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Hartz-IV-Urteil mit noch ungewissem Ausgang

9. Februar 2010

Das als große deutsche Sozialreform geltende Hartz-IV-System muss höchstrichterlich verordnet für Millionen Kinder und Erwachsene neu berechnet werden. Ob und wieviel mehr auf dem Konto landet, bleibt vorerst offen.

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Ein Junge schaukelt vor einem Wohnblock (Foto: AP)
Kinder in bedürftigen Haushalten können auf höhere staatliche Leistungen hoffenBild: AP

Nach dem Urteil der Verfassungsrichter in Karlsruhe vom Dienstag (09.02.2010) muss die künftige Berechnung der staatlichen Hilfe für Langzeitarbeitslose und ihre Familien nach dem tatsächlichen Bedarf und nachvollziehbar erfolgen. Da zurzeit bereits die Grundlage bei den Regelsätzen für Erwachsene nicht stimme, schleppe sich dieser Fehler bis zur Berechnung der Kinder-Sätze durch. Dies sei mit dem im Grundgesetz verankerten Prinzip des Sozialstaates nicht vereinbar, hieß es in der eineinhalbstündigen Urteilsbegründung.

Die Richter vor der Urteilverkündung (Foto: AP)
Kippten Hartz IV: Die Richter des Ersten Senats beim Karlsruher VerfassungerichtBild: AP


Das Gericht beanstandete bei aller Kritik nicht die aktuelle Höhe der Regelsätze. Dennoch dürfen die rund 1,7 Millionen Kinder unter den mehr als 6,5 Millionen Empfängern von Hartz-IV-Leistungen auf Besserstellung hoffen. "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen", rügten die Richter. Ausgaben für Bildung, Internet, Kino, Theater oder Sportverein seien bislang ausgeklammert. Für Minderjährige sind zurzeit je nach Alter 60 bis 80 Prozent des Erwachsenen-Regelsatzes von 359 Euro vorgesehen.

"Schallende Ohrfeige" für die Politik

Ministerin von der Leyen (Foto: AP)
Hält kostenlose Schulranzen und Füller für denkbar: Arbeitsministerin von der LeyenBild: AP

Das Gericht forderte den Gesetzgeber zu einer Reform bis zum 31. Dezember auf. Erfolgreich geklagt haben damit drei Familien aus Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Bis zur Änderung bleibt die bisherige Regelung gültig. Sozialverbände, Gewerkschaften und Opposition sprachen von einer "schallenden Ohrfeige" für die Politik. CDU-Arbeitsministerin Ursula von der Leyen versprach, die bislang vernachlässigten Bereiche von Bildung und Schulbedarf bei der Reform in den Vordergrund zu rücken. Dabei seien auch Geld- und Sachleistungen denkbar.

FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger erwartet finanziell "überschaubare Folgen" durch das Urteil. Geplante Steuerentlastungen der Regierungskoalition seien dadurch nicht gefährdet, behauptete sie. Aus Sicht von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast laufen die erwartenden Mehrausgaben dagegen auf den Verzicht teurer FDP-Pläne hinaus. Für die SPD ist mit dem Urteil auch die Mindestlohn-Debatte neu eröffnet. Es könne nicht sein, dass jemand ohne Arbeit mehr Geld erhalte als jemand, der den ganzen Tag einer Arbeit nachgehe, sagte etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann.

Ein Mann protestiert am 09.02.2010 vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Foto: AP)
Demonstranten fordern mehr Geld für Kinder von sozialschwachen FamilienBild: AP


Spontane Demonstrationen in 50 Städten

Dessen ungeachtet feierten Arbeitsloseninitiativen das Hartz-IV-Urteil aus Karlsruhe als Erfolg. Spontane Demonstrationen fanden nach ihren Angaben in mehr als 50 deutschen Städten statt, darunter in Berlin, Hamburg und Leipzig. Gemeinsames Motto: "500 Euro jetzt!"

Autor: Gerd Winkelmann (dpa, rtr, ap, afp)
Redaktion: Ursula Kissel