Im Café St. Oberholz
Seit 2005 bietet es jungen, kreativen „Netzarbeitern“ ein Büro: das Café St. Oberholz in Berlin. Freies Internet und kein Bestellzwang lockten. Aber auch das Café muss sich dem Kostendruck unterwerfen.
Seit 2005 schon ist es das Hauptquartier der sogenannten „digitalen Bohème“, frei und selbstständig arbeitenden Menschen: das Café St. Oberholz im Herzen von Berlin. Jeden Tag sitzen hier zahlreiche junge, kreative Menschen, die versuchen, ihr Glück außerhalb von festen Arbeitszeiten und geregeltem Einkommen zu finden. Ob Start-up-Gründer oder freier Grafikdesigner: Sie alle haben ihre Laptops vor sich aufgeklappt und sind in etwas versunken sein sehr stark mit etwas beschäftigt sein tief in in etwas versunken sein sehr stark mit etwas beschäftigt sein die Arbeit versunken in etwas versunken sein sehr stark mit etwas beschäftigt sein . Unter ihnen ist auch der selbstständige Grafikdesigner Enno:
„Ich sitze manchmal hier, und manchmal zuhause, und manchmal sitz ich woanders, weil [das] bringt Abwechslung. Ich hab Menschen um mich herum, und ’n Büro hatte ich bis vor kurzem noch, hab ich aber aufgegeben, und vielleicht geb’ ich sogar auf, zuhause zu arbeiten. Spar’ mir den Internetanschluss, und dann häng ich bloß noch in den Kneipen rum.“
Das Café St. Oberholz wurde 2005 gegründet, um den Bedürfnissen der sogenannten „Netzarbeiter“ gerecht zu werden, denjenigen, die die Möglichkeiten des Internets nutzen, um unabhängig ihrer Arbeit nachzugehen. An jedem Tisch wurden Steckdosen angebracht und selbstverständlich gab es freies WLAN WLAN (n.; aus dem Englischen; nur Singular) Abkürzung für: Wireless Local Area Network, eine lokale, drahtlose Funkverbindung zum Internet , ein lokales Funknetz. Für einen heimischen Internetanschluss muss nicht gezahlt werden, man spart ihn sich, weil man sich stundenlang im St. Oberholz aufhält, dort herumhängt. Servicekräfte, die den Arbeitsprozess unterbrachen, um eine Bestellung aufzunehmen, gab es damals nicht. Entweder man brachte sich sein Essen und seine Getränke selbst mit oder holte sich etwas an der Selbstbedienungstheke. Das Café wurde zu einer kleinen Berühmtheit in Kreisen – auch ausländischer – „Netzarbeiter“. Zu ihnen gehört die Schwedin Paulin. Obwohl ihre Firma ihren Hauptsitz in Stockholm hat, arbeitet Paulin die meiste Zeit von Berlin aus:
„Meine Bedingung für den Job lautete: ‚Ich komme nicht jeden Tag ins Büro, weil ich in Berlin leben möchte.‘ Das Hauptbüro befindet sich zwar in Stockholm, aber da fahr ich nur einmal im Monat hin. Der Großteil der Kommunikation erfolgt über das Internet. Wir benutzten Skype – und ohnehin, kann ich den größten Teil meiner Arbeit per Mail erledigen.“
Dass Berlin zu einer Art europäischem Mekka Mekka (n., nur Singular) ein Pilgerort für Muslime; übertragen für: ein Ort, den viele Menschen aus einem bestimmten Grund anziehend finden für digitale Arbeiter wurde, hat aber natürlich nicht nur mit dem Café St. Oberholz zu tun. Im Gegensatz zu anderen europäischen Städten waren die Mieten hier damals sehr gering. Schon allein deshalb zog die Hauptstadt innovative Köpfe aus der ganzen Welt an. Ein Start-up gründen zu wollen, war und ist in Berlin verhältnismäßig einfach. Auch bietet die Stadt das entsprechende „Personal“, meint Jörn Hintzer, Mitgründer des Medienunternehmens Datenstrudel.de:
„Das Tolle ist halt in Berlin, man macht’s Fenster auf und schreit: ‚Wer will mitmachen?‘, und es melden sich ganz viele Leute, die total talentiert sind, so. Und es gibt total gute Leute hier. Also was halt so ’n bisschen fehlt, sind – wie in Stuttgart oder Hamburg – einfach mehr Szene, Geldgeber, große Firmen, die so ’n gesunden Nährboden einfach herstellen für ’ne Wirtschaftlichkeit.“
Im Prinzip ist Jörn Hintzer mit der Internetszene zufrieden, dem Bereich, in dem in und mit dem Internet lebende Menschen aktiv sind. Allerdings könnten es seiner Meinung nach noch mehr sein. Auch fehlen ihm große, finanzkräftige Unternehmen. Denn diese sind ein gesunder Nährboden auch für die „Netzarbeiter“, sorgen dafür, dass diese Aufträge bekommen. Denn auch für Jörn Hintzer und seinen Kollegen Jakob Hüfner war es nicht immer einfach, sich über Wasser zu halten sich über Wasser halten gerade noch genug Geld zum Leben haben , genug Geld zu verdienen, um eigene Projekte entwickeln und realisieren zu können. Um das zu gewährleisten, drehen sie unter anderem Werbefilme und unterrichten an der Bauhaus-Universität Weimar – weit weg vom Zentrum der Internetszene. Viele der Kreativen leben am Rande des Existenzminimums am Rande des Existenzminimums leben in finanziell schlechten Verhältnissen leben . Die Journalistin und Kulturwissenschaftlerin, Mercedes Bunz, nennt sie „urbane Penner“:
„Bei „urbanen Pennern“ ging’s mir halt darum zu sagen, dass ich auch so ’n bisschen sauer war, dass die Generation sich ’n bisschen zu sehr damit zufrieden gibt, in diese Ecke abgedrängt zu sein. Man muss da aufpassen, dass man nicht denkt: ‚Ich arbeite hier selbstbestimmt‘, sondern in Wirklichkeit hat man eigentlich gar keine Wahl, außer selbstbestimmt zu arbeiten. Was dann ja nicht mehr selbstbestimmt ist.“
Nach Ansicht von Mercedes Bunz verhalten sich die „Netzarbeiter“ wie Penner, Obdachlose. Sie prägte den Begriff, weil sie verärgert, sauer, darüber war, dass die „Netzarbeiter“ der Meinung sind, frei und unabhängig zu sein. Dieser Eindruck werde ihnen auch vermittelt, sie würden in diese Ecke abgedrängt. Denn eigentlich müssen die meisten von ihnen so arbeiten – und sie sind auf Plätze wie das St. Oberholz angewiesen. Doch manchmal hat ein „urbaner Penner“ Glück und kann in die Nähe des Prachtboulevards Prachtboulevard, -s (m.) eine Straße mit schönen, meist alten Häusern, teuren Geschäften o.Ä. Friedrichsstraße ziehen. Unter diesen Glücklichen war auch Christian Boris Schmidt. Mit Mitte zwanzig war er bereits Geschäftsführer bei Ecato, nur wenige Jahre später gründete er die Digitaleffects GmbH. Inzwischen arbeitet er als Online-Marketingberater für Unternehmen und bringt dort seine über Jahre gewonnenen Erfahrungen in der Szene ein. Wie Netzarbeiter arbeiten und ihr Geld verdienen, ist für Außenstehende, Freunde und Bekannte manchmal schwer nachzuvollziehen, meint er:
„Weil man nicht den ganzen Tag irgendwas konkret Produktives macht oder ’nen Bus durch die Gegend fährt oder irgendwie sowas. Sondern macht dann so irre Sachen wie E-Mails beantworten oder im Internet surfen (im Internet) surfen umgangssprachlich für: aufeinanderfolgendes Betrachten von mehreren Internetseiten (meist ohne besondere Absicht) , um sich zu informieren, um auf dem neuesten Stand zu sein. Man schreibt selbst, man bloggt wie man heutzutage sagt.“
Wie Boris Schmidt wurden auch die Gründer der Social-Media-Plattform StudiVZ bereits in jungen Jahren zu erfolgreichen Unternehmern. Das soziale Netzwerk war Mitte der 2000er Jahre eine wahre Erfolgsgeschichte. Michael Brehm, einer der Beteiligten der ersten Stunde der ersten Stunde hier: jemand, der von Anfang an mit dabei war , erinnert sich:
„Wir haben uns Anfang 2006 über ’nen Freund kennengelernt, und nachdem ich eigentlich schon immer unternehmerisch tätig sein wollte, da hab ich mich dann entschieden, da könnt ich ja mal mitmachen. Ich hatte Ende 2005 mein Studium abgeschlossen, hab dann bei ’ner Bank angefangen gehabt in Frankfurt, und hab da dann aber relativ schnell wieder gekündigt, was in meinem ganzen Freundes- und Bekanntenkreis eigentlich für ziemlich großes Unverständnis [gesorgt] hat. Die haben gesagt: ‚Wie kannst du so ’nen Job aufgeben? Und was ist das überhaupt? Und das funktioniert doch nie!, und der Name ist komisch und die Seite sieht komisch aus und würd’ ich doch niemals machen – und na ich hab’s dann trotzdem gemacht.“
Obwohl sein Vorhaben bei nahestehenden Menschen für Unverständnis sorgte, realisierte Michael Brehm seinen Traum. Und die Rechnung ging auch auf. 2007 kaufte der Holtzbrink Verlag StudiVZ für mehr als 50 Millionen Euro. Michael Brehm verlor damit zwar die Kontrolle über seine Firma, aber er hatte einen guten Zeitpunkt gewählt. Allerdings sorgten soziale Netzwerke wie Facebook für einen Rückgang der Nutzerzahlen. Mitte 2017 meldete Insolvenz an|melden öffentlich bekanntgeben, dass eine Firma kein Geld mehr verdient und zahlungsunfähig ist die Betreibergesellschaft Betreibergesellschaft, -en (f.) ein Unternehmen, das u.a. als Arbeitgeber auftritt, Arbeitsplätze und/oder Arbeitsmittel bereitstellt „Poolworks“, der StudiVZ zuletzt gehörte, Insolvenz an Insolvenz an|melden öffentlich bekanntgeben, dass eine Firma kein Geld mehr verdient und zahlungsunfähig ist . Michael Brehm und seine Kollegen von damals investieren inzwischen selbst in Start-ups oder arbeiten an neuen Ideen für Unternehmen.
Doch Internetunternehmen wie StudiVZ sind nicht die einzigen, die Probleme haben, mitzuhalten (mit jemandem) mit|halten bei einer Tätigkeit genauso gut wie eine andere Person sein . In den letzten Jahren sind die Mieten in Berlin rasant rasant sehr schnell und plötzlich gestiegen. Davon ist auch das Café St. Oberholz betroffen. Wer heute dort sein Büro aufschlägt auf|schlagen hier umgangssprachlich für: einrichten , hat zwar immer noch mehr Steckdosen als er jemals brauchen wird und Zugriff auf kostenloses WLAN. Doch ungestört bleibt man nicht mehr. Neuangestellte Servicekräfte gehen jetzt herum und erinnern die Gäste daran, dass sie etwas bestellen sollten, wenn sie noch länger bleiben wollen. „Digitale Bohémiens“ beziehungsweise „urbane Penner“, egal, wie man sie bezeichnet: Berlin werden sich viele von ihnen bald nicht mehr leisten können.
Im Café St. Oberholz
in etwas versunken sein — sehr stark mit etwas beschäftigt sein
WLAN (n.; aus dem Englischen; nur Singular) — Abkürzung für: Wireless Local Area Network, eine lokale, drahtlose Funkverbindung zum Internet
Mekka (n., nur Singular) — ein Pilgerort für Muslime; übertragen für: ein Ort, den viele Menschen aus einem bestimmten Grund anziehend finden
sich über Wasser halten — gerade noch genug Geld zum Leben haben
am Rande des Existenzminimums leben — in finanziell schlechten Verhältnissen leben
Prachtboulevard, -s (m.) — eine Straße mit schönen, meist alten Häusern, teuren Geschäften o.Ä.
der ersten Stunde — hier: jemand, der von Anfang an mit dabei war
(im Internet) surfen — umgangssprachlich für: aufeinanderfolgendes Betrachten von mehreren Internetseiten (meist ohne besondere Absicht)
Insolvenz an|melden — öffentlich bekanntgeben, dass eine Firma kein Geld mehr verdient und zahlungsunfähig ist
Betreibergesellschaft, -en (f.) — ein Unternehmen, das u.a. als Arbeitgeber auftritt, Arbeitsplätze und/oder Arbeitsmittel bereitstellt
(mit jemandem) mit|halten — bei einer Tätigkeit genauso gut wie eine andere Person sein
rasant — sehr schnell und plötzlich
auf|schlagen — hier umgangssprachlich für: einrichten