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Politik

Handwerk beklagt massiven Fachkräftemangel

17. September 2018

Die Handwerker in Deutschland werden knapp - vielfach müssen Betriebe Aufträge ablehnen, überall werden Mitarbeiter gesucht. Der Handwerksverband fordert lockerere Regelungen für Flüchtlinge.

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Deutschland Schwarzarbeit in Hamburg
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Viele Handwerksbetriebe sind auf Monate ausgebucht und suchen verzweifelt Fachkräfte. "Derzeit sind die Auftragsbücher unserer Betriebe teils so sehr gefüllt, dass sie sogar schon Aufträge ablehnen müssen, weil sie schlicht nicht genügend Fachkräfte haben, um alles abzuarbeiten", berichtet der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Fast die Hälfte der Firmen habe Schwierigkeiten, Personal zu finden. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen bezifferte der Verband auf rund 150.000 - vermutlich liege sie aber noch höher. Jedes Jahr fehlten zudem zwischen 15.000 bis 20.000 Auszubildende - wohl auch in diesem Jahr. Die Gründe für diese Entwicklung liegen laut ZDH in sinkenden Schulabgängerzahlen und einer erhöhten Neigung zu studieren. 

"Damit ging die Entwertung der dualen Ausbildung einher", bemängelt der Verband. "Über viele Jahre haben sich zu wenig Jugendliche für eine Lehre im Handwerk entschieden." Notwendig sei ein Bewusstseinswandel: "Einer beruflichen Ausbildung muss wieder die Wertschätzung unserer Gesellschaft entgegengebracht werden, die ihr gebührt." 

Azubi (r.) in einer Haustechnik-Firma in Chemnitz
Azubi (r.) in einer Haustechnik-Firma in Chemnitz (Archivbild)Bild: picture alliance/dpa/J. Woitas

Der eklatante Mangel an Handwerkern ist spürbar an allen Ecken und Enden. Die Auftragsbücher sind rappelvoll. Die Kunden warten oft viele Wochen - "vielfach scheint der Termin beim Facharzt einfacher zu bekommen, als der beim Klempner", sagt Claus Michelsen, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). "Bei den Kunden nimmt der Frust vor allem aufgrund der langen Wartezeiten und gleichzeitig hohen Rechnungen zu", sagt er. Denn weil Handwerker knapp sind, können sie "sich ihre Aufträge aussuchen und entsprechend hohe Preise aufrufen", sagt Michelsen.

Monatelange Wartezeiten

Auch die Architektenkammer Baden-Württemberg bekommt dies von ihren Mitgliedern gespiegelt. "Die Kollegen vor Ort klagen darüber, dass man Monate warten muss, bis der entsprechende Handwerker seine Aufträge abarbeitet", sagt Jochen Stoiber, der bei der Kammer als Referent für Architektur und Technik tätig ist. Bei öffentlichen Bauvorhaben sei dies ein fast noch größeres Problem als im Privatkundenbereich. "Aufträge müssen öffentlich ausgeschrieben werden - zeitweise bewirbt sich kein einziger Anbieter", sagt Stoiber. Der jahrelange Unterbietungskampf der Betriebe habe sich inzwischen ins Gegenteil verkehrt. "Es gibt definitiv keinen Preiswettbewerb mehr", bekräftigt er. 

Das Handwerksverband macht sich deshalb für bessere Bleibeperspektiven für Flüchtlinge in Ausbildung stark. Es sei mit Blick auf den Fachkräftemangel "völlig widersinnig", dass gut integrierte junge Leute nach Hause geschickt und andernorts Arbeitskräfte angeworben würden, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer am vergangenen Donnerstag. Wer hier eine Ausbildung absolviere und integrationswillig sei, sollte bleiben dürfen, sagte er. Dafür sei eine gesetzliche Übergangsregelung nötig. Zudem sei die "Drei-Plus-Zwei-Regelung" bundesweit einheitlich anzuwenden. Sie sieht vor, dass Flüchtlinge unter bestimmten Bedingungen eine Ausbildung in Deutschland beginnen und danach zwei Jahre weiter hier als Fachkraft arbeiten können. 

stu/sam (dpa)