

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Deutschland Grippewelle Symbolbild Impfung
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Nicht von ungefähr hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Impfgegner zu einer der zehn größten globalen Gesundheitsbedrohungen erklärt. Vor allem die medizinisch mögliche Ausrottung der Masern werde durch die in den Industrieländern verbreitete Verweigerung von Impfungen verhindert. Schließlich können Masern tödlich sein, insbesondere in ärmeren Ländern mit einer schlechten Gesundheitsversorgung.  

Tatsächlich muss man in den Sozialen Medien nicht lange suchen, um die absurdesten Behauptungen von Impfgegnern und die wüstesten Beschimpfungen von Impfbefürwortern zu finden. Da sich diese Internetplattformen schon länger dem Vorwurf ausgesetzt sehen, sie hätten der Anti-Impf-Bewegung zu lange ein Forum geboten, wollen einige der großen Online-Netzwerke wie Youtube, Facebook, Pinterest und Google jetzt gezielter gegen Fehlinformationen über Impfungen vorgehen.

Soziale Netzwerke geben dem Druck nach

Die Video-Plattform YouTube will deshalb Werbungen aus impffeindlichen Videos entfernen und den Impfgegnern so eine Finanzierungsquelle entziehen. Anti-Impf-Propaganda sei ein Verstoß gegen die Unternehmensregeln zur Bekämpfung "schädlicher oder gefährlicher" Inhalte, teilte das US-Unternehmen mit.

Youtube hat sich zu diesem Schritt allerdings erst nach einem Artikel von "Buzzfeed" entschlossen; mehrere Firmen hatten offenbar Druck auf die Videoplattform ausgeübt und ein Ende der Zusammenarbeit angedroht, sollte Youtube nichts gegen diese impfkritischen Videos unternehmen. 

Auch Facebook hat angekündigt, gegen die "Ausbreitung von gesundheitsbezogenen Falschinformationen" vorgehen zu wollen. Wie die künftige Strategie aussehen soll, teilte das Unternehmen allerdings noch nicht mit. 

Google hatte bereits im Januar angekündigt, "grenzwertige Beiträge" und solche, die Nutzer auf gefährliche Weise fehlinformieren könnten, nicht mehr aktiv zu empfehlen. Hierzu sollen auch Videos gehören, die Wundermittel für ernste Erkrankungen empfehlen oder Verschwörungstheorien verbreiten. Allerdings bleiben sie weiterhin auf der Plattform verfügbar, sofern sie nicht die Community-Standards verletzen.

Pinterest geht noch radikaler vor: Die Onlineplattform zeigt unter Verweis auf mögliche Verstöße gegen die Community-Richtlinien gar keine Suchergebnisse mehr zum Thema Impfen an, egal ob die Informationen von Impfbefürwortern oder -gegnern kommen.

Impfpass
Masern können vor allem in ärmeren Ländern mit einer schlechteren Gesundheitsversorgung tödlich seinBild: picture alliance/Arco Images

Keine Verbindung zwischen MMR-Impfstoff und Autismus

Gerade erst hatte ein Wissenschaftler-Team des Statens Serum Instituts in Dänemark die bisher größte und umfassendste Studie präsentiert. Danach gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem (MMR)-Impfstoff und Autismus. Dazu hatten die Wissenschaftler Daten von mehr als 650.000 dänischen Kindern untersucht. Eine ähnliche Studie hatte das Team bereits 2002 durchgeführt. Beide Studien zeigten, dass es keinerlei Belege für einen Zusammenhang gibt. Dies hatte der ehemalige britische Arzt Andrew Wakefield 1998 in "The Lancet" angedeutet. Diese Studie wurde 2010 vom dem Journal wegen offenkundiger Fehler, "unethischer Forschungsmethoden" und einer "unverantwortlichen Darstellung der Ergebnisse" zurückgezogen. Immerhin hatte der ehemalige Arzt verheimlicht, dass er von Anwälten finanziert wurde, die Impfstoff-Produzenten verklagen wollten. Aber die unseriöse Studie dient noch immer als Argumentationsgrundlage für Impfgegner.

"Wir müssen weiterhin belastbare, wissenschaftliche Studien durchführen, um den Mythen über Impfstoffe entgegenzuwirken, die Unsicherheit und Misstrauen hervorrufen. Ich hoffe, dass sich letztendlich Wissenschaft und Vernunft durchsetzen werden und dass die überwiegende Mehrheit der Eltern die Impfung aufgrund ihrer Vorteile wählen wird", so Anders Peter Hviid, ein Verfasser der dänischen Studie, im DW-Interview.

Unversöhnliche Positionen im Netz

Wie heftig Impfbefürworter und –gegner zuweilen in den Sozialen Netzwerke streiten, zeigte der Fall einer besorgten Impfgegnerin, die Anfang Februar angesichts einer neuen Masern-Welle im Netz nach Tipps gegen Masern suchte: "Meine Dreijährige ist nicht geimpft und aktuell gibt es einen Masern-Ausbruch in meinem Bundesstaat. Ich freue mich über alle Vorschläge für Vorsichtsmaßnahmen, mit denen ich sie schützen kann" postete die Mutter in einer mittlerweile geschlossenen Facebook-Gruppe für Impfgegner.

Wenig später wurde die besorgte Mutter mit Hohn und Spott überschüttet. Ein Nutzer empfahl die bei Konservativ-Religiösen geläufige Floskel "Thoughts and prayers", also Gedanken und Gebete. Ein andere User riet zynisch, sich mit Dijon-Senf einzureiben. Eine Userin regte an, im Uhrzeigersinn um ein Lagerfeuer zu tanzen und Liedchen zu trällern, und ein weiterer User bot zu einem stattlichen Preis ein Öl an, das sicherlich nicht gegen Masern hilft. Ihm aber kommt zumindest das Geld zu Gute. 

Unter dem Post der besorgten Mutten finden sich zahlreiche zynische und zum Teil äußerst verletzende Posts. Sie spiegeln eindrucksvoll die unversöhnlichen Positionen im Netz und die hitzige Debatte über den Wert von medizinischen Ratgeber im Netz wider.

So warnte eine der Impfbefürworter hämisch davor, einen echten Mediziner zu konsultieren, besser sollte die besorgte Mutter ihre Frage direkt bei Facebook posten, da kämen mit Sicherheit brauchbarere Antworten.

"Gäbe es doch nur eine Impfung", spottete eine andere Userin. Ähnlich sarkastisch fiel der Rat einer weiteren Userin aus: Die Mutter solle ihr Kind doch einfach einem geschwächten oder inaktiven Virus-Stamm aussetzen, damit ihr Immunsystem Antikörper entwickeln kann"…

Die Mutter soll also genau das tun, was bei einer klassischen Masern-Impfung geschieht.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund