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Menschengerichtshof stärkt Schulpflicht

10. Januar 2019

Der Staat darf Eltern zumindest teilweise das Sorgerecht entziehen, wenn sie ihren Kindern den Schulbesuch verweigern. Eine hessische Familie hatte dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt.

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Europaeischer Gerichtshof für Menschenrechte Strassburg
Bild: picture-alliance/dpa/w.Rothermel

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg sieht die Rechte der christlichen Familie durch die kurzzeitige Unterbringung ihrer Kinder im Heim und einen teilweisen Sorgerechtsentzug nicht verletzt. Soweit keine milderen Mittel mehr griffen, seien diese Maßnahmen bei einer Kindeswohlgefährdung zulässig und stellten keine Verletzung des Menschenrechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens dar, urteilten die Richter. Die Eltern hätten weniger strenge Maßnahmen durch fehlende Kooperation mit den Behörden verhindert. Die Richter bestätigten damit den Erziehungsauftrag des Staates, den das klagende Elternpaar bestreitet.

Behörden: Kinder wachsen in "Parallelwelt" auf

Dirk Günter und Angela Petra Wunderlich verweigerten den Schulbesuch ihrer vier zwischen 1999 und 2005 geborenen Kinder aus religiösen Gründen. Sie wollten sie zuhause unterrichten. Um der Schulpflicht zu entgehen, lebten sie einige Jahre im Ausland. Nach ihrer Rückkehr 2011 blieben sie bei ihrer Haltung. Nachdem das Paar auch nach Geldbußen nicht einlenkte, wurden die Kinder 2013 wegen Kindeswohlgefährdung aus der Familie genommen und in einem Heim untergebracht, um die Schulpflicht durchzusetzen. Die Kinder würden zuhause in einer "Parallelwelt" aufwachsen, begründeten die Behörden damals den Schritt. Mit der Schulverweigerung werde verhindert, dass die Kinder sich als Teil einer sozialen Gemeinschaft verstehen.

Fragen an Dirk Wunderlich: Warum sollten Ihre Kinder nicht zur Schule gehen? (MP3)

Den Eltern wurde außerdem das Sorgerecht zum Teil entzogen. Sie durften nicht mehr über den Aufenthalt der Kinder bestimmen und deren Schulangelegenheiten regeln. Nach drei Wochen wurden die vier Geschwister wieder zurück zu ihren Eltern gebracht, da sie keine "alarmierenden" Bildungsdefizite aufwiesen. Die Eltern sahen durch den Sorgerechtsentzug und die Unterbringung im Heim ihr Menschenrecht auf Familienleben verletzt und klagten vor dem EGMR.

Urteil kann angefochten werden

Das Urteil kann innerhalb von drei Monaten angefochten werden. Kinder zuhause zu unterrichten ist in Deutschland nicht erlaubt. Schlimmstenfalls drohen bei dauerhafter Schulverweigerung auch Haftstrafen.

cvo/mak (dpa/epd)