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"Schritt in die richtige Richtung"

Gabriel Borrud / al11. Januar 2014

In der Fußballwelt gilt Homosexualität als Tabu. Verglichen mit dem Rest Europas scheint Deutschland aber ein relativ sicheres Pflaster für schwule Spieler zu sein, sagt LGBT-Aktivist Klaus Heusslein im DW-Interview.

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Klaus Heusslein, Vizepräsident der European Gay & Lesbian Sport Federation (Foto: privat)
Bild: privat

Deutsche Welle: Das Outing des ehemaligen Nationalspielers Thomas Hitzlsperger sorgte am Mittwoch (08.01.) für großes Aufsehen in der Welt des Fußballs. Ist das Outing von Thomas Hitzlsperger das erste seiner Art?

Klaus Heusslein: Ja, wir haben so etwas noch nie zuvor gehabt. Es gab Spieler aus unterklassigen Ligen, die sich geoutet haben. Aber einen Spieler auf diesem Niveau? Nein, den hatten wir noch nicht.

Was bedeutet dieses Outing für den deutschen Fußball?

Nach der Unterzeichnung der Berliner Erklärung "Gemeinsam gegen Homophobie" vom Juli 2013 ist das ein erster wichtiger Schritt in Richtung größerer Offenheit und mehr Akzeptanz. Mit der Berliner Erklärung haben sich Minister, Vertretern einer Reihe von Erstligaclubs und der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes darauf verständigt, eine positivere Umgebung für männliche und weibliche Spieler zu schaffen, um sich zu outen.

Wir müssen nun sehen, wie Hitzlsperger von seinen Kollegen aufgenommen wird und wie die Reaktionen von den führenden Persönlichkeiten im deutschen Fußball sind. Aber ich bin mir sicher, dass es eine unmittelbare Folge der Berliner Erklärung ist. Ich persönlich schätze diesen Schritt Hitzlspergers sehr. Es ist eine großartige und mutige Entscheidung, denn sie verleiht den Bemühungen der Menschen, die sich für mehr Offenheit gegenüber Homosexualität im Sport eingesetzt haben, mehr Glaubwürdigkeit.

Wie werden Hitzlspergers Kollegen auf sein Outing reagieren?

Thomas Hitzlsperger klatscht den Fans nach einem Spiel zu (Foto: Vladimir Rys/Bongarts/Getty Images)
Vorreiter: Thomas Hitzlsperger hat sich als erster deutscher Profifußballer geoutetBild: Getty Images

Ich bin mir sicher, dass es da diejenigen geben wird, die behaupten, es schon "immer gewusst zu haben". Hitzlsperger selbst hat sich auch schon darüber geäußert, was es für einen Spieler bedeutet, sich in Deutschland zu seiner Homosexualität zu bekennen. Er sagte, es könne negative Reaktionen geben und auch, dass es das Karriereende bedeuten könne. Es gab ähnliche Aussagen vom Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Philipp Lahm, der sagte, dass homosexuelle Fußballer am besten beraten sind, ihre sexuelle Neigung zu verbergen. Homosexualität ist in diesem Bereich der Gesellschaft noch nicht willkommen.

Aber das spiegelt sicher nicht die Einstellung zum Thema Homosexualität in der gesamten deutschen Gesellschaft wider?

Nein, wir haben Minister und Bürgermeister, die sich geoutet haben. Da war es überhaupt kein Problem, ihre Homosexualität öffentlich zu machen. Wir haben die unterschiedlichsten Künstler, die sich geoutet haben - und auch da gab es keine öffentliche Diskussion. Oder in anderen Sportarten: Nehmen wir zum Beispiel Martina Navratilova, die US-amerikanische Tennisspielerin, die sich vor 20 Jahren geoutet hat und danach keinerlei Probleme erlebt hat. Es ist also mehr ein fußballspezifisches Problem.

Und auch ein geschlechtsspezifisches Problem...

Ja. In der Tat gibt es ja das umgekehrte Klischee, dass alle Fußballspielerinnen Lesben sind. Das ist natürlich nicht der Fall.

In Bezug auf die Akzeptanz, wo steht Deutschland im Vergleich zum Rest von Europa?

In Deutschland wären sie in der Lage, auf die Unterstützung ihres nationalen Fußballverbandes zählen zu können. Und je nachdem für welchen Verein sie spielen, können sie auch auf dessen Mithilfe zählen. Das zeigt, warum in Deutschland die Berliner Erklärung so wichtig war. Sie verpflichtet die Unterzeichner zur vollen Unterstützung homosexueller Spieler beim Outing. In anderen Ländern Europas gibt es meines Wissens nach keinen einzigen Ex-Nationalspieler, der seine Homosexualität öffentlich gemacht hat.

Wenn ich ein homosexueller Fußballer in Europa bin, wo kann ich mich am einfachsten outen?

Sie hätten auf jeden Fall bessere Chancen im Norden, in Skandinavien. Die sind in der Regel ziemlich tolerant. Es wäre auch in den Niederlanden und Belgien in Ordnung, vielleicht auch in Frankreich. Aber wenn wir uns in den Süden und nach Osteuropa bewegen, wird es sehr viel schwieriger. In den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens oder auch in Griechenland wäre es für einen Profispieler fast unmöglich sich zu outen.

Wie gefährlich wäre dort ein Outing?

Wahrscheinlich wäre damit keine Gefahr für Leib und Leben verbunden, aber die Karriere wäre in diesem Land dann beendet. Ich erinnere mich an die Aussagen des Präsidenten des kroatischen Fußballverbandes, Vlatko Markovic, der 2010 sagte, dass es unter seiner Präsidentschaft nie einen homosexuellen Spieler in der Nationalmannschaft Kroatiens geben wird. Als Antwort auf eine Nachfrage, ob er jemals einem homosexuellen Fußballspieler begegnet sei, sagte er: "Nein. Zum Glück wird Fußball nur von gesunden Menschen gespielt."

Der Präsident wurde von der UEFA zwar bestraft, aber das wird das Problem nicht lösen. Die Situation hat sich dort noch immer nicht verändert. Wenn ich ein homosexueller Spieler in einem solchen Land wäre, würde ich ernsthaft in Erwägung ziehen, mich zu einem Verein außerhalb Kroatiens transferieren zu lassen, bevor ich mich oute.

Was ist der Ursprung für diese Homophobie?

Ich glaube, auch hier ist das ein sehr fußballspezifisches Problem. Nehmen Sie zum Beispiel Italien, das in der Regel nicht als homophobe Nation bekannt ist: Italien zählt zu den ganz wenigen Ländern, wo es kein Gesetz gegen homophobe Gewalt gibt. Selbst in Ungarn, wo eine rechtsnationale Partei an der Regierung ist, existiert ein solches Gesetz.

Das bedeutet, dass in Italien jeder öffentlich sagen kann: "Nein, wir wollen mit dieser Person nicht zusammen arbeiten, weil sie schwul ist." Und im Fußball wäre es für einen öffentlich bekannten schwulen Spieler undenkbar, in einem hochklassigen italienischen Club zu spielen. Ich erinnere mich an eine Bemerkung des ehemaligen italienischen Nationaltrainers Marcello Lippi, der sagte: "Es gibt keine homosexuellen Fußballspieler".

Glauben Sie, dass Hitzlspergers Coming-out ein Anstoß für andere Spieler sein könnte, es ihm gleich zu tun?

Vielleicht in Deutschland, ja. In Italien ist Hitzlspergers Coming-out übrigens in allen italienischen Zeitungen, weil er für Lazio Rom gespielt hat. Es ist natürlich schwierig zu sagen, welche Auswirkungen das letztlich haben wird, aber ich bin mir sicher, dass es ein positives Beispiel und ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Klaus Heusslein ist der männliche Vizepräsident der European Gay & Lesbian Sport Federation (EGLSF), die gegen die Diskriminierung im Sport aufgrund von sexueller Orientierung kämpft und die Outings von männlichen und weiblichen Athleten in Europa unterstützt. Heusslein lebt in Mailand.