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Politik

Im Kampf mit Polens Mächtigen

Tomasz Bielecki
9. November 2017

Der polnische Verteidigungsminister Antoni Macierewicz fordert die strafrechtliche Verfolgung des Journalisten Tomasz Piatek. Die NGO Reporter ohne Grenzen hingegen zeichnen Piatek für seine investigative Arbeit aus.

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Tomasz Piatek polnischer Journalist
Bild: Imago/Zumapress/B. Zawrzel

Antoni Macierewicz, seit 2015 polnischer Verteidigungsminister, ist ein einflussreicher Mann in den nationalistischen und rechten Kreisen des Landes. Auch darum kann er in der Regierung wie auch der vom ehemaligen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski geführten Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) in weiten Teilen recht eigenständig agieren.

Macierewicz, der Anfang der 1990er-Jahre Innenminister war, gilt als Experte in der Kunst, Verschwörungen aufzudecken - oder wie Kritiker spötteln: Verschwörungstheorien zu erfinden. Besonders tat er sich bei der Aufdeckung der Arbeit der russischen wie der polnischen Geheimdienste vor 1990, also der Zeit des Kommunismus hervor.

In seiner Rolle feuerte Macierewicz weiterhin Spekulationen über die Rolle des Kreml beim Flugzeugabsturz 2010 in Russland an. Diese decken sich allerdings nicht mit den Einschätzungen führender Experten. Bei dem Unglück starben Lech Kaczynski, der Zwillingsbruder des heutigen PiS-Chefs Jarosław Kaczyński, sowie alle anderen Insassen des Flugzeugs.

Russland Flugzeugabsturz von Smolensk - Lech Kaczynski getötet
Von Mythen umrankt: der Absturz der polnischen Tupolev im April 2010Bild: picture-alliance/dpa/S. Chirikov

Fragwürdige Bekanntschaften

Die feindselige Haltung, die Macierewicz gegenüber der postkommunistischen Kultur einerseits und Russland andererseits an den Tag legt, lässt die Veröffentlichung eines neuen Buches noch überraschender erscheinen. Der Band "Antoni Macierewicz i jego tajemnice" (Antoni Macierewicz und seine Geheimnisse) gründet auf den Berichten, die der Journalist Tomasz Piatek, Mitarbeiter der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza", über den Premierminister verfasst hat.

Piatek beschreibt Macierewicz´ fragwürdige Bekanntschaften, seine Mitarbeiter und Beziehungen. Er analysiert die langjährige Zusammenarbeit des Verteidigungsministers mit einem ehemaligen kommunistischen Sicherheitsbeamten sowie seine Beziehungen zu den Anhängern des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Polen und im Ausland.

Über das Geld, das Macierewicz während seiner Karriere ansammelte, wurde Piatek auf den mächtigen Mafioso Semjon Mogilewitsch aufmerksam, der offenbar von russischen Geheimdiensten und womöglich sogar vom Kreml unterstützt oder zumindest geduldet wird. Piatek beschreibt Macierewicz´ Beziehung zu Mogilevich als eine indirekte: Die Wege beider Männer kreuzten sich offenbar im Umfeld des ehemaligen US-Senators Alfonse D'Amato, über den Piatek sagt, er unterhalte zum Teil langjährige Geld- und Geschäftsverbindungen zum polnischen Verteidigungsminister. Vor Jahren halfen die Politiker, die konservative US-Organisation Friends of Poland zu gründen.

Polen Antoni Macierewicz neuer Verteidigungsminister
Polens Verteidigungsminister Antoni MacierewiczBild: picture-alliance/epa/B. Czerwinski

Angriff durch die Regierung

In Polen beschuldigt die Opposition Macierewicz, die Armee geschwächt und das Vertrauen der europäischen Verbündeten im Rahmen der NATO untergraben zu haben. Kritiker nehmen an, Macierewicz habe durch nachlässige Arbeit die Haltung Polens gegenüber Russland verschlechtert.

"Viele Leute fragen mich direkt: Ist Antoni Macierewicz ein russischer Spion?", schreibt Piatek in seinem Buch. Und weiter: "Ich kann diese Frage noch nicht beantworten." Wohl aber könne er einige "Arbeitshypothesen" vorbringen - etwa die, dass Macierewicz vor langer Zeit in die Zusammenarbeit mit Russland hinein gezwungen worden sein könnte. Es überrascht nicht, dass Piateks Buch von einigen regierungsnahen Medien heftig angegriffen wurde.

Der angesehene investigative Journalist Pawel Reszka, derzeit Mitarbeiter der polnischen Ausgabe von "Newsweek", kritisierte Piatek. Dieser habe voreilige Schlüsse gezogen. Doch selbst die Kritiker des Buches - zumindest diejenigen, die keine staatlichen oder regierungsnahen Medien vertreten - würdigen, dass Piatek Fragen gestellt hat, die von Macierewicz schnell und umfassend geklärt werden müssen.

Fragwürdige Beschuldigungen

Nach der Veröffentlichung des Buches Ende Juni beschloss der Verteidigungsminister, keine Zivilklage gegen Piatek einzureichen. Das hätte ihn gezwungen, die Rechercheergebnisse des Journalisten als falsch zu beweisen. Stattdessen forderte er, dass Piatek strafrechtlich verfolgt werde.

Streiter für die Demokratie in Polen

Macierewicz erklärt, Piatek habe gegen das polnische Strafrecht verstoßen. Die Vorwürfe: Er habe Gewalt oder ungesetzliche Drohungen angewandt und dadurch die "Regierungsbehörde an der Erfüllung ihrer Pflichten" gehindert. Außerdem habe er sich der "Beleidigung eines Beamten während dessen Dienstzeit und im Zusammenhang mit dessen Arbeit" schuldig gemacht.

Die Beschwerde wurde an die Militärabteilung der Regionalstaatsanwaltschaft in Warschau weitergeleitet. Wird Piatek angeklagt und für schuldig befunden, drohen ihm bis zu drei Jahre Gefängnis.

Im August forderte Amnesty International die polnischen Behörden auf, den Fall Piatek umgehend fallen zu lassen und keine strafrechtlichen Anklagen zu erheben. Diese nämlich, argumentiert Amnesty, würden sich ausschließlich auf das Buch oder seine Arbeit als investigativer Journalist beziehen. Piatek selbst vermutet, er stehe mindestens seit Anfang Juli unter Überwachung. Daraufhin hat Amnesty Polen aufgefordert, eines sicherzustellen: Dass nämlich Journalisten ihre Arbeit frei von Belästigung und ohne Angst vor Repressalien leisten können.