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Politik

"Merkel schützt die Stabilität des (West-)Balkans"

Ivan Djerkovic | Bahri Cani
10. Mai 2019

Der kosovarische Premier Ramush Haradinaj unterstreicht im DW-Interview, dass er Grenzkorrekturen für die Lösung der Kosovo-Frage ablehnt. Die Zölle gegenüber Serbien will er nicht aufheben.

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Ramush Haradinaj DW-Interview
Bild: DW

DW: Im Vorfeld des Berliner Westbalkan-Gipfels am 29. April wurde viel über mögliche Grenzänderungen im Rahmen einer Lösung der Kosovo-Frage spekuliert. War das ein Thema in Berlin?

Ramush Haradinaj: Dort dominierte die Notwendigkeit eines Abkommens zwischen Kosovo und Serbien, aber auch, dass keine Schritte unternommen werden sollten, die die Stabilität auf dem Westbalkan in Gefahr bringen. Damit ist gemeint: Diskussionen über Territorien, Grenzen und überhaupt Lösungen, die die Stabilität der Region gefährden würden, sollten unterlassen werden. Alle Beteiligten haben bestätigt, dass diese Stabilität gefährdet wird, falls das Thema Grenzen weiterhin in der Diskussion bleibt. Ich glaube, es wird nun keine Diskussionen mehr über Grenzkorrekturen geben. 

Das Thema Grenzänderungen ist also mit dem Berliner Gipfel endgültig vom Tisch?

Meiner Meinung nach ja. Auf dem Balkan gibt es kein Volk, das nicht noch eine andere Landkarte als die derzeitige vor Augen hat. Niemand ist zufrieden mit den aktuellen Grenzen. Ich versichere ihnen: Diskussionen über Grenzveränderungen würden uns in die Tragödien der Vergangenheit zurückführen. 

Bundeskanzlerin Merkel hatte den Gipfel zusammen mit dem französischen Präsidenten Macron einberufen. Heißt das, das Deutschland von nun an bei der Lösung der Kosovo-Frage eine führende Rolle einnimmt?

Es ist sehr wichtig, dass Deutschland seine klare und unmissverständliche Ablehnung von Grenzänderungen und den Austausch von Territorien gezeigt hat. Ich denke, damit hat Angela Merkel die Stabilität des Balkans und die Investition, die Europäischen Union seit den 1990er Jahren dort getätigt hat, geschützt. Und, dass sie damit Fortschritte ermöglicht hat.

Der Berliner Gipfel ist vorbei, ein neuer in Paris steht bevor. Was kann man bis dort erwarten, was vom nächsten Gipfel selbst?

Es ist wichtig, dass man in Berlin für Klarheit darüber sorgte, dass die Vereinbarung über die Anerkennung Kosovos durch Serbien nicht durch Diskussionen über Territorien und Grenzveränderungen erreicht werden kann, denn das würde uns in die tragische Vergangenheit zurück führen. Wenn es jetzt den politischen Willen dazu gibt, ist es auch möglich, eine Vereinbarung über die Anerkennung zu erzielen. In Paris werden wir wahrscheinlich die Elemente einer möglichen entsprechenden Vereinbarung diskutieren. 

Sie bekommen Kritik von allen Seiten für eine drastische Maßnahme: hundert Prozent Zoll auf serbische Produkte. Auch beim Berliner Gipfel wurde die Forderung nach einer Aufhebung dieser Zölle vorgebracht, nicht nur von den Gastgebern, sondern auch von Kosovos Präsident Hashim Thaçi und Albaniens Premier Edi Rama. Wie wurde das Thema dort diskutiert? 

Sowohl Kanzlerin Merkel als auch Präsident Macron haben gefordert, diese Zölle aufzuheben. ich habe in verschiedenen Diskussionen erklärt, dass ich als Regierungschef fast jeden zweiten Tag an Gedenkveranstaltungen für die Opfer der Massaker vor und während des Kosovo-Krieges 1999 teilnehme. Ich treffe Familienangehörige von immer noch vermissten Personen. Und es ist schwer für mich, von Serbiens Präsident Aleksandar Vučić Bedingungen für den Dialog zu akzeptieren. Wir haben keine Bedingungen gestellt. Und ich komme als Premierminister des Landes, das Opfer ist, ohne Bedingungen an den Verhandlungstisch. Ich denke, dass es dafür Verständnis gab von Kanzlerin Merkel und Präsident Macron. Ich denke, es ist nicht gut, Bedingungen für den Dialog zu stellen.  

Ihr Partner im Dialog mit Serbien ist vor allem Präsident Vučić. Gibt es auf der politischen Bühne Serbiens vielleicht jemanden, mit dem Sie lieber verhandeln würden?

Diese Wahl habe ich nicht. Das entscheidet das serbische Volk, und ich respektiere diese Entscheidung. Hoffentlich werden diejenigen, die das serbische Volk repräsentieren, den Mut haben, nach vorne zu blicken und nicht nur eigene Interesse zu betrachten. Jemand muss ja diesen Mut haben und die Realität anerkennen. Uns gibt es, Kosovo gibt es, es ist ein unabhängiger und souveräner Staat. Für Serbien ist es auch wichtig, dies zu verstehen - je früher, desto besser.

Dieses Interview wurde aus zweier Interviews zusammengefasst, die Kosovo-Premier Ramush Haradinaj der Deutschen Welle auf Albanisch und Serbisch gegeben hat. Die Interviews führten: Ivan Djerkovic (DW-Serbisch) und Bahri Cani (DW-Albanisch).