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Im Reich des Mittelstands?

Matthias von Hein/rle11. Oktober 2002

Nach der Großindustrie versuchen jetzt immer mehr deutsche Mittelständler ihr Glück auf dem chinesischen Markt.

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Deutsche Werkzeuge gibts bei Werkzeug Walter - oder bei Obi in SchanghaiBild: AP

Steffen Schindler macht in Wurst. Ende 1999 gründete der Deutsche das German-Food-Center in Peking. Seither stellen hier im Osten der Millionenstadt, wo auch die deutsche Botschaft ihren Sitz hat, 34 Mitarbeiter in traditioneller Handwerksfertigung jährlich acht Tonnen Wurst und Fleischwaren her. Die werden nicht nur im eigenen Laden verkauft, sondern auch an Hotels in ganz China geliefert. Ein typischer Mittelstandsbetrieb.

Chancen im Wachstumsmarkt China

Wie Schindler haben mittlerweile rund 1500 deutsche Mittelständler den Sprung auf den chinesischen Markt gewagt. Wobei sich allerdings die wenigsten mit der Produktion von Nahrungsmitteln befassen. Vor allem die klassischen Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik und Elektronik versprechen sich hier gute Geschäfte.

"Am Anfang galt China als billiges Produktionsland. Das hat sich mittlerweile völlig gedreht", schätzt Viktor Vogt von der Industrie und Handelskammer Köln die Lage ein " Jetzt geht es darum, rechtzeitig Fuß zu fassen im Wachstumsmarkt China."

Korruption erschwert das Geschäft

Beim Eintritt in den riesigen Markt gibt es allerdings auch viele Hindernisse. Vor allem die Sprachbarriere erschwert nach wie vor die Beziehungen und die Vermittlung von Technologien. Auch über den unzureichenden Rechtsschutz machen sich die Unternehmer Sorgen, ergab eine Umfrage des Delegiertenbüros der Deutschen Wirtschaft Schanghai vom Juni 2002. Die Mittelständler beklagten zudem Probleme beim Zahlungsverhalten der Abnehmer, Korruptionserscheinungen, das Leistungsniveau lokaler Lieferanten und Schwierigkeiten beim Aufbau des Vertriebs.

Außerdem fürchten viele Deutsche im Reich der Plagiate um ihr geistiges Eigentum. Die Chinesen sind patente Wiederverwerter von Ideen. Schon so manche Erfindung wurde im Reich der Mitte "ausgeborgt", weiterentwickelt und unter einem anderen Namen auf den Markt gebracht. "Gerade Mittelständler haben darum die Sorge, dass sie ihre mit großem Aufwand entwickelten Produkte hier ganz schnell los sind", weiß Frank Sieren, Peking Korresponder der Wirtschaftswoche.

Hausaufgaben nicht gemacht

So manches Problem haben sich die Firmen indes selbst zuzuschreiben. Viele Unternehmen haben vor dem Markteintritt ihre Chinesisch-Hausaufgaben nicht gemacht. Eigeninitiative statt Unternehmensberater und Rechtsberater - das scheint die Devise des deutschen Mittelstandes in China zu sein. Kein Wunder, wenn über ein Drittel der Firmen in der erwähnten Umfrage klagt, der Markt sei anders als angenommen.

Möglicherweise wird hier häufig am falschen Platz gespart, denn die Informationslage ist heute bereits wesentlich besser als noch vor einigen Jahren. Auch für Mittelständler gibt es vielfältige Unterstützung. So bietet etwa das German Center der deutschen Handelskammer in Peking Unternehmen Beratung und die Bereitstellung von Büroraum und Infrastruktur für ein Repräsentanzbüro.

Meist erfolgreiches Engagement

72 Firmen sind zur Zeit im German Center untergebracht - damit ist es komplett ausgelastet. In den letzten drei Jahren hat das German Center gut 100 Firmen betreut, von denen etliche inzwischen eigene Tochterunternehmen gegründet haben. Das Geschäft für den Mittelstand läuft also allen Schwierigkeiten zum Trotz ganz gut. Sonst würden sich die Unternehmen wohl auch kaum so engagieren ist sich Christian Sommer, Direktor des German Center, sicher. "Der Mittelstand ist gar nicht in der Lage, hier viel Kohle zu versenken."