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Hautkrebs durch Viren?

30. September 2011

Viren können Gebärmutterhalskrebs auslösen – das ist sicher. Jetzt vermuten Forscher, dass Viren auch bei der Entstehung von Hautkrebs mitwirken. Der Nachweis gestaltet sich allerdings äußerst schwierig.

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Humane Papillomviren (Foto: Deutsches Krebsforschungszentrum)
Humane PapillomvirenBild: dapd

Lutz Gissmann, Virologe am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, ist sehr vorsichtig: Er spricht von "unserer Hypothese", von "dicken Wenns" und von "vielen Bausteinen, die noch fehlen". Aber trotzdem erhärtet sich allmählich der Verdacht, dass Papillomviren eine bestimmte Art von Hautkrebs auslösen können - allerdings nicht alleine, sondern nur in Zusammenarbeit mit Sonnenstrahlung.

Es geht dabei um den weißen Hautkrebs, eine sehr häufige Krebsart, bei der sich trotz des widersprüchlichen Namens braune Tumoren auf der Haut bilden. Laut Deutscher Krebshilfe erkranken in Deutschland jedes Jahr etwa 171.000 Menschen. In Ländern mit intensiver Sonneneinstrahlung wie Australien ist die Rate noch um einiges höher.

Sonne und Virus kooperieren

Eine Frau liegt in der Sonne (Foto: www.BilderBox.com)
Auch UV-Licht löst weißen Hautkrebs aus.Bild: bilderbox

Die Viren, die unter Verdacht stehen, am weißen Hautkrebs beteiligt zu sein, heißen Beta-Papillomviren und sind nahe Verwandte derjenigen Viren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen.

Lutz Gissmann und seine Kollegen haben die Wirkung der verdächtigen Viren im Tierversuch überprüft: Sie haben Mäuse gezüchtet, welche in ihrem Erbgut auch die vermeintlich krebsauslösenden Gene des Beta-Papillomvirus enthielten. Die Forscher drehten es so, dass die Virus-Gene nur in der Haut der Mäuse aktiv waren.

Zunächst einmal passierte nichts, erzählt Gissmann, "aber als wir die Mäuse zusätzlich regelmäßig mit UV-Licht bestrahlten, entwickelten sich an den bestrahlten Stellen zunächst die Vorstufen von Hautkrebs und dann richtig manifester Hautkrebs." Tiere, die keiner UV-Strahlung ausgesetzt waren, erkrankten nicht. Auch Kontrollmäuse, welche kein Viruserbgut enthielten, blieben trotz Bestrahlung von Tumoren verschont.

Die Ergebnisse der Wissenschaftler weisen also wirklich auf eine Zusammenarbeit hin: Das Virus bringt vermutlich die Krebserkrankung in Gang, indem sich unter seiner Einwirkung Hautzellen bilden, die für UV-Licht besonders empfindlich sind. Gissmann nimmt an, dass sich der Prozess dann irgendwann verselbstständigt: "Ab dann sind Papillomviren nicht mehr notwendig - das UV-Licht wirkt munter ein, und die durch das Virus vorgeschädigten Zellen wachsen zum Tumor aus." Der Virologe vermutet, dass der Tumor ohne die Viren eventuell gar nicht oder aber sehr viel später entstehen würde. "Das ist aber alles noch Spekulation."

Ganz anders als beim Gebärmutterhalskrebs

Man kann zumindest davon ausgehen, dass der weiße Hautkrebs nach einem ganz anderen Mechanismus als der Gebärmutterhalskrebs entsteht. Dort findet man in allen Tumorzellen das Erbgut der Viren – das Virus hält den Tumor also am Wuchern. Auch beim Hautkrebs haben die Forscher nach Virus-DNA in den Tumorzellen gesucht – allerdings vergeblich.

"Beim Gebärmutterhalskrebs war die ganze Beweisführung sehr viel einfacher im Vergleich zur jetzigen Situation", sagt Lutz Gissmann, der damals gemeinsam mit Harald zur Hausen den Gebärmutterhalskrebs genauer erforscht hat. Harald zur Hausen erhielt im Jahr 2008 für seine Arbeit den Nobelpreis für Medizin.

Papillomviren können auch andere Krebsarten auslösen: an Penis, äußeren weiblichen Geschlechtsorganen oder am After, aber auch am Zungenboden. Auch bei Speiseröhrenkrebs und Lungentumoren gibt es den Verdacht, dass Viren mit im Spiel sein könnten.

Hoffnung Impfung?

Lutz Gissmann vom DKFZ (Foto: DKFZ / Tobias Schwerdt)
Lutz Gissmann erforscht den Zusammenhang zwischen Viren und KrebsBild: DKFZ/T. Schwerdt

Gegen die Viren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen, gibt es inzwischen eine Impfung. Theoretisch, sagt Lutz Gissmann, sei das für den weißen Hautkrebs ebenfalls möglich – "vorausgesetzt unsere Hypothese ist richtig." Allerdings liege das noch in weiter Zukunft. "Ich bin nicht so optimistisch, dass wir in den nächsten zehn, zwanzig Jahren an einer Impfung arbeiten können", befürchtet er.

"Denn man muss zunächst eine Pharmafirma überzeugen, dass es sich lohnt, in dieses Vorhaben Geld zu investieren – und wenn ich überlege, wie schwer das schon bei Gebärmutterhalskrebs war, wo die Daten eigentlich glasklar waren, dann bin ich da skeptisch."

Stattdessen planen die Forscher zunächst einmal, den Mechanismus der Hautkrebsentstehung genauer zu untersuchen: Sie haben bereits Mäuse gezüchtet, die das Viruserbgut enthalten, bei denen sich die Genaktivität aber nach einer gewissen Zeit abschalten lässt – so als wäre das Virus gar nicht mehr da. " Wenn unsere Hypothese richtig ist, müssten die Tumoren auch nach dem Abschalten der Genaktivität entstehen, weil das Virus nicht mehr gebraucht wird", vermutet der Forscher. "Als Kontrolle nehmen wir einen Papillomvirus, der Gebärmutterhalskrebs auslöst: Wenn wir da die Virusaktivität abdrehen, müssten die Tumoren aufhören zu wachsen." Oder eben gar nicht erst entstehen.

Aber auch das sei dann noch kein endgültiger Beweis, dass Papillomviren beim Menschen den weißen Hautkrebs auslösen, sagt Gissmann. Im Grunde genommen gebe es dafür nur eine Möglichkeit: Eine Impfung, die gegen das Virus vorgeht und dann tatsächlich die Neuerkrankungsrate des weißen Hautkrebs senkt. Denn Tierversuche alleine bieten laut Gissmann keine Gewissheit: "Eine Maus ist eben eine Maus, und ein Mensch ist ein Mensch."

Autorin: Brigitte Osterath
Redaktion: Judith Hartl