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Handball-Märchen nimmt Gestalt an

Stefan Nestler29. Januar 2016

Mit dem Einzug ins EM-Halbfinale haben die jungen deutschen Handballer bereits alle Erwartungen übertroffen. Das für 2020 gesetzte Ziel des Deutschen Handballbundes erscheint plötzlich nicht mehr utopisch.

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Deutsche Handballer bejubeln Sieg gegen Dänemark (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images/AFP/J. Skarzynski

Die Party ist bereits geplant. Sollte die deutsche Handball-Nationalmannschaft an diesem Freitag mit einem Sieg im Halbfinale gegen Norwegen (Anwurf 18.30 Uhr MEZ) das Endspiel der Europameisterschaft in Polen erreichen, werden die Spieler am Montag in Berlin mit den Fans feiern - egal ob als Titelträger oder Zweitplatzierter. "Wir werden versuchen, ein vernünftiges Programm auf die Beine zu stellen", versprach Bob Hanning, Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB). Der DHB-Sportchef bezeichnete den 25:23-Sieg gegen den Topfavoriten Dänemark am Mittwoch als "Sternstunde für den deutschen Handball", mahnte jedoch, nach dem unerwarteten Erfolg auf dem Boden zu bleiben: "Wir leben im Moment von der Euphorie, von der inneren Freude und von der Situation, mit den Dingen richtig umzugehen. Jetzt von Weltklasse zu reden, finde ich viel zu früh. Das sollten wir auch nicht tun."

Jüngstes EM-Team

Dass nach jahrelanger Durststrecke der Knoten ausgerechnet bei dieser EM platzen würde, hatten wohl selbst die kühnsten Optimisten nicht erwartet. Das Team von Bundestrainer Dagur Sigurdsson reiste ohne sechs Stammspieler an, die wegen Verletzungen hatten absagen müssen. Im Kader standen 16 EM-Debütanten. Mit einem Durchschnittsalter von 24,9 Jahren ist die Mannschaft die jüngste im Turnier. Doch gerade die "jungen Wilden" wie Torhüter Andreas Wolff (24 Jahre alt), Rückraumspieler Christian Dissinger (24) oder Abwehrrecke Finn Lemke (23) drängen ins Rampenlicht. "Wir haben eine sehr, sehr spannende Mannschaft", sagt der in Island geborene Dagur Sigurdsson.

Parade von Nationaltorwart Andreas Wolff (Foto: Getty Images)
Torwart Andreas Wolff ist der große Rückhalt der deutschen MannschaftBild: Getty Images/AFP/A. Nurkiewicz

Kräftig durchgeschüttelt

Viele sprechen bereits von der Geburtsstunde einer weiteren großen deutschen Mannschaft, die eines Tages in die Fußstapfen der Weltmeister von 2007 treten könnte. Für die Verantwortlichen des DHB dürfte dieser Stimmungswandel Balsam auf die geschundene Seele sein. Als sie Ende 2013 ihr Konzept "Perspektive 2020" mit dem Fernziel Olympiasieg vorstellten, ernteten sie bei den meisten nur ein müdes Lächeln. Angesichts der sportlichen Flaute erschien Gold bei Olympia innerhalb von sieben Jahren geradezu utopisch. Doch der DHB machte seine Hausaufgaben, verpflichtete mit Dagur Sigurdsson einen neuen Bundestrainer und kehrte auch im eigenen Stall. "Der Verband hat sich einmal kräftig durchgeschüttelt und ist jetzt in vielen Bereichen auf dem Weg der Professionalisierung", sagt DHB-Vize Hanning.

Dagur Sigurdsson (Foto: Getty Images)
Bundestrainer Dagur Sigurdsson findet die richtigen WorteBild: Getty Images/AFP/A. Nurkiewicz

Auch Löw ist begeistert

Die Parallelen mit dem deutschen Fußball sind auffällig. Wie einst der DFB intensivierte auch der DHB die Nachwuchsförderung, als es im Mutterland des Handballs sportlich nicht mehr lief. Die Vereine zogen mit. Seitdem drängen immer mehr junge deutsche Talente in die Teams. "Man sieht, dass die Bundesligisten mit ihren Nachwuchszentren und der Entwicklung von jungen Spielern jetzt maßgeblich zu den Erfolgen der deutschen Mannschaft beitragen", analysiert Bob Hanning. Fußball-Weltmeistertrainer Joachim Löw hat eine weitere Gemeinsamkeit ausgemacht: "Genauso wie wir stellt auch Dagur Sigurdsson das Team in den Mittelpunkt, jeder kämpft für den anderen", sagte Löw und bezeichnete die jungen Nationalspieler als "tolle Botschafter für Deutschland". Die Handballer haben sich die anstehende Party in Berlin eigentlich schon jetzt verdient. Vielleicht bringen sie ja dazu - wie Löws Kicker 2014 - auch noch einen Pokal mit.