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Ist Rosberg Titelkandidat?

Andreas Sten-Ziemons18. April 2016

Nico Rosberg führt nach seinem perfekten Saisonauftakt die WM-Wertung der Formel 1 souverän an. Einiges scheint sich geändert zu haben. Während der Deutsche über allem schwebt, stehen die Jäger unter Zugzwang.

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Nico Rosberg im Auto in der Box (Foto: Clive Mason/Getty Images)
Bild: Getty Images/C. Mason

Im Grunde ist die Formel-1-Saison bereits nach drei Grands Prix entschieden. Schließlich war es bisher immer so, dass derjenige, der die ersten drei Rennen der Saison gewinnt, am Ende auch Weltmeister wird. Mercedes-Pilot Nico Rosberg hat dieses Kunststück geschafft. In Shanghai war er genau wie vorher in Melbourne und Bahrain der Schnellste. Konstanz und Einstellung scheinen zu stimmen - aber kann der 30-Jährige sich seinen Traum vom WM-Titel in diesem Jahr tatsächlich erfüllen?

Die Psyche: Rosberg wirkt mental stark und gelassen. Attacken auf der Rennstrecke scheinen ihm momentan genauso wenig auszumachen, wie die seines Teamkollegen Lewis Hamilton abseits der Piste. Früher reagierte Rosberg oft dünnhäutig und beantwortete Frotzeleien seines "Lieblingsfeindes" mit ungestümen Attacken auf der Strecke, die meist aber nicht zum Erfolg führten. Momentan ist Rosberg im "Flow". Offenbar hat er gelernt, Störfaktoren besser auszublenden als in den vergangenen Jahren. Er scheint begriffen zu haben, dass es letztlich vor allem an ihm selbst liegt, ob er Erfolg hat oder nicht. Vielleicht hat auch die Geburt seiner Tochter im vergangenen Jahr für eine gewisse Lockerheit gesorgt. Rosberg hat möglicherweise erkannt, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt, als Rennen zu gewinnen und Weltmeister zu werden. Diese Erkenntnis hilft ihm nun offenbar paradoxerweise dabei, erfolgreich zu sein. Rosberg hat die WM nun erst einmal unter Kontrolle. Der Druck liegt bei den Jägern, nicht bei ihm selbst - auch das spielt Rosberg in die Karten.

Das Auto: Was die Hardware angeht, muss sich Nico Rosberg keine Sorgen machen. Der Silberpfeil ist nach wie vor das beste Auto des Feldes. Der Ferrari ist zwar näher herangekommen, ist aber immer noch nicht in der Lage, die Mercedes im Rennen um den Titel ernsthaft anzugreifen. Zwar wird es mit Sicherheit - so wie in Bahrain bei Hamiltons Boliden - den einen oder anderen Defekt geben. Vor denen ist Ferrari aber, siehe Sebastian Vettels Ausfall in der Einführungsrunde von Bahrain, auch nicht gefeit. Insgesamt und über die lange Saison mit 21 Rennen hinweg betrachtet, ist der Mercedes konkurrenzlos.

Sein Gegner: Einziger echter Gegner Rosbergs scheint daher Hamilton zu sein. Doch seit der seinen dritten WM-Titel 2015 im vergangenen Oktober unter Dach und Fach brachte, ist beim Briten ein wenig die Luft raus. Er beschäftigte sich lieber erst mal mit anderen Dingen als der neuen Formel-1-Saison: In der Winterpause frönte Hamilton dem Party- und Jetset-Leben, traf - wie er auf Twitter dokumentierte - Showgrößen wie Naomi Campbell, Elton John und Paul McCartney, trieb sich auf Filmpremieren und Modenschauen herum.

Zurück auf der Strecke kam dann jede Menge Pech dazu. In Melbourne verschlief er den Start und fiel weit zurück. In Bahrain crashte er in der ersten Kurve, in Shanghai musste er wegen technischer Probleme in der Qualifikation von ganz hinten starten. Dafür konnte der Brite nichts. Außergewöhnlich ist allerdings, dass Hamilton in Melbourne und Bahrain von der Pole Position ins Rennen ging und dennoch nicht gewann.

Fazit: Rosberg dominiert, profitiert dabei aber momentan nicht nur von der eigenen Stärke, sondern auch von Schwächen und Problemen seiner Konkurrenten. Gelingt es ihm, den "Flow" der ersten Rennen möglichst lange zu konservieren, könnte er später in der Saison von dem erarbeiteten Vorsprung zehren. Doch Hamilton wird nicht ewig Fehler machen und Pech haben. Der Brite ist ehrgeizig genug, den Teamkollegen anzugreifen und nach dem vierten WM-Titel zu streben. Auch bei Ferrari ist noch Luft nach oben. Schon öfter ist es vorgekommen, dass Rennställe durch technische Weiterentwicklungen während der Saison, Boden gut machen konnten. Rosberg sollte gewarnt sein, denn Krisen und Rückschläge werden kommen. Und erst dann wird sich zeigen, ob er tatsächlich das Zeug zum Titel hat.