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Handelsstreit eskaliert

Fabian Kretschmer
2. August 2019

Japan hat Südkorea von seiner Liste bevorzugter Handelspartner gestrichen. Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind überschaubar, der diplomatische Schaden jedoch massiv. Fabian Kretschmer aus Seoul.

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Südkorea - Japan Handelskrise
Bild: picture-alliance/AP Photo/Ahn Young-joon

Was Südkoreas Regierung bereits seit Wochen befürchtet, ist nun am Freitag Realität geworden. Die japanische Regierung hat sein Nachbarland Südkorea von seiner "Weißen Liste" bevorzugter Handelspartner gestrichen.

Die Eskalation hat in Südkorea einen massiven Aufschrei ausgelöst. Präsident Moon Jae In berief umgehend eine Krisensitzung ein und trat anschließend sichtlich erbost vor die Presse: "Ich warne eindrücklich, dass die japanische Regierung allein verantwortlich für das sein wird, was künftig passiert." Dann salutierte der 66-jährige Politiker mit Hand vorm Herz vor der südkoreanischen Flagge, während im Hintergrund die Nationalhymne ertönte. Wenig später erklärte seine Partei, dass Japan nun endgültig eine "wirtschaftliche Kriegserklärung" verkündet habe.

Südkorea Seoul - Präsident - Moon Jae-in bei Sitzung des Nationalem Sicherheitsrates
Moons Partei: "Kriegserklärung"Bild: picture-alliance/dpa/Yonhap/B. Jae-Man

Japans Kolonialvergangenheit

Japan begründet seine Entscheidung damit, dass das Vertrauen zwischen beiden Nationen erschüttert sei. Eine Mitarbeiterin der japanischen Botschaft in Südkorea wird konkreter: "Es geht weniger um Sicherheitsbedenken wegen Nordkorea, als viel mehr darum, dass Südkorea 2015 ein international gültiges Abkommen gebrochen hat. Die Vertrauensgrundlage ist nicht mehr gegeben."

Damals unterschrieben Japans Premier Shinzo Abe und Südkoreas konservative Ex-Präsidentin eine Einigung im historischen Streit um die Kolonialverbrechen Japans in Südkorea. Nach einer Entschuldigung und Kompensationszahlungen solle der historische Disput nun irreversibel beigelegt werden.

Der amtierende linksgerichtete Präsident Moon löste jedoch die in seinen Augen unvollständige und übereilte Einigung wieder auf. "Shinzo Abe sendet nun vor allem eine politische Botschaft an Südkorea. Dieses möge bitte seine Position bezüglich der Kompensation von Zwangsarbeitern während der japanischen Kolonialzeit ändern", sagt Professor Byoung-joo Kim von der Hankuk Fremdsprachenuniversität in Seoul.

Südkorea Treffen Shinzo Abe (l.) und Park Geun-hye Bilateraler Gipfel
(Archiv) Einigung 2015: Abe (l.) und Ex-Präsidentin Park unterschrieben die VereinbarungBild: Reuters/S. Kyung-Seok

Antijapanische Stimmung

Bereits vor einem Monat hatte Tokio beschlossen, dass japanische Unternehmen für den Export bestimmter Chemikalien nach Südkorea jedes Mal Lizenzen beantragen müssen. Von den Restriktionen sind ausgerechnet die Kernbranchen südkoreanischer Technologiekonzerne wie Samsung Electronics, SK Hynix und LG betroffen. Seither ist Südkoreas Gesellschaft von einer solch massiven antijapanischen Stimmung durchzogen, wie dies seit 1965 nicht der Fall war - jenem Jahr, als die zwei Länder diplomatische Beziehungen aufnahmen.   

Wer die historischen Hintergründe dieses jahrzehntealten Konflikts verstehen möchte, der sollte an einem Mittwochmittag einen Blick vor die japanische Botschaft in Seoul werfen: Woche für Woche ziehen Nichtregierungsorganisationen, Aktivisten, Schüler und Studenten hierher, um die ehemaligen Kolonialherren aus Japan, die die koreanische Halbinsel zwischen 1910 und 1945 besetzt hatten, mit lautstarken Chören an ihre Menschenrechtsvergehen und Kriegsverbrechen zu erinnern.

Tausende "Trostfrauen" hatte das japanische Militär während des Zweiten Weltkriegs in die Zwangsbordelle der Armee verdonnert, japanische Unternehmen haben Zwangsarbeiter brutal ausgebeutet. Die Entschuldigungen, die Japan in der Nachkriegszeit immer wieder ausgesprochen hatte, werden von den linksgerichteten Demonstranten als halbherzig und unaufrichtig abgetan.

Südkorea - Japan Handelskrise
Japanische Produkte in südkoreanischen Supermärkten unerwünschtBild: picture-alliance/AP Photo/Ahn Young-joon

Südkoreaner rufen zum Boykott auf

Auch an diesem Mittwoch haben sich Menschen vor der japanischen Botschaft versammelt. "Asahi war mein Lieblingsbier, aber das kaufe ich mittlerweile nicht mehr - genau wie andere Produkte aus Japan", sagt Pang Ju-il, der für eine NGO in Seoul arbeitet. Dies sei das einzige, was er tun könne, um Druck auf Japan auszuüben. Wie viele andere hat auch Pang ein Plakat mitgebracht, auf dem in großen Buchstaben "No Japan" prangt - ein Aufruf zum Boykott.  

Die linksgerichtete Politikerin Kim So-hee, die ebenfalls an diesem drückend schwülen Mittag vor die Botschaft gezogen ist, macht jedoch deutlich, dass sich der Protest nicht gegen die japanische Bevölkerung richtet. "Die Vergangenheit ist die Vergangenheit. Die Leute heute können nichts dafür. Es geht uns darum, gegen die Regierung Japans zur Wehr zu setzen."

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Realmeter von Donnerstag würden mittlerweile rund 65 Prozent aller Koreaner an dem Boykott teilnehmen. Die Umsätze der japanischen Kleidungskette Uniqlo sind etwa seit Beginn des Konflikts um 40 Prozent eingebrochen. Die Anzahl an koreanischen Touristen nach Japan in der zweiten Juli-Hälfte ist um 13 Prozent zurückgegangen, mehrere koreanische Fluggesellschaften haben ihre Flüge ins östliche Nachbarland reduziert.

"Wir führen zwar immer noch japanische Produkte, aber unsere Kunden haben aufgehört, diese zu kaufen", sagt die Managerin eines Supermarkts in der Seouler Innenstadt. Eine Verkäuferin in der Konkurrenzfiliale einen Steinwurf weiter meint: "Die einzigen, die noch das japanische Asahi Bier bei uns kaufen, sind Ausländer. "

Keine Auswirkungen für Konsumenten

Wirtschaftsexperten jedoch werten die soziale Hysterie gegen Japan als übertrieben an. "Das Streichen Südkoreas von der 'Weißen Liste' geht zunächst mit keinerlei Exportverboten einher, sondern lediglich längere Genehmigungsprozeduren", sagt Sanjeev Rhana von der Investmentgruppe CLSA Korea. Der Analyst geht nicht davon aus, dass es mittelfristig zu Lieferengpässen bei südkoreanischen Unternehmen oder Verteuerung der Konsumgüter kommen werde.

Japan will Tech-Exporte nach Südkorea einschränken
Viele Hightech-Produkte aus Südkorea von Zulieferung aus Japan abhängigBild: picture-alliance/dpa/MAXPPP

Kim von der Hankuk Fremdsprachenuniversität meint jedoch, dass der jüngste Handelsdisput mit Japan eine Mahnung an Südkoreas Unternehmen ist: ""Wir können nicht nur von einem Land abhängen, weder Japan noch China. In unserer Ära, in der protektionistisches Denken zunimmt, wie etwa bei Donald Trump und Xi Jinping, müssen wir uns weiter diversifizieren, vor allem die Wirtschaft."