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Handlanger oder Aufklärer?

Peter Philipp30. August 2002

Der Deutsche Journalisten-Verband hat sich mit Blick auf den 11. September gegen staatliche Eingriffe in die Pressefreiheit ausgesprochen. Auf dem Bonner Petersberg diskutierten Journalisten über Medien und Terrorismus.

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Das Gästehaus Petersberg bei BonnBild: AP

Der Titel war vielleicht etwas missverständlich gewählt: "Medien - Instrumente des Terrorismus?" Denn so sahen sicher nur die wenigsten der rund 200 Teilnehmer der ersten "Petersberger Konferenz" des "Deutschen Journalisten-Verbandes" (DJV) ihre Rolle. Besonders nicht seit dem 11. September. "Wir wollen aber dazu beitragen, dass Journalisten bei der Behandlung dieses Themas mehr reflektieren", gibt Rolf Lautenbach, der Bundesvorsitzende des DJV die Richtung vor. "Im Alltag der Journalisten haben wir festgestellt, dass das für viele in den letzten Jahren ein Problem geworden ist. Nach dem Motto, im Fernsehen: Soll ich’s senden, soll ich’s nicht senden und im Printbereich: Soll ich’s schreiben oder soll ich’s nicht schreiben?"

Ganz abgesehen davon seien die Grenzen sehr fliessend geworden. "Und wir haben festgestellt, dass viele Journalisten auch nicht mehr genau differenzieren können: Wie weit geht der Begriff "Widerstand" – personeller Widerstand bis hin zum Terrorismus? Obwohl wir auch festgestellt haben, dass wir als Journalisten viel zu oft und viel zu schnell Wortgebilde der Staatsmacht, der Sicherheitsdienste, was den Terrorismus anbelangt, übernehmen".

Spielregeln beeinflusst

Aus amerikanischer Sicht erklärte CNN-Mitarbeiter Garrick Utley, wie gerade der 11. September die journalistischen Spielregeln beeinflusst und auch verändert habe. Zunächst, indem man – ohne jedes Konkurenzdenken – unter den verschiedenen Sendern zusammengearbeitet und Filmmaterial ausgetauscht habe. Dann aber auch, indem man beschlossen habe, bestimmte Szenen nicht mehr zu senden, um die Würde der Opfer nicht anzutasten.

Nachdem Präsident Bush das Wort vom "Krieg gegen den Terrorismus" ausgegeben habe, sei alles noch etwas komplizierter geworden. Etwa bei der Abwägung, ob man Erklärungen oder Video-Cassetten Osama bin Ladens senden solle oder nicht. Handelt es sich hier um Nachrichten oder um Propaganda. Notgedrungen sei es dadurch zu einem gestörten Verhältnis zu den Behörden gekommen – was sich letztlich dahin entwickelte, dass das offizielle Washington inzwischen die Unterhaltungsabteilung eines Fernsehsenders – und nicht dessen Nachrichtenabteilung – beauftragt habe, das militärische Vorgehen in Afghanistan filmisch aufzubereiten.

Gegenseitiges Vertrauen



In Deutschland ist man von solchen Entwicklungen weit entfernt, wie Klaus Ulrich Kersten bestätigte, der Präsident des Bundeskriminalamtes. Seine Behörde sei durchaus bereit, den Informationshunger der Medien zu stillen, aber man müsse sich dabei auch auf diese verlassen können. Die Medien seien naturgemäß daran interessiert, eine Meldung möglichst schnell herauszubringen, während die Polizei zuerst ihre Untersuchungen abschliessen und nicht durch vorzeitige Publizierung gefährden wolle. Wenn jedoch gegenseitiges Vertrauen bestehe, dann könnten Polizei und Medien gut zusammenarbeiten – ohne den Verdacht, dass der eine den andere zu instrumentalisieren versuche.

Größtmögliche Publizität


Der Augsburger Soziologe Prof. Peter Waldmann bedauerte, dass nur ein kleiner Teil des weltweit verübten Terrorismus überhaupt in den Medien erwähnt werde, und dass Akte des Staatsterrorismus dabei noch weniger vor kämen. Waldmann warnte vor einer Reglementierung der Medien, weil diese den Drang nach eigener Recherche noch weiter reduziere und dadurch mehr Gerüchte verbreitet werden als untermauerte Tatsachen. Der Hamburger Journalistik-Dozent, Prof. Siegfried Weischenberg, griff dies auf und warnte, dass dadurch Spekulationen Tür und Tor geöffnet würden. Und alle Beteiligten waren sich einig, dass man dann dem Terrorismus diene. Denn – so der BKA-Präsident – während "normale" Kriminelle ihre Tat vertuschen möchten, zielen Terroristen auf eine größtmögliche Publizität ab.

Menschenwürde achten

Solch terroristisches Kalkül dürfe durch die Medien nicht bedient werden, heißt es denn auch unter anderem in der "Petersberger Erklärung", die zum Abschluß des Kongresses verabschiedet wurde. Terrorismus müsse ungeachtet seiner vielschichtigen Ursachen weltweit geächtet werden, dies berechtige aber nicht zu Zensur und anderer Behinderung der Medien. Der Journalismus müsse sich aber auch eigene Grenzen und Werte setzen: Reißerische Darstellungen seien ebenso abzulehnen wie das Schüren von Angst oder der Aufbau von Vorurteilen. Und vor allem: Die Würde der betroffenen Menschen sei zu achten.