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"AfD stellt demokratische Werte in Frage!"

Volker Wagener31. März 2016

Die AfD spielt mit den Ängsten der Wähler und punktet so an der Urne, meint der Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler im DW-Interview. Ein Entwurf eines neuen Parteiprogramms bestätigt das.

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Symbolbild - AfD Plakat (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

DW: Eine Partei gibt sich ein Programm und wirbt dann um Wähler. Bei der AfD scheint es andersherum zu funktionieren: Sie holen sich zuerst Zuspruch an der Urne und geben sich dann ein Programm. Wieso funktioniert das?

Alexander Häusler: Das ist ein typisches Merkmal rechtspopulistischer Parteien. Sie wollen nicht in erster Linie mit sachlichen Forderungen auftreten, sondern mit Ängsten spielen. Am Anfang war es die Euro-Krise, jetzt ist es ganz zentral die Flüchtlingskrise womit politisch gespielt wird, um sie in Stimmen ummünzen zu können. Genau das tut die AfD und deswegen tut sie sich auch so schwer ein Programm zu präsentieren. Gerade die aktuelle Auseinandersetzung in der Partei um das Programm zeigt, dass es dort gar keine einheitlichen Vorstellungen gibt.

Der jetzt publik gewordene 45-seitige Entwurf zu dem Parteiprogramm der AfD ist ziemlich monothematisch, sprich islamfeindlich. "Bau und Betrieb von Moscheen" seien zu untersagen, heißt es darin unter anderem. Unsere Verfassung garantiert aber Religionsfreiheit. Gibt es schon Verbotsfantasien?

Sicherlich nicht. Die AfD steht - anders als die rechtsextremistische und klar verfassungsfeindliche NPD - eher in der Tradition anderer rechtspopulistischer Parteien - wie etwa der Bund freier Bürger, der Schill-Partei.

Aber schaut man sich den Programmentwurf an, so sieht man doch, dass zentrale demokratische Werte der Bundesrepublik dort in Frage gestellt werden. Wir finden dort etwa die Forderung nach Abkehr von einem modernen Staatsbürgerschaftsrecht, also wieder die Hinwendung zum völkischen Abstammungsprinzip. Wir finden auch deutlich eine Abkehr vom Prozess der europäischen Integration, was einher geht mit Vorstellungen von nationaler Militarisierung. Wir haben gefährliche Forderungen auch hinsichtlich der Pressefreiheit in diesem Programm. Das sind Dinge, bei denen demokratische Errungenschaften in der Bundesrepublik, die im Laufe der Jahrzehnte erarbeitet worden sind, deutlich in Frage gestellt werden.

Der Entwurf stammt vom rechtskonservativen Flügel der Partei. Ist der rein islamfeindliche Tenor dieser Parteigruppierung mehrheitsfähig in der AfD?

Wir haben auch schon in dem Ursprungsentwurf, der veröffentlicht worden ist, ähnliche Forderungen. Allerdings ist die Forderung nach einem Verbot von Moscheebauten noch einmal eine Zuspitzung und Ausdruck des Rechtsaußenflügels innerhalb der Partei, der eben immer stärker wird und gerade noch einmal starken Zuspruch bekommen hat mit Blick auf die jüngsten Landtagswahlen. Vor allem wenn man Sachsen-Anhalt betrachtet (Anmerkung d. Red.: 24,3 Prozent, zweitstärkste Partei).

Man kann eigentlich deutlich feststellen, dass nach der Abkehr von dem früheren Parteichef Lucke, die AfD einen Kurs immer weiter nach rechts genommen hat. Die Mitgliederzahlen - gerade in ostdeutschen Bundesländern - haben für die AfD zugenommen. Damit gewinnen eben auch die ostdeutschen Bundesländer und ihre Parteiführung immer mehr an Einfluss. Und die gehen immer deutlicher in Richtung Rechtsaußen.

Alexander Häusler (Foto: Quelle: Privat)
Alexander Häusler: "AfD in der Tradition rechtspopulistischer Parteien"Bild: privat

Das Grundsatzprogramm soll Ende April auf dem Stuttgarter Parteitag diskutiert und verabschiedet werden. Erwarten AfD-Wähler mehr an Politikangeboten – beispielsweise zu Wirtschafts- und Bildungsfragen - oder reicht ihnen der Slogan: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland?"

Es wird mit Sicherheit große Streitereien über den Kurs der Partei geben. In der AfD gibt es einen deutlich marktradikal, wirtschaftsliberal orientierten Flügel, der klassische Forderungen, wie zum Beispiel die Abschaffung des Arbeitslosengeldes, ins Programm geschrieben hat. Jetzt stellen wir fest, der aktuelle Entwurf ist geglättet worden. Teilweise auch entgegen des eigenen Mitgliedervotums sind dort Passagen wieder raus gestrichen worden. Etwa die Forderung nach der Schuldfrage im Scheidungsrecht.

Solche und andere Forderungen, die die Mitglieder eigentlich wollten, die wurden wieder rausgestrichen in der Hoffnung, eben nicht als all zu unsolidarische oder radikale Partei da zustehen. Das lässt Konfliktstoff für diesen Parteitag prognostizieren und man kann noch nicht genau sagen, welche Fraktion innerhalb der AfD sich nun letztendlich durchsetzen wird.

Wird Deutschland nun auch dauerhaft zu einem Land mit einem starken rechts-populistischen Wählerpotential wie in Frankreich, den Niederlanden oder Österreich? Die AfD ist inzwischen in acht Länderparlamente eingezogen.

Das ist im Moment noch nicht auszumachen. Im Moment kann die AfD sich nur selber schaden - durch ihre Konflikte und ihren innerparteilichen Machtstreit. Wir haben vor der Bundestagswahl noch eine Landtagswahl, die in Nordrhein-Westfalen, dem einwohnerstärksten Bundesland Deutschlands (Anmerkung d Red.: Mai 2017). Dort wird sich entscheiden, ob die AfD auch wirklich in einem Bundesland, das stark multikulturell geprägt ist, wirklich punkten kann. Mehr oder weniger kann das ein Gradmesser dafür werden, ob es der AfD wirklich gelingen wird, sich längerfristig in der politischen Parteieinlandschaft Deutschlands als eine Partei rechts der Union zu etablieren.

Alexander Häusler ist Sozialwissenschaftler an der Fachhochschule Düsseldorf. Er ist Mitarbeiter des Forschungsschwerpunktes Rechtsextremismus/Neonazismus.

Das Interview führte Volker Wagener