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Politik

IISS-Bericht: China als Unsicherheitsfaktor

14. Februar 2017

Bastian Giegerich vom Internationalen Institut für Strategische Studien sieht Gefahren vor allem in Asien. Für die NATO sieht er nach der Wahl von Donald Trump weniger Schwierigkeiten.

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China Liaoning Flugzeugträger bei Manöver im Südchinesichen Meer
Chinesischer Flugzeugträger beim Manöver im Südchinesischen MeerBild: Reuters

DW: Herr Giegerich, Ihr Institut hat seinen jüngsten Jahresbericht vorgelegt. Die meisten Menschen werden wahrscheinlich den Eindruck haben, dass die Welt im vergangenen Jahr unsicherer geworden ist. Ist das so?

Giegerich: Sicherheit ist natürlich immer ein sehr relatives Gefühl. Was wir aber festhalten können, sind folgende Entwicklungen: Zum einen sind die Verteidigungsausgaben weltweit ganz leicht zurückgegangen. In Asien dagegen wachsen sie stark, und das schon seit fünf Jahren. Das ist vor dem Hintergrund der dortigen Gebietsstreitigkeiten und anderer Sicherheitsrisiken durchaus besorgniserregend. Die zweite Entwicklung ist: Die Verbreitung militärischer Hochtechnologie hat besorgniserregende Züge angenommen. Hier hat vor allem China in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht und sich auch bereit gezeigt, diese Technologie zu exportieren. Daher hat mittlerweile eine große Zahl von Staaten militärische Fähigkeiten in der Hand, die bisher nur den westlichen Staaten vorenthalten waren.

Verändert der Faktor Donald Trump die Lage?

Großbritannien Bastian Giegerich International Institute for Strategic Studies
Bastian Giegerich: Bei Nordkorea hat Trump besonnen reagiertBild: James Clements

Es ist noch viel zu früh, um das sagen zu können. Aber die Sorgen, die in der Übergangsphase vorherrschten, haben sich zunächst einmal nicht bestätigt. Trump hat auf den Raketentest Nordkoreas relativ besonnen reagiert. Er hat eine Politik formuliert, wie sie auch sein Vorgänger Obama hätte formulieren können: Er hat die Bündnisbeziehungen zu Japan und Südkorea und ein Vorgehen im Rahmen der Vereinten Nationen betont. Das hat vielleicht einige überrascht, aber es bedeutet ein Element der Kontinuität.

Trump hat die NATO infrage gestellt, auch wenn er das später relativiert hat. Aber etwa die baltischen Staaten machen sich Sorgen, dass die NATO sie zur Not in einem Konflikt mit Russland opfern würde und dass damit die kollektive Verteidigung nichts wert sei. Wie sehen Sie das?

Wir sehen hier eine gewisse Pendelbewegung, bei der das Trump-Lager die ursprüngliche Formulierung teilweise wieder zurücknimmt. Die Bedrohung in den baltischen Staaten ist natürlich sehr real. Wenn wir uns die Verhältnisse der militärischen Fähigkeiten in der Region ansehen, wird klar, dass Russland, wenn es wollte, regional und zeitlich begrenzt eine konventionelle Überlegenheit herstellen könnte. Das bedeutet aber nicht, dass die Abschreckungsfähigkeit des Bündnisses infrage gestellt wäre. Abschreckungsfähigkeit ist immer eine Kombination aus Fähigkeiten, dem Willen, diese Fähigkeiten einzusetzen, und der Kommunikation, dass dieser Wille und diese Fähigkeiten auch wirklich da sind. Ich denke, dass sich die Sorge bei den Balten darauf bezieht, dass sie die politische Geschlossenheit infrage stellen. Doch wir haben in letzter Zeit gesehen, dass die Allianz durchaus in der Lage ist, geschlossen zu reagieren. Die Vornepräsenz, die in den letzten Wochen angelaufen ist, ist ein gutes Beispiel dafür, übrigens mitgetragen und mitfinanziert von den Vereinigten Staaten.

Falls Trump strategisch mit dem russischen Präsidenten Putin zusammenarbeitet, könnten dann beide zum Beispiel den Syrienkonflikt schnell beenden, unabhängig von der Frage, ob das eine wirkliche Lösung für die Region wäre?

Wenn man sich fragt, welche Deals die beiden aushandeln könnten, dann wäre zunächst einmal eine Koalition gegen den sogenannten Islamischen Staat einleuchtend, und darauf aufbauend vielleicht noch andere Elemente. Dem stehen aber einige beträchtliche Hindernisse im Weg. Aus amerikanischer Sicht ist zum Beispiel die "Arbeitsbeziehung" Moskaus mit dem Iran und der Hisbollah ein nicht zu unterschätzender Störfaktor. Trump und Putin haben auch generell beim Iran entgegengesetzte Sichtweisen. Mir leuchtet nicht direkt ein, dass dieser Deal kurz bevorsteht.

Gerät der IS zunehmend in die Defensive, oder steht seine größte Zeit erst noch bevor?

In militärischer Hinsicht sehen wir im Moment, dass er zurückgedrängt wird. Das bedeutet aber aus meiner Sicht, dass der IS beginnt, sich zu wandeln und noch direkter auf internationale Terroranschläge setzt. Und das kann durchaus für Europa in einer größeren Bedrohung enden.

Wie entwickelt sich China, wenn sich die USA als Ordnungsmacht zurückzieht?

China hat in den letzten Jahren sehr stark in seine Rüstungsfähigkeiten investiert. Der Verteidigungshaushalt ist in den vergangenen Jahren rasant angestiegen. Und wir sehen jetzt, dass China auch angefangen hat, diese Fähigkeiten mit einer Außenpolitik zu verknüpfen, die aggressiver ist als in der Vergangenheit. Somit sehen wir in der regionalen Sicherheitsordnung Asien-Pazifik in der Tat einen gewissen Faktor der Unsicherheit, auch ein Fragezeichen, wie sich die Amerikaner positionieren werden, ob sie eine weniger aktive Rolle verfolgen, die es China ermöglichen würde, in das Vakuum hineinzustoßen. 

Der Sicherheitsexperte Dr. Bastian Giegerich ist an der Erstellung des Jahresberichts "Military Balance and Strategic Survey" des Internationalen Instituts für Strategische Studien, IISS, in London beteiligt.

Die Fragen stellte Christoph Hasselbach.

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik