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Im Namen der Freundschaft

Mathias Bölinger9. Januar 2007

Nun ist sie unterbrochen, die Freundschaft. Es fließt kein Tropfen Öl mehr durch die Pipeline, mit der die Sowjetunion einst die sozialistischen Bruderländer in Osteuropa mit feinstem sowjetischen Rohöl versorgte.

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"Druschba" - "Freundschaft" - heißt die Rohrleitung und mit über 5000 Kilometern ist sie eine der längsten der Welt. Allein an dem jetzt stillgelegten Abstecher, der von Weißrussland in die ehemalige DDR führt, arbeiteten Anfang der 1960er-Jahre bis zu 10.000 Arbeiter gleichzeitig, um in Handarbeit die 26.000 Nahtstellen zu verschweißen. Die Schweißnähte allein, würde man sie aneinanderlegen, würde schon von Berlin aus bis nach Polen reichen.

Ein hässlicher Streit ums Geld hat dem freundschaftlichen Ölfluss jetzt vorerst ein Ende gesetzt. In den Familienzwist zwischen den slawischen Brüdern Weißrussland und Russland, der zu diesem unfreundlichen Akt geführt hat, wollen wir uns an dieser Stelle gar nicht einmischen. Aber dass damit die stolze Institution der Freundschaft einen Schlag erlitten hat, stimmt uns hier in Moskau doch einigermaßen nachdenklich.

Gemeint ist nicht die banale zwischenmenschliche Freundschaft, die der versoffene Nachbar gerne anführt, wenn er sich Geld leihen will. Wir machen uns auch keine Sorgen um das, was hinter der verschämten Frage steckt, ob zwei einander zugeneigte Personen befreundet seien.

Im Gegenteil: Eine kurze Suchanfrage im Internet unter dem Stichwort "Druschba" hat uns davon überzeugt, dass die Freundschaft zwischen den Geschlechtern auch in Russland in den vertrauenswürdigen Händen ehrgeiziger Internet-Startups liegt. Wir trauern auch nicht der politischen Männerfreundschaft nach, die damals so anstandslos von Kohl und Jelzin an Schröder und Putin weitergegeben wurde. Nein, die Freundschaft, um die es hier geht, ist eine Institution, die hier in Russland zu Hause ist wie in kaum einem anderen Land der Erde.

Gemeint ist die feierlich beschworene Völkerfreundschaft, die einen in Russland bis heute auf Schritt und Tritt begleitet. Neben dem Hauptgebäude der Universität spazieren Studenten durch die Straße der Freundschaft. Gaststudenten aus Entwicklungsländern pauken nach wie vor an der Universität der Völkerfreundschaft. Das ehemalige ostpreußische Allenburg trägt ebenso den Namen Druschba wie unzählige kleine Dörfer in zwischen St. Petersburg und Wladiwostok.

Fitnessbegeisterte Moskauer können im Sportklub Druschba ihren Körper durch Gewichtheben stählen oder mit Wasseraerobic in Form bringen. Und wer in Moskau einigermaßen kostengünstig unterkommen will, kann ein Zimmer im Hotel Druschba am Stadtrand buchen. Vielleicht findet er dort ja als kleine Aufmerksamkeit sogar eine Süßigkeit mit dem Namen Druschba, hergestellt von der Schokoladenfabrik Rot Front.

Noch ist die Freundschaft als Relikt sowjetischer Rhetorik nicht akut bedroht. Aber die Ereignisse der letzten Tage lassen uns doch schon einmal die ängstliche Frage stellen, was aus der Freundschaft wird, wenn sich Minsk und Moskau im Ölstreit nicht einigen können. Die Antwort haben wir zum Glück im Osten gefunden. Dort hat letzten Sommer die erste Rallye Peking-Moskau stattgefunden. Ihr Name: "Route der Freundschaft".