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Annäherung

29. Juni 2010

Jahrzehntelang herrschte Funkstille zwischen China und Taiwan. Peking betrachtet bis heute die Inselrepublik als abtrünnige Provinz. Jetzt schlossen die Erzfeinde einen historischen Handelspakt.

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Chen Yunlin, Chinas Unterhändler und sein taiwanesisches Gegenüber Chiang Pin-kung nach der Unterzeichnung des handelspakts am 29.06.2010 (Foto: AP)
Historisches Abkommen: Die Unterhändler Chen Yunlin (re.) und Chiang Pin-kungBild: AP

China und Taiwan gehen weiter aufeinander zu. Nach Jahrzehnten erbitterter Feindschaft einigten sich beide Länder am Dienstag (29.06.2010) auf einen Handelspakt. In der südwestchinesischen Stadt Chongqing unterzeichneten Handelsbeauftragte beider Länder das so genannte Rahmenabkommen über Wirtschafts-Kooperation (ECFA), das Beobachter bereits im Vorfeld als historisch gewürdigt hatten. Da China und Taiwan keine formellen diplomatischen Beziehungen unterhalten, wurde der Pakt von Handelsorganisationen beider Länder vereinbart.

Das ECFA sieht die Abschaffung der Ein- und Ausfuhrzölle auf hunderte Produkte vor, die zwischen beiden Seiten gehandelt werden. Darüber hinaus garantiert das Abkommen Anbietern aus Taiwan den Zugang zu elf chinesischen Dienstleistungssektoren. Dazu zählen Banken, Versicherungen und Krankenhäuser.

Chen Yunlin, Chinas Unterhändler und sein taiwanesisches Gegenüber Chiang Pin-kung reichen sich nach der Unterzeichnung des handelspakts am 29.06.2010 die Hände(Foto: AP)
Wandel durch Handel: Da Taiwan und China keine offiziellen Beziehungen unterhalten, unterzeichneten Handelsorganisationen beider Länder den FreihandelspaktBild: AP

Proteste in Taiwan

Der Vertrag gilt als Ergebnis einer allmählichen Annäherung Taiwans unter Präsident Ma Ying-jeou an den einstigen kommunistischen Erzfeind in Peking. Nach dem Sieg der Kommunisten im Bürgerkrieg hatten sich die unterlegenen Nationalchinesen 1949 nach Taiwan zurückgezogen und dort die "Republik China" weitergeführt. Der Inselstaat ist de facto ein eigener Staat, wird aber nur von wenigen Regierungen anerkannt. Peking betrachtet Taiwan bis heute als abtrünnige Provinz.

Taiwans Präsident Ma Ying-jeou lobte die Unterzeichnung des Abkommens als einen weiteren "Schritt in Richtung Frieden und Wohlstand". Für Kritiker in Taiwans Hauptstadt ist das Handelsabkommen dagegen der erste Schritt von der staatlichen Unabhängigkeit hin zu einer chinesischen Sonderverwaltungszone nach dem Vorbild Hongkongs oder Macaos. Noch am Samstag hatten zehntausende Taiwaner gegen den Handelspakt protestiert. "Rettet Taiwan", riefen die Demonstranten auf ihrem Marsch durch Taipeh, zu dem die oppositionelle Demokratische Fortschrittspartei aufgerufen hatte.

Taiwaner investieren Milliarden

Tsai Ying-wen, Vorsitzende der taiwanesischen Oppositionspartei DPP bei einer Demonstration gegen ECFA am 20. Mai in 2010 in Taipei (Foto: AP)
"Rettet Taiwan!": DPP-Chefin Tsai Ying-wen bei einer Kundgebung im MaiBild: AP

40 Prozent der Ausfuhren Taiwans gehen nach China. Dort werden neun Prozent Zoll auf die taiwanesischen Handelsgüter erhoben. Die Konkurrenz aus Südostasien ist da schon weiter. Anfang des Jahres unterzeichnete Peking ein Freihandels-Abkommen mit dem südostasiatischen Staatenverbund ASEAN, wodurch Einfuhrzölle zum großen Teil entfallen. Auch der ECFA-Pakt entspricht einem Freihandels-Abkommen, doch wurde er nicht so genannt, weil Peking Taiwan nicht als unabhängigen Staat sieht.

Ungeachtet aller bisherigen Spannungen besteht auf einer informellen Ebene längst ein reger wirtschaftlicher Austausch. Millionen Taiwanesen verdienen inzwischen ihr Geld in China als Angestellte taiwanesischer Firmen oder Unternehmer. Schätzungsweise 70 Milliarden US-Dollar haben taiwanesische Geschäftsleute auf dem Festland investiert. Ihre Interessen werden mit dem nun geschlossenen Handelspakt erstmals vertraglich geschützt.

Autor: Sven Töniges (dpa, ap, afp)

Redaktion: Thomas Kohlmann