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Im Fadenkreuz der Drogenmafia

25. März 2010

Journalisten leben in Mexiko gefährlich. Sie werden zur Zielscheibe von Drogenbaronen und politischen Gegnern.

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Ein Soldat bewacht eine Karfreitags-Prozession in der nordmexikanischen Stadt Ciudad Juarez, April 2009 (Foto: AP)
Drogenkrieg in Mexiko: Präsident Calderón setzte 50.000 Soldaten in MarschBild: Arnulf Boettcher

Fast kein Tag vergeht mehr ohne dramatische Meldungen aus dem mexikanischen Drogenkrieg. Mitglieder der Mafia liefern sich auf offener Straße blutige Gefechte, Soldaten besetzen ganze Städte, um die Gewalt in den Griff zu bekommen. Die Menschenrechte geraten in diesen Verhältnissen unter die Räder. Das trifft auch Gewerkschafter, Bauernvertreter, soziale Aktivisten und nicht zuletzt Journalisten. In diesem Jahr wurden bereits mindestens vier Medienschaffende ermordet. Wer hinter den Angriffen steckt, ist unklar.

Journalist Pedro Matías aus Oaxaca (Foto: Kristin Gebhardt)
"Ich dachte, bringen mich um": Journalist Pedro MatíasBild: Kristin Gebhardt

Auch Pedro Matías weiß bis heute nicht, wer ihn am 28. Oktober 2008 von der Straße weg entführte. Zehn Stunden lang hatten ihn die Täter in ihrer Gewalt. Sie bedrohten den Journalisten mit einer Waffe und zwangen ihn, sich nackt in den Kofferraum ihres Autos legen. "Sie fuhren kreuz- und quer durch die Gegend, drohten mich zu vergewaltigen und zu töten. Sie schossen in die Luft und drückten mir Flaschen ins Gesicht, damit ich ruhig bleibe", berichtet der 45-Jährige. "Ich dachte, sie bringen mich um."

Die Täter hatten ihm erklärt, sie seien von den "Zetas", einer Killertruppe der Drogenmafia. Das aber will Matías nicht glauben, schließlich hat er noch nie über die kriminellen Geschäfte der Capos geschrieben. Er hat einen anderen Verdacht. Matías lebt in Oaxaca und berichtet in regierungskritischen Zeitungen aus dem südmexikanischen Bundesstaat. Dort erlebte er, wie im Jahr 2006 Lehrer, Indigene und Studenten auf die Barrikaden gingen. Und wie sie von kriminellen Gruppen verfolgt wurden, die dem umstrittenen Gouverneur Ulises Ruiz nahe standen.

Man werde zum Hindernis, wenn man mit seiner Arbeit die Regierung kritisiere und die Menschenrechte einklage, meint Matías. "Ich nehme an, dass die Verantwortlichen in der Regierung sitzen, aber ich habe keine Beweise". Der Journalist hat die Entführung zwar bei der Polizei gemeldet, aber große Hoffnungen auf Aufklärung macht er sich nicht: „Die Behörden sind so verflochten mit der Organisierten Kriminalität, dass es sehr gefährlich ist, ein Verbrechen anzuzeigen.“

Eines der gefährlichsten Länder für Pressearbeiter

Tatsächlich sind die Chancen gering, dass die Strafverfolger die Entführer von Matías dingfest machen. Praktisch kein Angriff auf Medienschaffende wird aufgeklärt. Inzwischen ist Mexiko zu einem der gefährlichsten Länder für Pressearbeiter geworden. Im letzten Jahr zählte die Nicht-Regierungsorganisation "Cencos" 244 Angriffe auf Journalisten, über 50 wurden seit dem Jahr 2000 ermordet, von neun weiteren fehlt jede Spur.

Luís Hernandez, Redakteur bei der mexikanischen Tageszeitung "La Jornada" (Foto: Kristin Gebhardt)
Luís Hernandez, Redakteur bei "La Jornada"Bild: Kristin Gebhardt

Besonders gefährlich sei es dort, wo autoritäre lokale Mächte regieren, wie zum Beispiel in den Bundesstaaten Chiapas und Oaxaca, erklärt Redakteur Luís Hernandez von der mexikanischen Tageszeitung "La Jornada". "Risikoreich sind aber auch Regionen, die vom so genannten Krieg gegen die Drogenmafia gezeichnet sind. Dort müssen Journalisten sehr vorsichtig sein, wenn sie über die Kartelle oder die Verbrechen der Armee und der Polizei an der Zivilbevölkerung berichten".

Regelmäßig werden Reporter regionaler Zeitungen ermordet, die über das Treiben der Drogenbarone berichten. Seit Mexikos Präsident Felipe Calderón 2006 der Mafia den Krieg erklärt und dadurch eine Welle der Gewalt ausgelöst hat, haben auch die Angriffe auf Journalisten zugenommen. Aus Angst vor Angriffen berichten viele Medien erst gar nicht mehr über die Drogenkartelle, obwohl auf den Straßen ein blutiger Kampf tobt: Jeden Tag sterben durchschnittlich 20 Menschen, und hinter der großen Zahl von Morden verschwindet der einzelne Fall.

Sonderstaatsanwalt für Verbrechen an Journalisten

"Über all diese Toten sagt man, dass sie in Auseinandersetzungen gestorben seien. Aber es wird nicht ermittelt“, kritisiert Edgar Cortez vom Menschenrechtsnetzwerk "Todos los Derechos para todas y todos". "In keinem Fall wisse man, was passiert ist und wer die Täter sind." Übergriffe von Soldaten blieben ebenso ungesühnt wie Angriffe auf Journalisten, erklärt der Menschenrechtler. Es werde nie geklärt, ob Pressearbeiter von der Mafia ermordet oder Opfer eines politischen Angriffs wurden. Vor zwei Jahren sei zwar eine Sonderstaatsanwaltschaft für Verbrechen an Medienschaffenden eingerichtet worden, doch bislang gebe es kein einziges konkretes Ergebnis. Cortéz resümiert: "Journalisten leben immer gefährlicher."

Auch Pedro Matías weiß, dass die Straflosigkeit sein Berufsrisiko erhöht. Seit letztem Sommer ist er Stipendiat der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. Im Juni wird er nach Mexiko zurückkehren. Die Zeit in Deutschland will er nun nutzen, um auf die verheerenden Zustände in seiner Heimat aufmerksam zu machen.

Autoren: Kristin Gebhardt und Wolf-Dieter Vogel

Redaktion: Sven Töniges