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Imageprobleme eines Bürokratie-Molochs

Stephanie Höppner23. November 2013

Trotz der Absage der Ukraine an die EU glauben Experten an die Attraktivität der Europäischen Union. Die Gemeinschaft sollte aber dringend an ihrem Image arbeiten – so die Empfehlung.

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Europäische Fahne. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

"Die EU hat nicht ausreichend Ehrgeiz gehabt, um die neuen Demokratien Osteuropas nach 1989 an sich zu binden", kommentierte die französische Zeitung "Le Monde" das überraschende Aus für das ukrainische Assoziierungsabkommen mit der EU. Jahrelang hatten sie miteinander verhandelt, Ende November sollte der Vertrag unterzeichnet werden. Die Ukraine habe stattdessen "auf den Pausenknopf" gedrückt, urteilt die ukrainische Tageszeitung "Den" und schreibt weiter: "Die Verantwortung tragen alle Seiten: die Regierung, die Opposition - und die Europäische Union."

Nach der Absage der Ukraine ist in den Medien wieder einmal eine Diskussion um die Attraktivität der Europäischen Union ausgebrochen. "Die EU ist natürlich immer noch außerordentlich attraktiv", sagte der Bonner Politologe Ludger Kühnhardt. Dies sei genau der Grund, weshalb die russische Führung - und in Teilen auch die ukrainische -.eine weitere Annährung an die EU verhindern wollte, so Kühnhardt im DW-Gespräch. Auch für Ewald Böhlke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ist diese Entscheidung der Ukraine kein Zeichen für ein generelles Nein. "Die Attraktivität besteht eigentlich in der Vision oder Utopie, die die EU der Ukraine bietet, nämlich: Ihr habt die Chance, wenn ihr mitmacht, auch erfolgreich zu werden." Nach Ansicht Böhlkes sei dies auch mehrheitsfähig in der Bevölkerung.

Ludger Kühnhardt, Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung in Bonn(ZEI).Foto: ZEI
"EU noch immer attraktiv": Politologe Ludger KühnhardtBild: ZEI

Die türkische Zustimmung schwindet

Dennoch: Die Ukraine ist nicht das einzige Land, das der EU in der Vergangenheit die kalte Schulter gezeigt hat. Auch bei anderen Staaten wie der Türkei scheint der Prozess der Annäherung ins Stocken gekommen zu sein. Nach monatelanger Pause sind die Verhandlungen erst wieder diesen November aufgenommen worden.

Auch wenn es auf oberster Ebene wieder in kleinen Schritten weiter Richtung Westen geht: In der türkischen Bevölkerung scheint der Wunsch nach einem EU-Beitritt zu schwinden. Nach der 2013 veröffentlichten Studie "Transatlantic Trends" der US-Stiftung "German Marshall Fund" sind nur 44 Prozent der Türken für einen EU-Beitritt und damit vier Prozent weniger als noch vor einem Jahr. 34 Prozent sind sogar der Meinung, ein Beitritt schade der Türkei. Vor fast zehn Jahren hatten sich noch fast Zweidrittel für Europa ausgesprochen. Die Zahl der EU-Gegner lag bei lediglich 9 Prozent. Für Ewald Böhlke liegt der Grund für die Ablehnung auch in der langen Geschichte der Beitritts-Gespräche begründet. "Die Verhandlungen mit der Türkei gehen seit 1963, man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen."

Ewald Böhlke leitet das Berthold-Beitz-Zentrum der DGAP (Foto: Dirk Enters/DGAP)
Ewald Böhlke vom DGAP beklagt die lange Verhandlung mit der TürkeiBild: Dirk Enters/DGAP

Für andere Länder, wie zum Beispiel Island, war der Beitrittswunsch zur EU nur eine kurze Episode. Die Regierung in Reykjavik legte die Beitrittsverhandlungen auf Eis - wohl auch, weil das Land anders als beispielsweise die Ukraine oder die Türkei weniger auf eine Mitgliedschaft angewiesen ist. "Das Finanzsystem und das politische System haben sich wieder konsolidiert", sagte Politologe Kühnhardt. "Dann kehrt natürlich die alte identitätsgeprägte Tagesordnung zurück und die Frage, ob es denn wirklich im isländischen Sinne sei, sich einer Gemeinschaft anzuschließen, die zwingend mit der Teilung der eigenen Souveränität einhergeht."

Böhlke: Die EU wirkt nicht lebendig

Die Gründe für eine ablehnende Haltung gegenüber der EU sind also äußerst vielfältig. Für Europa-Experten ist es aber auch eine Frage des Gefühls, wie viel Begeisterung der Gemeinschaft entgegen schlägt. "Wir haben ein Imageproblem, denn die EU tritt als bürokratischer Moloch auf und nicht als lebendige Gesellschaft und das ist das größte Problem, was die EU mittlerweile hat", beklagt Ewald Böhlke von der DGAP. Das demokratische Gesellschaftssystem müsse stärker erläutert werden. "Da muss die EU endlich anfangen, auch Marketing für Europa zu betreiben."