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Politik

Besatzer, Lebensretter, tragischer Held

Jannis Papadimitriou
10. November 2017

1943 wird ein deutscher Militärarzt auf die besetzte griechische Insel Milos versetzt. Er versorgt auch die Einwohner, rettet Menschenleben. Nun wird seine Geschichte zur Inspiration für ein Theaterstück.

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Dr. Hans Löber und sein Sohn Dr. Hans Georg Löber
Dr. Hans Löber (links) - rechts sein Sohn Dr. Hans Georg LöberBild: Dr. Hans Georg Löber

Was war damals passiert? Kostas Barbantonakis kann sich kaum daran erinnern. Er weiß nur, dass der deutsche Militärarzt Hans Löber ihm das Leben gerettet hat. Kostas' Mutter hatte ihm die Geschichte wie folgt geschildert: Gerade drei Jahre alt war der Kapitänssohn aus Milos, als er an der Gewebskrankheit-Gangrän erkrankte. Die Ärzte vor Ort wollten ihm das Bein amputieren, was ein Kleinkind auf einer gottverlassenen Insel im Kriegsjahr 1944 wohl nicht überlebt hätte.

Der deutsche Marinestabsarzt Löber erkundigte sich nach Kostas, nachdem er dessen Mutter zufällig weinen hörte. Daraufhin übernahm er die Behandlung des Jungen - mit erstaunlichem Erfolg. "Ich musste mich einer schweren Operation unterziehen und irgendwann bekam ich auch Antibiotika, die im besetzten Griechenland eigentlich nicht verfügbar waren", berichtet Barbantonakis im Gespräch mit der DW. Wenige Wochen nach der Operation war der Inseljunge wieder zu Kräften gekommen.

Mehr als 200 Griechen konnte Hans Löber in den Jahren 1943 und 1944 auf Milos erfolgreich operieren. In seinen Befehlen war dieser Einsatz nicht vorgesehen und vermutlich nicht einmal erwünscht. Denn letzten Endes gehörte auch ein mitfühlender Militärarzt aus Deutschland zu den Besatzern. Kostas' Mutter konnte sich beim Lebensretter ihres Sohnes nicht einmal bedanken - aus Angst um ihren Mann, der auf Milos im Widerstand aktiv war.

Griechenland Theatervorstellung in Athen
Kostas Barbantonakis aus Milos verdankt Hans Löber sein LebenBild: DW/J. Papadimitriou

Dabei war der "gute Arzt aus Deutschland" von den Inselbewohnern freundlich aufgenommen worden. In mehreren Briefen an seine Familie hatte er über die Naturschönheiten und die netten Menschen von Milos berichtet. Doch im Wirrwarr des Krieges fand sein Leben ein tragisches Ende: Im Dezember 1944 wurde Hans Löber von einem griechischen Sonderkommando getötet, das vermutlich von der Nachbarinsel Kimolos aus operierte. 

Zeitlos und bühnenreif

Lange Zeit blieb seine Geschichte unbekannt. Doch nun scheint die Zeit reif, um Erinnerungen freizusetzen und Gefühle zu reflektieren. Vor drei Jahren hatte die Familie von Hans Löber private Briefe zur Veröffentlichung freigegeben, die daraufhin in Buchform auf Deutsch und Griechisch erschienen. Sie haben viele Menschen bewegt und wurden zur Inspiration für das Theaterstück "HANS", das an diesem Freitag (10.11.) erstmals in Athen aufgeführt wird. Der Bühnentext stammt von Jürgen Himmelsbach, die griechische Übersetzung von Elena Pallantza. Regie führt die Deutsch-Griechin Elissavet Hasse. Eine Fiktion, die allerdings auf wahren Gegebenheiten basiert.

Die typisch graue, schmucklose Athener Bühne liefert den passenden Rahmen für eine Geschichte, die universell ist und sich überall abspielen könnte. Das Stück gehe über das Biographische hinaus, erläutert Autor Himmelsbach. "Wir zeigen den Arzt, wie wir ihn uns in der heutigen Zeit vorstellen", sagt Regisseurin Hasse der DW. Und sie fügt hinzu: "Er möchte sich weiterbilden, experimentieren, neue Wege finden. Auf jeden Fall ein Mensch, der seinen Beruf sehr ernst nimmt." Was allerdings nicht bedeutet, dass er in erster Linie von Ehrgeiz getrieben wird.

Griechenland Theatervorstellung in Athen
HANS - eine Geschichte, die universell ist und sich überall abspielen könnteBild: DW/J. Papadimitriou

Hauptdarsteller Martin Bretschneider sieht den mitfühlenden Arzt auf einer Gratwanderung, die aus schauspielerischer Sicht besonders spannend ist: "Er versucht Gutes zu tun, arbeitet aber in einem System, das verbrecherisch ist." Bühnenautor Himmelsbach will unterstellen, dass der Mediziner "Konflikte mit sich gehabt hat". Ansonsten hätte man ein doch sehr eindimensionales Bild von "bösen, ausführenden, exekutiven Robotern", gibt er zu bedenken. Und das sei keine fruchtbare Quelle zur Auseinandersetzung mit einem derart komplexen Material wie dem Nationalsozialismus.

Unbeantwortet bleibt allerdings die Frage, ob der Protagonist ein Held oder eher ein Anti-Held ist. Jeder Zuschauer werde die Möglichkeit bekommen, sich hier sein Urteil zu bilden, meint Himmelsbach. Für die griechische Hauptdarstellerin Evtyxia Livaniou steht die Antwort bereits fest: "Jeder von uns kann ein Held sein, wenn er gegen die eigenen Ängste kämpft. Dazu bietet der Alltag reichlich Gelegenheiten."  

Spannendes deutsch-griechisches Projekt

Drei Schauspieler und neun Tänzer bilden das Theater-Ensemble in Athen. Erste Proben fanden in Köln statt. Für Livaniou nicht zuletzt ein spannendes multikulturelles Projekt. "Ich spreche zwar kein Deutsch, aber nach ein paar Wochen konnte ich den Rhythmus der Worte, die eingelegten Sprechpausen und die mit der Sprache verbundenen Gefühle viel besser verstehen", meint die Schauspielerin.

Griechenland Theatervorstellung in Athen
Deutsch-griechisches Ensemble (von links): Evtyxia Livaniou, Martin Bretschneider, Jannis Nikolaou Bild: DW/J. Papadimitriou

Ihr deutscher Kollege Martin Bretschneider hat für die Hauptrolle im "HANS" extra Griechisch-Unterricht genommen. Die Regisseurin agiert in beiden Sprachen, im Zweifel kommt Englisch hinzu. Sie hoffe ganz stark, dass "HANS" demnächst auch in Berlin aufgeführt wird, sagt Elissavet Hasse. Aber zunächst geht es erst einmal darum, das griechische Publikum zu begeistern.

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