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Politik

"Nur im Einklang mit internationalem Recht"

Zoran Arbutina z.Z. Straßburg
13. September 2018

Die EU würde eine gemeinsame Vereinbarung von Serbien und Kosovo unterstützen, die die Prinzipien des internationalen Rechts achtet, sagt der EU-Kosovobeauftragte Igor Soltes. Einen Dominoeffekt befürchtet er nicht.

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Igor Šoltes - slowenischer Rechtsanwalt und Politiker
Bild: Wikipedia/MORS

Deutsche Welle: Das Treffen der Präsidenten von Serbien und Kosovo in Brüssel, Aleksandar Vucic und Hashim Thaci, sollte die festgefahrenen Verhandlungen zwischen beiden Ländern voranbringen. Es war sogar die Rede von einem möglichen Durchbruch. Serbien weigert sich auch zehn Jahre nach der Abspaltung des Kosovo, die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz anzuerkennen. Mehrere andere Länder - vor allem Russland - sind dabei auf der Seite Belgrads, auch fünf EU-Länder erkennen Kosovo nicht als Staat an. Nun ist das Treffen der beiden Präsidenten doch nicht zustande gekommen, die Stimmung zwischen Belgrad und Pristina ist wieder frostig. Wie konnte das passieren? 

Igor Soltes: Das müssen Sie natürlich diejenigen fragen, die sich nicht getroffen haben. Keiner hat gedacht, dass nach vielen Jahren der Suche nach einer Lösung für Kosovo dann eine Lösung über Nacht gefunden werden kann, aber es gab viele sehr ermutigende Ankündigungen, und zwar von beiden Seiten. Wir haben das immer unterstützt. Aber die Chancen sind immer noch da, denn die Gespräche müssen fortgesetzt werden - das ist wichtig für die Menschen in beiden Ländern sowie für die ganze Region.

Als Lösungsvorschlag sprach man von Grenzkorrekturen, die dann auch einen Gebietstausch beinhalten würden. Unterstützen Sie diesen Vorschlag?

Diese Idee ist sehr kontrovers. Keiner möchte Grenzänderungen befürworten, die nach ethnischen Prinzipien durchgeführt werden sollen. Deswegen haben wir betont, dass alle Gespräche, die darüber geführt werden, gleichzeitig im Einklang mit den Prinzipien des internationalen Rechts sein müssen. Nur innerhalb dieses Rahmens kann man über die Grenzveränderungen sprechen.

Grenze zwischen Kosovo und Serbien
Ein LKW mit Hilfsgütern an der serbisch-kosovarischen Grenze Bild: picture-alliance/dpa/N. Sokolov

Ist es nicht gut, wenn beide Seiten eine gemeinsame Vereinbarung finden?

Natürlich, aber diese Vereinbarung muss demokratisch legitimiert werden. Sie braucht Unterstützung - sowohl in den Parlamenten, als auch bei der Bevölkerung beider Staaten. So lange das im Einklang mit dem internationalen Recht ist, ist das die Sache beider Staaten. Allerdings ist zurzeit nicht wirklich klar, in welche Richtung Belgrad und Pristina gehen wollen.

Kritiker der Grenzverschiebung befürchten einen möglichen Dominoeffekt in der Region - Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro.

Es ist wichtig zu sehen, dass die Situation in jedem Land anders ist und jedes Problem ist ein Problem für sich. Daher kann man das, was für ein Land gilt, nicht automatisch auf ein anderes Land übertragen. Wenn es zwei Seiten gibt, die im Einklang mit den internationalen Institutionen eine Vereinbarung treffen, ist das etwas ganz anderes, als wenn das nur eine Seite will. Daher soll man das getrennt voneinander sehen.

Kann die Vereinbarung, die Griechenland und Mazedonien im sogenannten "Namensstreit" gefunden haben, ein Beispiel dafür sein?

Ja, das ist das Modell. Dieser Streit hat Mazedonien lange blockiert auf dem Weg in die EU - und nun scheint er beendet zu sein. Das ist eine sehr positive Nachricht. Wo der Wille ist, ist auch der Weg. Und die EU unterstützt das. Wenn der Wille nicht da ist, kann die EU das nicht ersetzen. Wir können Hilfe anbieten bei der Suche nach einer Lösung, wir können den Raum für den Dialog zur Verfügung stellen, aber den Weg müssen die beide Seiten schon gehen wollen.

Kann Serbien seinen Weg der europäischen Integration fortsetzen, ohne Kosovo anerkannt zu haben?

Da ist die klare Haltung der Kommission: Normalisierung der Beziehungen zu Kosovo ist eines der wichtigen Kriterien. Das ist eine Tatsache, die alle kennen. Die EU will dabei keine Lösungen aufzwingen, sondern, dass beide Seiten eine Lösung im Einklang mit dem internationalen Recht finden. Letztendlich werden Menschen in diesen Ländern mit diesen Lösungen leben müssen. Deswegen ist es am wichtigsten, dass Belgrad und Pristina wissen, wohin sie gehen wollen. Das ist auch wirtschaftlich wichtig, denn wenn Menschen keine Perspektive für sich und für ihr Land sehen, dann werden sie weiter in großer Zahl auswandern.

Igor Soltes ist ein slowenischer Rechtsanwalt und Politiker, Mitglied der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament. Seit 2017 ist er EU-Sonderbeauftragter für Kosovo und Berichterstatter des EP für dieses Land.

 

Das Interview führte Zoran Arbutina.