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"Hermann the German" in der Prärie

Marc von Lüpke-Schwarz5. August 2013

Stolz reckt der Cheruskerfürst sein Schwert in den Himmel über dem Teutoburger Wald. Das Denkmal erinnert daran, dass die Germanen einst die Römer in die Flucht schlugen. Kaum einer weiß: Hermann hat einen Doppelgänger.

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Das Hermannsdenkmal in Teutoburgerwald bei Detmold (Foto: Fotolia/picture-pit)
Bild: Fotolia/picture-pit

Triumphal streckt er sein Schwert gen Himmel, den anderen Arm lässig auf den Schild gestützt. So kennen die Deutschen ihren Hermann den Cherusker, der die Römer das Fürchten lehrte und als nationales Denkmal die deutsche Einheit verkörperte, lange bevor die Begriffe "Nation" und "Einheit" im Zusammenhang mit Deutschland problematisch wurden.

Doch der Reihe nach: Im Jahr 9 nach Christus vernichtete eine Koalition germanischer Stämme unter der Führung eben dieses Hermanns, oder auf Lateinisch Arminius, drei römische Legionen. Die verlorene Schlacht und der Verlust so vieler Soldaten bescherte Kaiser Augustus im fernen Rom schlaflose Nächte.

Das Denkmal steht in der Nähe der Stadt Detmold in Westfalen. Rom liegt von dort aus ziemlich genau in südlicher Richtung. Doch Hermann blickt  von seiner Anhöhe trotzig die deutsche Freiheit bewachend nach Westen. Ist das nun ein Fehler? Natürlich nicht. Denn der eigentliche Gegner war zur Zeit der Fertigstellung des Denkmals 1875 nicht das Imperium Romanum, sondern Frankreich. Und diesen Gegner hatte man gerade im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 geschlagen und dann auch noch ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles die Gründung des Deutschen Kaiserreiches proklamiert. 

In dieser Zeit nationaler Verzückung spielte historische Korrektheit keine sonderliche Rolle. So wurde aus dem Arminius, der mehr Römer war als Germane, der strahlende Held der deutschen Einheit, der Befreier Germaniens: Es war die Geburt des Mythos von Hermann dem Cherusker. Dass das alte Germanien allerdings recht wenig mit dem damaligen Kaiserreich, geschweige denn mit dem Deutschland, wie wir es heute kennen, zu tun hat, störte 1875 niemanden. Man fühlte sich bärenstark in Deutschland und das gibt die Inschrift des Schwertes wieder, die Hermann in seinen Händen hält: "Deutsche Einigkeit meine Stärke, meine Stärke Deutschlands Macht!"

Das berühmte Hermannsdenkmal steht bei Hiddesen Detmold. Das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald bei Detmold ist mit 53,46 Metern ist es die höchste Statue Deutschlands (Foto: dpa)
Das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald bei Detmold: Mit 53,46 Metern ist es die höchste Statue DeutschlandsBild: picture-alliance/dpa

Cherusker in Minnesota?

Im Jahre 1897 erhielt der westfälische Hermann Gesellschaft. Weit, weit weg im fernen Minnesota, genauer gesagt in New Ulm, blickt "Hermann the German" in die nordamerikanische Prärie. Denn ausgerechnet an diesem unwahrscheinlichen Fleck legten deutsche Auswanderer im Jahre 1888 den Grundstein für ein zweites Hermannsdenkmal.

Der Mittlere Westen der USA hat durchaus mehr deutsche Geschichte, als weithin bekannt ist. Hier siedelte sich ein großer Teil jener deutschen Auswanderer an, die im 19. Jahrhundert Deutschland auf der Suche nach einem besseren Leben verließen. Darunter befanden sich auch politische Flüchtlinge. Sie hatten Deutschland nach der gescheiterten Revolution von 1848 verlassen, als der Versuch scheiterte, die erste Demokratie auf deutschem Boden zu errichten. Um die deutsche Sprache und Kultur auch in der Fremde zu erhalten, bildete sich in New York die Vereinigung "The Order of the Sons of Hermann", oder auch "Hermannssöhne".

Die Hermannssöhne verehrten den deutschen Recken (Foto: picture-alliance)
Die Hermannssöhne verehrten den deutschen ReckenBild: picture-alliance/akg

Neben sozialen Aufgaben wie der Unterstützung bedürftiger Witwen und Waisen wollten die Gründer auch für Toleranz und Integration werben. Heute sind die Hermannssöhne übrigens eine Versicherung. Damals allerdings stießen viele Neuankömmlinge bei den Einheimischen auf Misstrauen und Abneigung.

Ein Zeichen der Verbundenheit

Julius Berndt, ein deutschstämmiger Architekt und "Hermannssohn", wollte ein besonders eindrückliches Symbol schaffen, das an die alte Heimat Deutschland erinnern sollte – zugleich aber der neuen Heimat Amerika eine Brücke sein konnte. Niemand anderen als Hermann den Cherusker wählte er hierfür aus. Nach Berndts eifrigem Werben trafen sich die "Sons of Hermann" 1888 in dem kleinen Städtchen New Ulm, benannt nach der süddeutschen Stadt Ulm, um Hermann in die Prärie zu "verpflanzen". Erst wenige Jahrzehnte zuvor hätten die deutschen Bewohner New Ulms den Beistand eines Haudegens wie den historischen Hermann gut gebrauchen können. 1862 attackierten die Sioux das Städtchen, das nur mit viel Glück vor der Zerstörung bewahrt werden konnte. Wie alle Indianerkriege resultierte auch dieser Konflikt in der Verdrängung der Ureinwohner durch die immer größer werdende Zahl der weißen Siedler – in diesem Fall auch der Deutschen.

Hermann the German in der Prärie von Minnesota (Foto: AP)
Hermann the German in der Prärie von MinnesotaBild: picture-alliance/AP

"Hermann the German", wie sein Spitzname lautet, wurde allerdings erst Jahrzehnte später, im Jahr 1897, fertiggestellt. Seitdem blickt diese etwas veränderte Version des "großen" Hermann auf die Weiten Minnesotas - und eröffnet Besuchern einen reizvollen Blick auf das Tal des Minnesota River. Mit 31 Metern ist das Denkmal übrigens um einiges kleiner als das Original, jenes misst fast 54 Meter.

New Ulm ist in den USA mittlerweile eine Berühmtheit, gerade unter Deutschstämmigen. Im Jahr 2000 wurde die Stadt zur "deutschesten Stadt" der Vereinigten Staaten gewählt. Kein Wunder, schließlich leben dort mit Oktoberfest, Christkindlmarkt und Fasching vermeintlich urdeutsche Traditionen fort.