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Politik

Maaßen: Neue Vorwürfe werfen Fragen auf

13. September 2018

Ein AfD-Politiker will vom Geheimdienst-Chef vertrauliche Informationen erhalten haben. Das Dementi folgt prompt. Was ist dran an den Vorwürfen? Welche Motive stecken dahinter? Ein Erklärungsversuch von Marcel Fürstenau.

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Hans-Georg Maaßen
Bild: picture-alliance/dpa/O. Dietze

Am kommenden Dienstag könnte die Dienstzeit Hans-Georg Maaßens nach sechs Jahren abrupt enden. Dann wollen die Parteichefs der großen Koalition ihr Gespräch über die Zukunft des umstrittenen Verfassungsschutz-Präsidenten fortsetzen. Am Donnerstagnachmittag traf sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit SPD-Chefin Andrea Nahles und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer zu einem ersten Meinungsaustausch. Über den Inhalt wurde nichts bekannt.   

Zuvor hatten sich die Ereignisse überschlagen. Am Mittwochabend sprach Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dem umstrittenen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, sein Vertrauen aus. Am Morgen danach meldete das ARD-Fernsehen, ein Politiker der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) habe vom BfV-Chef im Juni damals noch unveröffentlichte Zahlen aus dem Verfassungsschutzbericht erhalten.

"Wir haben uns da über verschiedene Zahlen unterhalten"

Für Maaßen hätte es keinen schlechteren Zeitpunkt für eine derart skandalumwitterte Nachricht geben können, für seine größten Kritiker und Gegner keinen besseren. Bis in den späten Abend hinein hatte Maaßen am Mittwoch dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) und dem Innenausschuss des Bundestages Rede und Antwort gestanden. Dabei ging es um seine Mutmaßungen über ein womöglich gefälschtes Gewalt-Video von den rechten Ausschreitungen in Chemnitz. Belege für seine These blieb er schuldig.

Weil sich sein Dienstherr Seehofer trotzdem weiter hinter ihn stellte, durfte Maaßen eine Nacht lang davon träumen, dass die gegen ihn gerichteten Rücktrittsforderungen verstummen würden. Nun aber sind sie lauter und zahlreicher denn je - wegen Äußerungen des AfD-Abgeordneten Stephan Brandner über ein Treffen mit dem Präsidenten des Inlandsgeheimdienstes. Das soll rund fünf Wochen vor der Veröffentlichung des aktuellen Verfassungsschutzberichtes im Juli stattgefunden haben. "Wir haben uns da über verschiedene Zahlen unterhalten, die da drinstehen", zitiert ihn nun die TV-Sendung "Kontraste".

Landtag Thüringen Stephan Brandner AfD-Landtagsabgeordneter
AfD-Politiker Stephan Brandner hat nach eigenen Angaben etwa eine Stunde mit BfV-Chef Hans-Georg Maaßen gesprochenBild: picture-alliance/dpa/B. Schackow

Ein Dementi des Verfassungsschutzes über ein Treffen mit Brandner gibt es nicht, also wird es wohl stattgefunden haben. Es wäre eines von 196 mit Politikern aller im Bundestag vertretenen Parteien seit 2012 gewesen. Diese Zahl nannte das für den Verfassungsschutz zuständige Innenministerium im August, nachdem zuvor über Maaßens angebliche Kontakte zur AfD berichtet worden war. In den Gesprächen mit Politikern von CDU/CSU, SPD, Grünen, Linken, FDP und der AfD sei es um " Fragen der Gefährdungseinschätzung" und einen "allgemeinen Austausch" gegangen.

Auch Journalisten erhalten vom Verfassungsschutz Zahlen

In diese Kategorie passt auch Brandners Behauptung, mit Maßen über islamistische Gefährder und den Haushalt des Verfassungsschutzes gesprochen zu haben. Zahlen zu Gefährdern stehen regelmäßig im Verfassungsschutzbericht, sie können aber auch zwischendurch von Abgeordneten oder Journalisten erfragt werden. Entsprechende Meldungen sind keine Seltenheit. So gesehen sind die Einlassungen des AfD-Politikers Brandner inhaltlich unspektakulär. Bemerkenswert wäre höchstens die Tatsache, dass er über ein mutmaßlich vertrauliches Gespräch öffentlich plaudert.

Brisanz - auch politische - steckt möglicherweise in dem Wort "Haushalt", das Brandner zugeschrieben wird. Denn der tatsächliche Etat des Verfassungsschutzes wie aller anderen Geheimdienste taucht in keinem Haushaltsplan auf. Über ihn befindet das sogenannte Vertrauensgremium, dem Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestages angehören. Dieser exklusive Kreis beschließt jährlich die Wirtschaftspläne der Geheimdienste des Bundes. Neben dem BfV sind das der für das Ausland zuständige Bundesnachrichtendienst (BND) und der Militärische Abschirmdienst (MAD).

Die Höhe des Bundeszuschusses für das BfV kann jeder nachlesen

Deutschland Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2017 Maaßen und Seehofer
BfV-Chef Hans-Georg Maaßen (l.) und Innenminister Horst Seehofer stellten den Verfassungsschutzbericht 2017 vorBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Einige konkrete Zahlen werden aber trotzdem genannt, sie stehen jedes Jahr im öffentlich zugänglichen Bericht: "Im Jahr 2017 hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) 3207 Bedienstete. Der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt betrug 306.918.024 Euro." Gut möglich, dass AfD-Mann Brandner diese Zahlen vorab von Maaßen erhalten hat und den "Zuschuss" als "Haushalt" bezeichnet hat. Ein Dementi des Verfassungsschutzes zu diesem Detail gibt es nicht. Über den Inhalt der Gespräche des Behördenchefs werde grundsätzlich keine Auskunft erteilt, heißt es.

Die Darstellung der TV-Sendung "Kontraste" weist Maaßen allerdings energisch zurück. Ein Sprecher teilte mit, der Präsident führe "auf ausdrücklichen Wunsch" des Bundesinnenministeriums Gespräche mit Abgeordneten aller Bundestagsparteien. Inhalt der Gespräche sei regelmäßig die Information über die "aktuelle Sicherheitslage etwa im Bereich des islamistischen Terrorismus". Mit dem ARD-Bericht werde aber "der Eindruck erweckt, dass Informationen oder Unterlagen ohne rechtliche Grundlage weitergegeben worden seien". Das sei selbstverständlich nicht der Fall.

Warum die AfD an Maaßens Sturz Interesse haben könnte

Aber auch wenn Maaßen nichts Unrechtes getan haben sollte, passen die Vorwürfe zu dem schlechten Bild, dass er in jüngster Zeit abgibt. Damit macht er es seinen Kritikern noch leichter, seine Entlassung zu fordern. Dass aber ausgerechnet die AfD mit ihrer mutmaßlichen Indiskretion Maaßens Position weiter schwächt, erscheint auf den ersten Blick unverständlich. Sie ist bislang die einzige Partei, die noch nicht mehr oder weniger offen seinen Abgang gefordert hat.

Deutschland, Hamburg: Symbolbild AFD und der Verfassungsschutz
Teile der AfD werden in einigen Bundesländern schon vom Verfassungsschutz beobachtet Bild: picture-alliance/M. Scholz

Allerdings gerieten die Rechtspopulisten zuletzt verstärkt ins Visier der Verfassungsschützer. Die Bundesländer Bremen und Niedersachsen wollen die AfD-Nachwuchsorganisation beobachten und in Thüringen läuft ein sogenannter Prüfvorgang, der in eine Beobachtung der ganzen Partei münden könnte. Maaßen hingegen soll angeblich dagegen sein. Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, die AfD könnte aus einem anderen Grund am Sturz des Geheimdienst-Chefs interessiert sein: Um daraus die Legende zu stricken, die Bundesregierung ziehe jemanden aus dem Verkehr, der eine Beobachtung ihrer Partei ablehne.

Alles nur Zufall oder gezieltes Timing?

Die AfD stellt sich anscheinend schon darauf ein, künftig als Ganzes beobachtet zu werden. Am Donnerstag informierte die Partei darüber, der Bundesvorstand habe auf einer außerordentlichen Sitzung beschlossen, eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema einzusetzen. Fünf Männer gehören dem Gremium an, darunter der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen. Gefasst worden sei der Beschluss am Mittwochabend. Zu jener Stunde also, als BfV-Chef Maaßen im Innenausschuss des Bundestages um seine Zukunft kämpfte. Ein Zufall oder absichtliches Timing der AfD? Eine Frage, die sich auch beim Zeitpunkt des Brandner-Outings stellt.