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Hell: "Max-Planck steht Harvard in nichts nach!"

Valentin Betz10. Oktober 2014

Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell erzählt im DW-Gespräch, weshalb er in Deutschland und nicht in den USA forscht, wie seine Arbeit der Krebsforschung nutzt und warum er als Physiker im Bereich Chemie geehrt wird.

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Nobelpreis 2014 Chemie Stefan W. Hell
Bild: picture-alliance/dpa/U. Perrey

Deutsche Welle: Herzlichen Glückwunsch zum Nobelpreis 2014 für Chemie!

Stefan Hell: Dankeschön!

Wie fühlen Sie sich denn jetzt - ein paar Tage nach der Verkündung?

Ich habe mich gleich vom ersten Moment an sehr wohl und locker gefühlt. Das hat sich seitdem nicht geändert, obwohl ich jetzt schon etwas müde geworden bin, durch die vielen Interviews - die erste Nacht war kurz.

Waren Sie überrascht, dass es der Chemie- und nicht der Physiknobelpreis wurde?

Zweifellos ist das Problem und die dazugehörige Lösung primär ein physikalisches Rätsel gewesen. Wenn man allerdings auf diesem Gebiet weiterkommen will, ist die Chemie unabdingbar. Der Trick, den ich verwende, um die Auflösungsgrenze zu durchbrechen, benötigt heutzutage immer mehr Chemie. Die Moleküle, die das Mikroskop abbildet, stehen im Vordergrund. Deshalb ist es ein Preis der physikalischen Chemie.

In einem Interview hat der ebenfalls mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnete Eric Betzig von der Angst vor Veränderungen gesprochen, die mit der Auszeichnung einhergehen. Haben Sie die auch?

Ich habe keine Angst. Ich bin immer noch Herr meiner selbst. Natürlich prasselt jetzt vieles auf mich ein und es besteht die Gefahr instrumentalisiert zu werden. Aber ich kann immer noch frei entscheiden. Ich glaube, im Gegenteil, dass eine so hohe Anerkennung einem sogar mehr Freiheiten gibt und ich dadurch noch mehr Dinge machen kann, die mir wirklich Spaß machen. Ich fürchte da nichts!

Sie forschen hauptsächlich in Heidelberg und Göttingen. Warum hat es Sie nie an die großen Einrichtungen im Ausland gezogen?

Warum hätte es mich ins Ausland ziehen sollen?

Weil zum Beispiel die USA für Forscher attraktiver sind als Deutschland?

Man kann den Standort Deutschland nicht über einen Kamm scheren. Natürlich ist es an einer durchschnittlichen deutschen Universität schwieriger, Spitzenleistungen zu erbringen, weil die Voraussetzungen nicht immer gegeben sind. Doch es gibt eine Reihe sehr guter deutscher Universitäten, dort kann man dank guter Ausstattung, Möglichkeiten und Freiräume punktuell ganz hervorragend arbeiten. Solche Bedingungen gibt es auch durchweg bei der Max-Planck-Gesellschaft. Sie schneidet immer wieder ganz hervorragend ab, wenn es um wichtige Entdeckungen geht und hier finden Wissenschaftler eine Struktur vor, die sehr attraktiv und anderen Institutionen überlegen ist. Sie steht Harvard, Stanford, Oxford oder Cambridge in nichts nach!

Wie geht es nun weiter mit Ihrer Forschung? Haben Sie schon ein neues Gesetz ins Auge gefasst, dass Sie gerne aushebeln würden?

Dazu bin ich noch nicht gekommen, der Preis ist ja erst vor ein paar Tagen verliehen worden (lacht). Nein, Spaß beiseite! Es gibt noch viel zu tun auf diesem Feld.

Wir können jetzt zwar scharf sehen, aber wir wollen auch eine hohe Abbildungsgeschwindigkeit haben. Ziel ist es, die Technik weiter zu optimieren und noch mehr Molekülarten sichtbar zu machen.

Mit der Entdeckung können wir verstehen, wie eine Zelle im Inneren funktioniert. Wie sich Leben auf molekularer Skala abspielt ist jedoch beinahe vollkommen unbekannt. Was passiert, wenn Prozesse in der Zelle aus dem Gleichgewicht geraten sind und Krankheiten entstehen? Diese Entwicklung, die jetzt mit dem Nobelpreis für Chemie gewürdigt worden ist, ist nur der Anfang einer Serie von Entdeckungen, die man in den Lebenswissenschaften machen kann und die uns allen letztendlich zugutekommen. Gerade beim Verständnis und der späteren Therapie von Krankheiten.

Sie arbeiten bereits in der Krebsforschung, haben aber auch schon erste Tests mit dem HI-Virus gemacht. Wo sehen Sie hier das Potenzial für Ihr Mikroskop?

Das ist ja das schöne an Grundlagenforschung: Es sind Anwendungen in vielen Bereichen denkbar. Natürlich ist die Krebsforschung ein Teil davon. Wir haben dank der hohen Auflösung des neuen Mikroskops bereits interessante Aspekte der Reifung des HI-Virus verstehen können. Influenza und neurodegenerative Erkrankungen sind weitere Anwendungsbereiche. Die Beobachtung lebender Zellen ermöglicht grundlegende Einblicke in die Physiologie von Krankheitsprozessen.

Stefan W. Hell wurde zusammen mit Eric Betzig und William E. Moerner mit dem Nobelpreis für Chemie 2014 ausgezeichnet. Hell ist Direktor der Abteilung "Nanobiophotonik" am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen und Leiter der Abteilung "Optische Nanoskopie" am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.

Das Gespräch führte Valentin Betz