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Hundetrainer an der Leine

Peter Koppen / Oliver Glasenapp27. Juni 2015

Hundeschulen boomen in Deutschland. Immer mehr Hundebesitzer vertrauen ihre Lieblinge professionellen Ausbildern an. Das Angebot an Hundetrainern ist groß. Deren Qualifikationen sorgen aber für Streit.

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Hunde in freier Natur (Foto: DW)
Bild: DW/P. Koppen

Sechs Jahre arbeitete Kai Völker erfolgreich als Hundetrainer. Seine Kunden nannten ihn den Hundeflüsterer, weil er auch schwierige Hunde zähmte. Selbst verhaltensauffällige Hunde versöhnte der Trainer aus dem hessischen Feldatal wieder mit Frauchen oder Herrchen. Doch seit Anfang des Jahres darf Kai Völker nicht mehr ausbilden. Denn ein neuer Paragraph im Tierschutzgesetz verlangt von jedem, der "gewerbsmäßig für Dritte Hunde ausbilden oder die Ausbildung der Hunde durch den Tierhalter anleiten will", eine "Erlaubnis der zuständigen Behörde". Kein Problem, dachte sich Völker, schließlich hat er langjährige Erfahrung als Hundetrainer und ein Zertifikat des Ausbildungszentrums für Hundetrainer in Ostwestfalen-Lippe. Doch das zuständige Veterinäramt erkennt Völkers Qualifikationen nicht an. Das kommt einem Berufsverbot gleich: Ohne behördliche Erlaubnis darf Völker nicht mehr gewerblich als Hundetrainer arbeiten.

Politik will einheitliche Abschlüsse

Hundetrainer Kai Völker (Foto: DW)
Kai Völker ist Vorsitzender des Vereins Hundehalter-Nothilfe e.V.Bild: DW/P. Koppen

Die neue Erlaubnispflicht sorgt bei vielen Ausbildern für Unmut. Enrico Lombardi von der Hundeschule "Dogcoach" kann nachvollziehen, dass sich die Hundetrainer verkannt fühlen. "Die Masse an Hundetrainern hat sich in den letzten Jahren qualifizierten Ausbildungen unterzogen. Das Problem jetzt ist, dass genau diese Ausbildungsabschlüsse nicht anerkannt werden und somit viel Frust in der Basis entsteht. Weil die Leute sagen: 'Ich habe viel Geld ausgegeben, ich habe keine Förderung bekommen, ich habe Tausende von Euro in meine Ausbildung investiert und die ist jetzt nichts wert'."

Der Berliner Tierschutzbeauftragter Horst Spielmann verteidigt die neue Verordnung. Der Politik gehe es in erster Linie darum, dass jeder Hundetrainer eine offizielle Ausbildung absolviert und kein Wildwuchs entsteht. "In dieser Hinsicht ist es wie mit unseren europäischen Gesetzen. Man kann das toll finden, dass die in jedem Land anders sind. Aber was wir jetzt gemeinsam brauchen in Europa, oder in diesem Fall in Deutschland ist, dass die Standards für Hunde und wie man mit denen umgeht identisch sind." Augenzwinkernd fügt er hinzu, dass er festgestellt habe, dass es Länder gibt, "die haben ganz starke Regelungen, dazu gehört Deutschland, und andere, die haben kaum Gesetze, wie England, und da funktioniert es auch".

Hunde beschnuppern sich (Foto: DW)
Beschnuppern ja, aber nicht beißen!Bild: DW/P. Koppen

Erlaubnispflicht geht an Realität vorbei

Zunächst konnte Hundetrainer Kai Völker der neuen Erlaubnispflicht für Hundetrainer etwas Positives abgewinnen. "Es ist sinnvoll, wenn alle Trainer entsprechende Qualifikationen vorweisen können." Wer nur mal eben einen Fernkurs besucht oder sich das Wissen aus Büchern geholt hat, fällt dann schnell als Hundetrainer durch.

Doch Völker kritisiert, dass die staatliche Prüfung am eigentlichen Sinn einer Hundeausbildung vorbeiziele. "Zur Prüfung gehört ein Multiple-Choice-Test, der von den Veterinärämtern zur Abfrage des Theoriewissens eingesetzt wird – und da werden auffällig viele tiermedizinische Fragen gestellt, mit denen ein Hundetrainer eigentlich überhaupt nichts zu tun hat. Wozu muss ich wissen, ob der Hund einen Wurmfortsatz des Blinddarms hat? Wenn ich als Trainer feststelle, dass ein Hund krank ist, dann schicke ich den zum Tierarzt."

Besonders geärgert hat ihn, dass sich keiner vom Veterinäramt mal sein Training angeschaut hat. "Aufgrund der Tatsache, wie ich mit den Hunden umgehe, hätten sie ja entscheiden können." Bis zu 1000 Euro, so rechnet Völker aus, hätte er für die staatliche Erlaubnis ausgeben müssen, ohne dass seine bisherigen Qualifikationen anerkannt worden wären. Deshalb lehnt er den Test ab.

Rassehund (Foto: dpa)
Nicht nur große Hunde brauchen ErziehungBild: picture alliance/Arco Images GmbH

Hundeführerschein für alle?

Rund sieben Millionen Hunde werden in Deutschland gehalten – in jedem siebten Haushalt einer. Ob der Besitzer seinen Vierbeiner selbst erzieht oder in eine Hundeschule schickt, ist seine Sache. Es gibt keine generelle Nachweispflicht, ob der Halter seinen Hund sachgerecht behandelt und das Tier auf Kommandos wie Sitz, Platz oder Fuß hört. Ein Unding, findet Hundehalterin Claudia Rubens: "Ich sehe so viele Hunde auf der Straße, die überhaupt nicht sozialisiert sind und sich auf meinen Hund stürzen, obwohl er überhaupt nichts getan hat. Jeder Hundehalter sollte vernünftig mit seinem Tier umgehen. Man fährt ja auch nicht Auto, wenn man es nicht kann." In Teilen Deutschlands haben die Behörden mittlerweile den Hundeführerschein eingeführt, dort müssen die Halter eine Sachkundeprüfung machen.

Der Hund ist kein Demokrat

Dass Hunde eine Erziehung brauchen, setzt sich in Deutschland immer mehr durch. Mittlerweile gibt es mehr als 2300 Hundeschulen. "Wir gehen oft wandern oder ins Restaurant und nehmen die Hunde mit", sagt Hundehalter Bernd Weitzel. "Und das funktioniert nur, wenn die Hunde sozialisiert sind und einen guten Grundgehorsam erhalten haben". Verhaltensauffällig würden Hunde nur, wenn deren Halter nicht artgerecht mit ihnen umgehen. "Antiautoritäre Erziehung versteht der Hund nicht, er ist kein Demokrat", sagt Hundetrainer Enrico Lombardi. "Er braucht eine Führung, eine Orientierung, und wenn er die nicht bekommt aus missverstandener Liebe, wird er tierisch reagieren, instinktgesteuert, und ein Verhalten zeigen, das gesellschaftlich nicht angesehen ist."

Tiere im Tierheim (Foto: DW)
Diese Hunde aus dem Tierheim Marburg suchen ein zuhause.Bild: DW/P. Koppen

Dann landen Tiere bei Trainer wie Kai Völker – oder auch mal im Tierheim. Robert Neureuther ist Leiter des Tierheims in Marburg und wundert sich, dass viele Menschen sich einen Hund zulegen, ohne sich vorher Gedanken zu machen, ob das Tier zur eigenen Lebenssituation passt. Ein Hund, der viel Auslauf brauche, passe eben nicht zu einem gehfaulen Halter, so Neureuther. "Jeder Hund ist anders. Manchmal ist es einfach der falsche Hund zur falschen Zeit." Rund 75.000 Hunde werden in deutschen Tierheimen betreut. Wenn einem der Hund über den Kopf wächst, ist es für viele Halter dennoch ein schwerer Schritt, sich von seinem Tier zu trennen. "Oft werden Hunde aus wirtschaftlichen und familiären Gründen abgegeben – und dann haben die Besitzer Tränen in den Augen, wenn sie das Tier hier lassen müssen."

Schlupfloch Hundevereine

Trotz fehlender Erlaubnis arbeitet Kai Völker als Hundetrainer weiter – allerdings ehrenamtlich im Verein "Hundehalter-Nothilfe". Denn die neue Verordnung betrifft nur Trainer, die damit Geld verdienen. Ehrenamtliche Ausbilder müssen ihre Kenntnisse nicht unter Beweis stellen. Seine alten Kunden sieht Völker so immer wieder – und die sind für jeden Rat dankbar.